Wenn man sich nicht versteht: Mit der "ZiB" in den nächsten Lockdown
*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*
Es lag wieder der böse Zauber des Anfangs in der Luft. Eine „ZiB spezial“ brachte in den letzten zwei Jahren selten etwas Gutes. Auch der allererste Lockdown wurde mit Sondersendungen und TV-Diskussionen begangen.
Aber während damals noch eine Art Überzeugung vorherrschte, dass wir und die ganze Welt das schon alles gemeinsam irgendwie meistern werden, haben sich mittlerweile Zank, Hader und Müdigkeit der hausgemachten Sorte breit gemacht.
Diplomatie brutal
Das „Was bisher geschah“, das Tobias Pötzelsberger eingangs präsentierte, gab einen guten Eindruck davon.
Im darauffolgenden Kanzler-Interview wurde der Eindruck eindrucksvoll bestätigt. Die einfache Frage „Macht der Gesundheitsminister einen guten Job?“ schien Schallenberg alles an diplomatischer Umschreibungskunst abzuverlangen.
Er sagte: „Also wir arbeiten natürlich sehr eng zusammen. Das ist natürlich eine schwierige Situation für die gesamte Bundesregierung, auch für den Gesundheitsminister. Und es gibt Fragen, was zum Beispiel die Auffrischungsimpfung betrifft, und andere, wo er sehr gefordert ist, wo ich auch erwarte, dass wir eine klare Linie nach außen verfolgen und wir müssen letzten Endes in der Bundesregierung gemeinsam agieren. Und das erwarte ich auch.“
„Und das tut er auch?“, fragte Pötzelsberger.
„Nun, das ist das Ziel“, antwortete Schallenberg.
Schlimmer kann man es auf diplomatischem Weg gar nicht mehr ausdrücken.
Unterkante
Und weiter: „Ich habe eine sehr gute Gesprächsbasis mit ihm. Und was wir hier machen müssen, ist, gemeinsame Maßnahmen setzen. Und diese gemeinsam nach außen tragen, so wie wir’s am Sonntag auch gemacht haben. Das ist die Unterkante für mich, wie man in einer Krise arbeiten sollte.“
Die Formulierung „Unterkante“ wurde in ihrer Häufigkeit nur von „ganz offen“ überboten. Dabei fragt man sich bei den Ausführungen Schallenbergs, wie es zugeht, wenn die beiden tatsächlich gerade „sehr eng“ zusammenarbeiten. Hoffentlich nicht Handkante statt Unterkante.
Aufklärung
Heilsam war die Befragung des Epidemiologen und Impfexperten Herwig Kollaritsch durch Susanne Höggerl. Könnte man doch nur neben jedes Regal mit Entwurmungsmittel einen Kollaritsch stellen, der den verschworensten Impfskeptikern (klingt fast schon so gehoben wie Querdenker) erklärt, was Sache ist.
Experte Herwig Kollaritsch über Impfskepsis
Runde ohne Tisch
Kollaritsch diskutierte dann auch beim "Runden Tisch" mit zum Thema: „Wie meistern wir die Corona-Krise? Die Politik und ihre Verantwortung“. Die Runde musste übrigens, so wie in früheren Lockdowns, ohne Tisch auskommen.
Bei Claudia Reiterer saß eine gemischte Runde von der Sorte: Politiker debattieren mit Expertinnen und Experten. Da kann alles passieren.
In diesem Fall kam es zu einem zuweilen skurrilen Schlagabtausch zwischen Verfassungsrechtler Heinz Mayer und der Politologin Ulrike Guérot, der durch schwere technische Probleme ziemlich einseitig verlief.
Minderheit und Solidarität
Guérot, die sich in der Pandemie als eine Art Vorzeige-Kritikerin der diversen Maßnahmen betätigt, saß in Bonn und wurde per Video zugeschaltet. Ihre Ausführungen waren aber durch eine schlechte Übertragungsqualität dermaßen abgehackt, dass man ihr kaum folgen konnte.
Kurz gefasst bezog sie sich auf verfassungsrechtlich zugesicherte Minderheitenrechte als „Kennzeichen einer Demokratie“. Das sei nichts anderes als, dass „eine Minderheit auch dann Rechte hat, wenn es der Mehrheit nicht gefällt“. Mit dem aktuellen Lockdown für Ungeimpfte würde eine gesellschaftliche Gruppe stigmatisiert.
