Israel beim ESC: ORF-Chef sieht "Zeit der Diplomatie"

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Für ORF-Generaldirektor Roland Weißmann ist klar, dass Israel am Song Contest teilnehmen muss. Dafür will er nun Überzeugungsarbeit leisten.

Zusammenfassung

  • ORF-Chef Weißmann und Stiftungsratsvorsitzender Lederer setzen sich für die Teilnahme Israels am ESC in Wien ein und wollen Kritiker überzeugen.
  • Das finanzielle Risiko bei möglichen Absagen einiger Länder gilt als überschaubar, die Vorbereitungen laufen planmäßig und Wien bleibt als Austragungsort gesetzt.
  • Der ESC wird als wichtige Chance für Wien und Österreich gesehen, mit großem wirtschaftlichem und werbetechnischem Nutzen.

Die Frage, ob Israel am 70. Eurovision Song Contest (ESC) in Wien teilnehmen soll, hat in den vergangenen Wochen für viel Aufregung gesorgt und das Megaevent einer Zerreißprobe unterzogen. ORF-Generaldirektor Roland Weißmann ruft im APA-Interview dazu auf, sich auf die Ursprungsidee "united by music" zu besinnen: "Es ist keine politische, sondern eine musikalische Veranstaltung." 

Für ihn sei weiter klar, dass Israel teilnehmen müsse. Dafür wolle er Überzeugungsarbeit leisten.

Mehrere Länder wie Spanien, die Niederlande oder auch Irland haben - vor der Aushandlung einer Waffenruhe - angesichts des Gazakriegs angekündigt, im Falle einer Teilnahme Israels am ESC selbst von einer Teilnahme abzusehen. Zwischenzeitlich hatte sich die veranstaltende European Broadcasting Union (EBU) dazu entschieden, im November eine Abstimmung unter den EBU-Mitgliedern über die Teilnahme Israels durchzuführen. Davon kam sie mittlerweile ab. Stattdessen soll im Dezember bei der regulären Generalversammlung darüber diskutiert werden.

Mit "Fingerspitzengefühl" Überzeugungsarbeit leisten

Bis dahin wollen Weißmann und ORF-Stiftungsratsvorsitzender Heinz Lederer laufend Gespräche führen und mit "Fingerspitzengefühl" Überzeugungsarbeit bei den anderen EBU-Mitgliedern leisten. "Es ist die Zeit der Diplomatie - vor und hinter dem Vorhang", sagt der ORF-Chef. Vom offiziellen Österreich und Wien spüre er einen "Push" für eine Teilnahme Israels. Mit EBU-CEO Noel Curran befinde er sich in enger Abstimmung.

"Ich gehe davon aus, dass sehr viele Länder im Jubiläumsjahr teilnehmen werden", zeigt sich der 57-Jährige optimistisch. Wissen wird man es erst am 10. Dezember, wenn die Diskussion bei der Generalversammlung zu Ende ist und die Teilnahmegebühren entrichtet sind. Von Interesse ist dabei speziell, ob jemand der "Big Five" aussteigt. Darunter versteht man die fünf großen Beitragszahler Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien, die fix für das Finale qualifiziert sind und einen Anteil zum Budget beisteuern.

Finanzielles Risiko überschaubar

"Das finanzielle Risiko ist sehr überschaubar. Sollten ein oder zwei Länder nicht teilnehmen, ist es absolut stemmbar", sagt Weißmann, der auch im Aufsichtsrat der EBU sitzt. Das Risiko wird zwischen der EBU und dem Ausrichter in Form des ORF aufgeteilt. Ziel sei es aber ohnehin, dass möglichst viele Länder teilnehmen.

Gerüchtehalber machte sich die Kanzlerpartei ÖVP hinter den Kulissen bereits stark für einen Rückzug des ORF als Ausrichter des Events, sollte Israel die Teilnahme verweigert werden. "Mit der Teilnahme am ESC ist inkludiert, dass man im Falle des Sieges den nächsten ESC auszutragen hat. Verträge gelten", stellt Weißmann klar. Theoretisch wäre es möglich, dass eine andere Rundfunkanstalt einspringt. "Aber die Kosten wären dennoch bei uns", so der ORF-Chef.

