"Vorstadtweiber"-Macher: "Jetzt haben alle miteinander geschlafen"
„Vorstadtweiber“-Mastermind Uli Brée und Regisseur Harald Sicheritz über den Abschied von der ORF-Erfolgsserie nach sechs Staffeln, ein Nachfolgeprojekt und die Komödienkrise im Kino.
17.01.22, 05:01
„Nach sechs, sieben Jahren ist es auch irgendwann einmal gut“, sagt Uli Brée zum Abschied von den „Vorstadtweibern“. Der deutsch-österreichische Drehbuchautor erfand die Serie über die umtriebigen Döblinger Damen. Für den ORF waren die „Vorstadtweiber“ ein veritabler Quoten-Hit. Die sechste und letzte Staffel startete vergangenen Montag auf ORF1 mit durchschnittlich 621.000 Zusehern. Diese Reichweite liegt im Schnitt der fünften Staffel, aber klar unter dem Staffelauftakt des Vorjahrs.
Derzeit arbeitet Brée an einer ORF-Serie mit dem Titel „Biester“, mit einer anderen, jüngeren Tonalität. Im Mai sei Drehbeginn für das Nachfolgeprojekt. „Wir wollen aber bewusst keinen ,Vorstadtweiber‘-Abklatsch machen“, sagt Brée. Die Serie spiele in Wien, „bei den Reichen und bei den Armen“.
Die Regiearbeit bei den finalen elf „Vorstadtweiber“-Folgen teilten sich Mirjam Unger („Maikäfer flieg“) und Harald Sicheritz („Hinterholz 8“). Letzterer stellte sich mit Brée unseren Fragen.
KURIER: Wie fühlt sich das Ende eines solchen umfangreichen Kapitels an?
Uli Brée: In meinem Arbeitsprozess als Autor ist der Abschied vonstatten gegangen, als ich die Bücher abgegeben habe. Aber bei „Vier Frauen und ein Todesfall“ zum Beispiel war es so: Als die letzte Folge im Fernsehen lief, hatten wir eine WhatsApp-Gruppe mit der ganzen Partie, wir haben uns da im Wohnzimmer emotional von dem Ding verabschiedet. Auch bei den „Vorstadtweibern“ wird der Abschied spürbar sein, wenn die allerletzte Folge gelaufen ist.
Harald Sicheritz: Das ist der wirkliche Schlusspunkt für alle, nicht nur für die, die daran beteiligt waren.
Was hat die „Vorstadtweiber“ ausgezeichnet?
Sicheritz: Die Trademark war von Anfang an, dass, wer immer in der Serie auftritt, A-Liga ist, oder spätestens nach drei Szenen dazugehört. Viele haben dadurch einen Karriere-Booster erlebt. Das hat sich unglaublich schnell etabliert und deshalb musste ich auch nie darüber nachdenken, ob ich eine weitere Staffel mache.
In der finalen Staffel geht es um Alterserscheinungen.
Brée: Es lag für mich auf der Hand, weil in der Serie doch sechs Jahre vergangen sind. Man wird halt auch älter in der Zeit. Gerade bei den „Vorstadtweibern“, wo es viel um Äußerlichkeiten geht, ist das natürlich ein Thema, das man aufgreifen muss.
Sicheritz: Mir ist dabei der wundervolle Satz von Oscar Wilde eingefallen: Nur ein wirklich oberflächlicher Mensch beurteilt Leute nicht nach ihrem Äußeren.
Ein männlicher Protagonist hat auch ein Problem, nämlich mit der Prostata ...
Brée: Ich hab’ halt alle Probleme aufgegriffen, die man so hat um die fünfzig. (lacht)
War es für Sie ein guter Zeitpunkt, um aufzuhören?
Brée: Ja. Irgendwann ist es auch einmal gut. Dann sind wirklich alle einmal im Koma gelegen und alle haben miteinander geschlafen.
Haben Sie noch ein Hintertürchen offengelassen?
Brée: Was man natürlich machen kann, sind Weihnachtsspecials oder so etwas. Aber es ist gut, die Figuren jetzt so würdig verabschiedet zu haben. Es gibt jeweils so einen kleinen, feinen Ausblick auf die Zukunft der „Weiber“ am Ende. Und das ist schön.