Mayer widersprach mit dem Prinzip der Solidarität: Grundrechtseingriffe könnten zur Erreichung gewisser Ziele - der Gesundheitsschutz zähle dazu - temporär gesetzt werden, wenn diese verhältnismäßig sind. Und das sieht er in der gegenwärtigen Lage gegeben. „Es gibt keine Freiheit ohne Grenzen. Auch in einer Demokratie muss der Bürger in bestimmten Fällen sein eigenes Interesse zurückstellen, um das Interesse der Allgemeinheit zu schützen und zu fördern, und da sind wir, wenn ich es richtig sehe.“
In Folge war Guérot immer schwerer zu verstehen. "Wir verlieren Sie leider immer wieder ... aus technischen Gründen" sagte Reiterer.
In den tonlosen Pausen waren aber immer wieder Kommentare aus der Wiener Runde zu hören, die teilweise sehr untergriffig waren.
Diese hier nicht zu zitieren, gebietet der Anstand. Es zeigt aber auch, dass mittlerweile selbst zwischen hoch gebildeten Vertretern der Gesellschaft Ressentiments bestehen, die kaum mehr hinterm Berg gehalten werden.
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"Habe sie nicht verstanden ..."
„Wir haben’s auf jeden Fall versucht und glaub ich auch großteils verstanden“, sagte Reiterer nach Guérots Ausführungen. Sie meinte das akustisch. „Herr Mayer, möchten Sie dazu was sagen?“
Mayer: „Ob ich was verstanden hab’...“?
Reiterer: „Den Tabubruch …“
Mayer: “Nein, hab’ ich nicht verstanden, tut mir leid. Aber so geht’s ma scho lang mit ihr …“
In der etwas betretenen Stimmung meldete sich dann Kollaritsch zu Wort, ohne politisch werden zu wollen. Er griff das Argument Guérots auf, dass das Gesundheitssystem zuvor kaputtgespart worden sei und dieses Versäumnis nun zu „Ausgrenzung“ führe.
„Wir haben ein perfekt funktionierendes Gesundheitssystem, so lange wir keine Pandemie haben“, erklärte Kollaritsch. „Eine Pandemie ist eine vollkommen außergewöhnliche Situation. Und dass die uns Grenzen aufzeigt oder sogar verschiebt, das ist eine ganz klare Sache. Man kann eine Pandemie nicht im Voraus planen. Wir hatten Pandemiepläne noch und nöcher in der Schublade, für Influenza-Pandemien. Die mussten wir alle wegschmeißen, weil Corona halt eine ganz andere Pandemie ist. Wir können für die Zukunft lernen, und uns vielleicht besser vorbereiten - aber das konnte kein Mensch voraussehen.“
Dazulernen
Jetzt hilft es natürlich ein bisschen, die Dimensionen gerade zu rücken, aber die Politik kann freilich nicht aus der Pflicht entlassen werden, auch während einer langen Pandemie dazuzulernen.
Dass jetzt wieder die Polizei zur Kontrolle eines Lockdowns ausrücken muss, ist das augenfälligste Beispiel dafür, dass das nicht geschehen ist. Und so musste der Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, der gewissermaßen statt Innenminister Karl Nehammer als „Good Cop“ im „ZiB 2“-Studio saß, erklären, dass Geimpfte auf der Straße zwar keinen Impfnachweis parat haben müssen, aber „glaubhaft machen“ sollten, dass sie geimpft sind. Klingt nach typisch österreichischem „Wir werden kaan Richter brauchen …“
So wird der Lockdown kontrolliert
"Das G'impfte"
Politikberater Thomas Hofer, der gewissermaßen Peter Filzmaier vertrat, erklärte dann noch einmal, was aktuell in der Zusammenarbeit und der Kommunikation der Regierung falsch laufe.
„Natürlich ist es so, dass den Immunisierten irgendwann das G’impfte aufgeht, wenn es in Richtung Lockdown für alle geht“, sagte Hofer. Daher sei die aktuelle Linie der ÖVP nachvollziehbar. Danach setzte er allerdings ein großes Aber: „Was in der Bevölkerung ankommt, ist Chaos pur.“
An diesem Montag kam ziemlich viel davon an.
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