Lederer: "Natürlich muss der ESC in Wien stattfinden"

"Natürlich muss der ESC in Wien stattfinden", sagt ORF-Stiftungsratsvorsitzender Lederer. "Es kann nicht sein, dass sich der ORF - von welcher Partei auch immer - anschaffen lässt, eine Veranstaltung nicht durchzuführen. Was kommt als nächstes? Das Verbot von speziellen Sendungen?" Der ORF agiere unabhängig und habe einen öffentlich-rechtlichen Auftrag. Zwar gebe es klarerweise Diskussionsbedarf, dem man auch nachkommen werde, doch könne er sich nicht vorstellen, politischem Druck nachzugeben. Man suche das Gespräch mit Religionsgemeinschaften, der Initiative "Solidarität Israel" oder auch politischen Stakeholdern. Ziel sei es, Ängste und Sorgen zu nehmen. "Wir wollen, dass Israel teilnimmt", spricht sich Lederer gegen "Cancel-Culture" aus.

"Es wird ein schwieriger, sensibler Song Contest, aber er wird hier in Wien stattfinden", sagt der Stiftungsratsvorsitzende. Nicht nur, weil man den unzähligen Fans verpflichtet sei: "Es geht für Wien als liebenswerteste und lebenswerteste Stadt um sehr viel." Eine vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie des Instituts Eco Austria geht von einem Nachfrageimpuls durch den ESC in Höhe von rund 57 Mio. Euro aus. Jeder Euro, der im weitesten Sinne öffentlich in den ESC investiert werde, könnte eine gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung in Höhe von 1,7 Euro auslösen. Der Werbeeffekt sei zudem enorm. Für die heurige Ausrichterstadt Basel ging eine Analyse der EBU von einem Werbewert in Höhe von rund 730 Mio. Euro aus.

"Für den ORF ist es eine Ehre und in Zeiten wirtschaftlicher Herausforderungen extrem wichtig, wieder so etwas Positives wie den ESC auf den Boden zu kriegen. Wir werden eine tolle Show liefern, auf die die Österreicherinnen und Österreicher stolz sein können und die auch die Wirtschaft belebt", sagt Weißmann. Wien habe sich schon vor einem Jahrzehnt als Veranstaltungslocation bewährt. "Sie hat tolle Locations und viel Know-how. Ich bin mir sicher, die viele Arbeit wird am 16. Mai 2026 in einem tollen Finale münden", so Weißmann, der versichert, dass Sicherheitsaspekte genauestens geprüft werden. Man fokussiere zudem nicht nur auf Wien. "Wir präsentieren Österreich in der Welt", sagt Weißmann. Das sieht auch Lederer so: "Wir beschreiten keinen engen Korridor, sondern wollen den ESC öffnen und etwa Side-Events auch außerhalb von Wien abhalten."

Vorbereitungen im Zeitplan

Verzögerungen habe es durch die Diskussionen der vergangenen Wochen nicht gegeben. "Die Vorbereitungen laufen extrem gut. Wir sind sehr gut im Zeitplan, weil wir schon von einst wissen, wie wichtig es ist, am ersten Tag mit der Arbeit zu beginnen", sagt der ORF-Chef. Das ESC-Kernteam des ORF hat sich im Funkhaus in der Argentinierstraße eingerichtet und wird noch weiter wachsen, je näher der ESC rückt.

Bühnenbild wird "sensationell"

Gegenwärtig werde intensiv am Bühnenbild gearbeitet. Erste Entwürfe vom renommierten Bühnendesigner Florian Wieder wurden ORF-intern zuletzt vorgelegt. "Das wird sensationell", glaubt der ORF-Chef die Bühne in Basel und auch jene aus Wien 2015 toppen zu können. Wer den ESC moderieren wird, soll wie auch das Bühnendesign noch heuer präsentiert werden. Wer für Österreich beim ESC antritt, steht dagegen erst im Februar nach einer Auswahlshow fest. Die Bewerbungsfrist dafür ist Mitte Oktober abgelaufen. "Es haben sich extrem viele beworben. Es wird eine tolle Show", so Weißmann. Für die Gewinnerin oder den Gewinner hat er auch schon eine Wunschplatzierung im ESC-Finale parat: "Guter Zweiter", schmunzelt der ORF-Chef.

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