Werbung bricht ein: ORF prognostiziert 17 Mio. Euro Minus für 2023

Alexander Hofer neuer ORF-Landesdirektor Niederösterreich
TV-Werbung unter Druck. ORF-Strategie sieht stärkere Einbindung des Publikums vor. Programm 2024 von Sport und Information geprägt

Ein positiver ORF-Jahresabschluss wie 2022 dürfte sich heuer nicht mehr ausgehen: ORF-Chef Roland Weißmann informierte im Finanzausschuss am Montag die Stiftungsräte über ein drohendes, prognostiziertes Minus in der Höhe von 17 Mio. Euro im Jahr 2023. Das erhöht im Gegenzug den Einsparungsdruck. 325 Millionen an bisher schon erwarteten Mehrkosten (Inflation etc.) muss der ORF bis 2026 aus sich heraus finanzieren.

Gegenmaßnahmen wurden angekündigt, dafür wird z. B. die Eigenkapitalquote nach unten geschraubt, Pensionskassenbeiträge ausgesetzt und Nachbesetzungen restriktiv gehandhabt. Grund für die drohenden roten Zahlen ist vor allem ein Einbruch bei der TV-Werbung im ersten Quartal, nun auch beim ORF. 2022 erreichte man bei einem Umsatz von 1, 015 Mrd. Euro noch wie gewollt knapp die schwarzen Zahlen. Laut Forecast wird auch der Umsatz 2023 zurückgehen.

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Abfluss der Werbegelder

Das Minus bei der TV-Werbung kann auch die gute Entwicklung bei der Radio- und Onlinewerbung nicht ausgleichen. Was die Aussichten auch schon für 2024 in diesem Bereich nicht besser macht: Die ORF-Gesetzesnovelle, die kommende Woche im Nationalrat beschlossen werden soll, sieht striktere Auflagen im Radiowerbebereich und eine Deckelung im Onlinebereich vor.

Zudem gehen internationale Mediaagenturen von einem Shift wegen von der TV-Werbung aus; noch mehr Werbespendings aus Österreich machen den Weg in die USA und China.

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Den Großteil des ORF-Umsatzes von rund einer Milliarde Euro sind 2023 die Gebühreneinnahmen, aber auch hier geht es durch weniger Teilnehmerhaushalte und gleichzeitig Umbau der GIS samt erheblichen Personalabbau - Stichwort Vorort-Kontrolleure - nach unten. Ab 2024 wird der ORF in Form einer Haushaltsabgabe ("ORF-Beitrag") anstatt der geräteabhängigen GIS-Gebühr finanziert. 2024 soll sich der öffentlich-rechtliche Auftrag - nur dessen Kosten dürfen über den Beitrag abgegolten werden - nach ORF-Angaben auf 683 Millionen Euro belaufen, 2025 liegt man schon bei 704,7 Millionen und 2026 dann bei 742,5 Millionen Euro. Und das trotz des oben genannten Einsparungsvolumens.

ORF will alle

Abseits der Finanzierung wird im ORF eifrig an einer Strategie 2030 gearbeitet. Diese ist mit "Ein ORF für alle" betitelt und soll bis Jahresende diskutiert und beschlossen werden. Ausgangspunkt ist eine Integral-Umfrage, wonach 75 Prozent der österreichischen Bevölkerung den ORF als eher oder sehr wichtig einstufen. Ein Viertel der Bevölkerung sieht das aber anders. Ziel des öffentlich-rechtlichen Medienhauses ist es nun, die 75 Prozent weiter gut zu bedienen, aber sich auch vermehrt um die 25 Prozent der Bevölkerung zu kümmern, die den ORF kritisch sehen.

Dafür will Weißmann auf einen userzentrierten Ansatz setzen. Eine Zielgruppenlandkarte soll laut der Strategie sichtbar machen, für welche Zielgruppen der ORF ausreichend Inhalte produziert und für welche noch zu wenig. Zu denen zählen aktuell vor allem die Jungen. Auf Basis der so definierten Angebotslücken soll eine Neuausrichtung der Flottenstrategie erfolgen.

Um sich veränderten Sehgewohnheiten anzupassen, will sich der ORF schon seit längerer Zeit vom linearen Broadcaster zur Plattform entwickeln. Wesentlicher Baustein ist dafür ein "ORF-Player" oder auch eine "ORF-TVthek neu" - die Namensfindung ist noch nicht abgeschlossen.

Frage der Glaubwürdigkeit

Mit einer "Kultur der Verantwortung" soll sichergestellt werden, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit erhalten bleibt. Dafür setzt der ORF verstärkt auf reflexiven Journalismus im multimedialen Newsroom. Marktforschung soll Auskunft darüber geben, wie das Publikum die Berichterstattung empfindet. Auch sind regelmäßige Feedbackschleifen in den Redaktionen vorgesehen, die überprüfen, ob der ORF etwa ausgewogen und schnell berichtet oder blinde Flecken in der Berichterstattung aufweist.

Eine derzeit arbeitende Ethikkommission soll ebenfalls die Glaubwürdigkeit des ORF stärken. Sie befasst sich mit Nebenbeschäftigungen oder auch Richtlinien für Social-Media-Auftritte. Im Oktober oder November könnte der Endbericht vorliegen.

Zuletzt beinhaltet die Strategie 2030 des ORF eine Dialogoffensive. So sollen neue Feedback-Mechanismen und Formate wie Bürgerforen geschaffen werden, um die Beteiligung des Publikums zu stärken. Zum Start ist eine Imagekampagne geplant.

Programm

Programmlich sind die Aussichten aufgrund knapper Kassen verhalten. Gerüchteweise sind, jedenfalls teilweise, Beauftragungen der Produktionswirtschaft derzeit aufgeschoben, bis die ORF-Finanzierung unter Dach und Fach ist. Die nahe Zukunft sieht indes so aus, dass 2024 das Show-Event "Die große Chance" mit dem Untertitel Let's Sing & Dance" zurückkehrt. Schon im Jänner in ORF zu sehen ist eine neue Staffel des "Bergdoktor". Im Frühjahr kommt im ORF1-Montag-Hauptabend die neue Serie "School of Champions", geplant ist zudem "Biester". Sportliche Highlights sind die Fußball-EM in Deutschland, für die man eine Sublizenz von ServusTV erworben hat, sowie die Olympischen Spiele und die Paralympics in Paris. Dazu kommen noch die EU-Wahl und, vor allem, die Nationalratswahlen 2024, eine Bewährungsprobe für die dann neu und multimedial aufgestellte ORF-Information.

Neu kommt 2024 online, weil dann gesetzlich erlaubt, der "Kids-Screen": geplant ist ein hochwertiges Programm für Kinder auf Abruf, begleitet von einem Programm-Stream. Der Fokus soll auf Wissen, Information, Unterhaltung, Interaktion und Service liegen.

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