Was tun, wenn die "Oligarchin" plötzlich ausfällt?
Die Filmproduzenten Dieter und Jakob Pochlatko stemmten dieses Jahr mit dem Kinofilm „Klammer“ und der Sky-Serie „Die Ibiza Affäre“ zwei aufwendige Projekte über heimische Großereignisse.
„Wir haben massiv eigenes Geld investiert“, sagt Dieter Pochlatko über den neuen Kinofilm „Klammer – Chasing The Line“, „und wir haben alles eingesetzt, um die erhoffte Qualität zu bringen.“
Qualität ist dem 78-jährigen Filmproduzenten ein großes Anliegen, er kümmert sich in der Grazer Produktionsfirma epo-Film weiterhin auch um Arthausfilme und Dokus. „Es ist wichtig, beides abzudecken“, sagt sein Sohn, Jakob Pochlatko. „Zum einen den künstlerisch anspruchsvollen Film, den wir sehr gut können in Österreich. Aber ich finde es genauso wichtig, großes Augenmerk aufs Publikum zu legen.“
Der Film über die österreichische Skilegende Franz Klammer sei „immer ambitioniert gedacht“ gewesen. 5,8 Mio. Euro hat er schließlich gekostet. „Wenn man das mit spektakulären Action-Aufnahmen machen will, braucht es ein großes Budget. Nur glaube ich nicht, dass es in Österreich oft die Gelegenheit gibt, mit einem Stoff so viele Partner zu mobilisieren, die an einem Strang ziehen“, sagt er.
Anschub
Das Projekt stemmte man mit der noch jungen Samsara Film und mit Sabotage Film Wien. „Wobei, der große Anschub kam durch Servus TV“, sagt Dieter Pochlatko, „sie haben einen ungewöhnlich hohen Beitrag geleistet, das hat man von Anfang an wirklich gespürt.“ Der ORF kam wiederum über das Film/Fernseh-Abkommen ins Boot.
Nach dem Kinostart in Österreich (28. Oktober) setzt man nun auch Hoffnungen auf die Skination Schweiz, wo der Film Weltpremiere feierte. Große Strahlkraft besitzt Franz Klammer in den USA. Hier will man zusätzlich auf einzelne Kino-Events setzen. Auch der Sender ABC, der die Olympiaabfahrt 1976 regelmäßig als Wiederholung zeigte, wäre „eine interessante Option“. Und wenn man im „speziellen Markt“ China verlässliche Partner finde, wolle man auch dort reüssieren. „Konkretes Interesse“ ortet Jakob Pochlatko in Hinblick auf die Winterspiele in Peking.
Wind durch Bond
„Deutschland und andere europäische Länder schauen sich jetzt einmal an, wie der österreichische Kinostart funktioniert“, sagt der 36-Jährige, derzeit halte man bei „sehr schönen“ 20.000 Kino-Besuchern. Der neue Bond-Film habe zwar Wind gemacht, meint Dieter Pochlatko, insgesamt sei der Markt freilich beschädigt. Mit dem Starttermin Ende Oktober hatte man „massive Sorgen“ wegen der steigenden Corona-Zahlen, aber die Zugangsregeln seien praktikabel für die Kinobetreiber.
Dabei hatte man bisher wenig Zeit, um „Klammer“ international anbieten zu können, weil der Film erst diesen Frühling abgedreht wurde. Parallel dazu drehte man ein zweites Großprojekt, die bisher laut Sky sehr gut laufende Serie „Die Ibiza Affäre“. Diese produzierte man mit Partner Wiedemann & Berg, mit dem man bereits die Thrillerserie „Der Pass“ gedreht hat.
Jakob Pochlatko über den politisch brisanten Stoff: „Es ist schon eine große Verantwortung, die man da wahrnimmt, andererseits ist es eine sensationelle Chance, binnen eines halben Jahres beide Extreme der österreichischen Seele abzubilden.“
Neue Oligarchin
Man habe unter dem Arbeitstitel „Wien Krimi“ quasi undercover gedreht, „damit man wirklich eine Ruhe hat“, berichtet er. Bei den Dreharbeiten auf Ibiza, wo man eine Strandparty nachgestellt hat, habe es sich aber nicht vermeiden lassen, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Lokalzeitungen witterten eine echte Corona-Party. Ein böser Zufall, dass fast gleichzeitig in den österreichischen Medien über ein feuchtfröhliches Gelage im Umfeld des „Klammer“-Drehs in Innsbruck berichtet wurde.
Wesentlich mehr Troubles bereitete allerdings eine spontane Umbesetzung, die aus medizinischen Gründen notwendig wurde. Jakob Pochlatko: „Drei Tage vor dem Dreh in der Finca kam die Meldung: Unsere Oligarchin kann nicht fliegen. Wir haben in kürzester Zeit, über Telefonate und E-Casting, mit Anna Gorshkova eine neue Darstellerin gefunden.“
Um einen teuren Ausfall zu verhindern, waren mitten in der Lockdown-Zeit noch ein Charterflug aus Moskau und ein Anschlusslinienflug in Budapest zu koordinieren. Gorshkova habe davor nichts über die Ibiza-Affäre gewusst. „Sie hat das aber sensationell gemacht“, sagt Pochlatko.
Streaming und Steueranreiz
Die künstlerische Umsetzung des Drehbuchs durch Regisseur Christopher Schier fand Dieter Pochlatko „erstklassig“, überhaupt hätten Streaming-Anbieter wie Sky „die Latte sehr hochgelegt“. Die gestiegene Dichte an – auch inflationsbedingt – teureren Produktionen bei gleichbleibenden Fördertöpfen sorge aber dafür, dass es am heimischen Filmmarkt zum Teil „recht eng“ werde.
Filmproduzenten wünschen sich seit Längerem ein Steueranreizmodell. In der geplanten Steuerreform finde sich das noch nicht, „dabei sind wir eines der letzten Länder, wo es das noch nicht gibt,“ meint Dieter Pochlatko, das sei ein Standortnachteil.
Mangel an Komödien
Wenn er das nächste Projekt, die Seethaler-Romanverfilmung „Ein ganzes Leben“ anspricht, dann sieht man ein Blitzen in den Augen des 78-Jährigen.
Schade finden Vater und Sohn hingegen, dass ein Mangel an guten Komödien bestehe. „Unter 100 Drehbüchern ist eines gut“, sagt Jakob Pochlatko. „Die Auffassungen über Humor sind sehr verschieden. Man kann das leider nicht herzaubern.“
Die Firma
Die epo-film wurde 1954 von Erich Pochlatko gegründet. 1969 stieg Dieter Pochlatko, zuvor Kameramann, ein. 2011 kaufte er die Anteile von Mehrheitseigentümer Leykam zurück. 2012 trat Sohn Jakob, der zuvor Jus studiert hatte, in die Firma ein. Seit 2016 ist er Mehrheitsgesellschafter
Programmkino
Die Firma kommt von der anspruchsvollen Ecke: In Graz betreibt man das renommierte Rechbauer-Kino. Fürs TV dreht die epo-Film u. a. „Tatort“ oder "Polt", seit 2017 produziert man im Streaming-Bereich (Sky-Serie „Der Pass“)
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