Sicheritz: Es ist ein Luxus, wenn am Ende einer Serie wirklich „Ende“ steht - mit einem Ausblick.
Brée: Auch wenn mich eine Serie, bei welchem Streamer auch immer, noch so fesselt: Nach drei Staffeln ist es dann gut. Das hab ich mir für die nächste horizontale Serie so vorgenommen.
Apropos Ende: Sie wollen keine Österreich-„Tatorte“ mehr schreiben. Warum?
Brée: Da gab’s einfach Konflikte mit der Redaktion und mit der Produktion.
Wird es in Deutschland für Sie weitergehen?Sie haben ja für den NDR den großen Weihnachts-„Tatort“ mit Maria Furtwängler und Udo Lindenberg geschrieben.
Brée: Meine „Tatort“-Zeit hat sich, glaub’ ich, dem Ende zugeneigt. Ich finde mittlerweile andere Stoffe spannender.
Dieser „Tatort“ war recht ungewöhnlich. Es musste viel unter einen Hut gebracht werden.
Brée: Was soll ich jetzt sagen? Ich darf mich laut Vertrag nicht negativ äußern. Verwenden wir die schöne Formulierung: Detlev Buck (der Regisseur, Anm.) hat es in Reinkultur verbuckt. Es ist ein durch und durch echter Buck, aber es ist nicht wirklich ein Brée.
Haben Sie in Österreich mehr Einfluss auf das Endprodukt?
Brée: Der Umgang ist ein anderer. Ich versuche, es einmal so zu formulieren: Das Haus Österreich ist so klein, da begegnet man sich immer wieder in der Küche. Daher geht man einfach anständiger und respektvoller miteinander um. Weil: Ich werde mit dem Harald noch oft am Küchentisch sitzen.
Sicheritz: Es wäre mir eine Freude. (lacht)
Herr Sicheritz, Sie haben im Bereich der Kinokomödie große Hits geschaffen. Gibt es derzeit eine Komödienkrise?
Sicheritz: Was mich etwas traurig stimmt, ist, dass Sie in der Vergangenheit sprechen. Das heißt ja nicht, dass das wieder einmal am Programm steht. Alle fünf bis zehn Jahre wird eine Komödienkrise ausgerufen. Aber es ist ein weltweites Phänomen, dass man sich weniger gern an die Komödie wagt. Aus einem einfachen Grund: Weil es die hohe Schule ist und weil es das Schwierigste ist.
Brée: Und die Frage ist: Ist es eine Komödienkrise oder ist es nicht vielmehr eine Kinokrise? Gerade in diesen Zeiten hat man es im Kino sehr schwer, dass irgendwas funktioniert.
Bräuchte man nicht gerade jetzt Komödien?
Sicheritz: Die bräuchte man, glaub ich, immer. Aber man hat nur ein einziges Leben. Ich würde gern wieder eine Kinokomödie machen. Man wird sehen. Und der Uli hat sicher auch noch einige Pfeile im Köcher.
Und welche Pfeile sind das?
Naja, einerseits die "Biester", die ich gerade für den ORF schreibe, dann ist noch eine Serie im Köcher, ein paar Neunzigminüter. Und wir zwei haben auch noch ein Projekt am Laufen. Das wird eher was Politisches. Eine Politsatire. Da hoffen wir, dass das hinhaut ...
Wäre für Sie eine große Kinokomödie interessant?
Brée: (atmet durch) Für mich ist nicht spielentscheidend, ob das im Kino läuft, beim Streamer oder im Fernsehen. Ich möchte einfach gute und schöne Geschichten erzählen, die etwas hinterlassen. Mit "Aus die Maus", meiner Serie für ServusTV, hab' ich gerade erst versucht, was Versöhnliches, Lebensbejahendes Positives zu erzählen, mit einem Haucherl Moral oben drauf. Aber selbst das nehmen sie dir übel, da hacken sie auch noch hin und nehmen dem die Luft, die es braucht. Die ganze Atmosphäre ist derzeit aggressiv und aufgeheizt, durch das, was uns alle beherrscht. Es ist eine schwierige Zeit.
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