Platin-Preisträger Herbert Kloiber: „Es war ein bisschen wie beim Domino“
Der Name seiner mit der Constantin Film gegründeten Produktionsfirma ist Programm: Mit High-end Productions in Wien ist Herbert Kloiber bei der ersten Streaming-Serie von „Independence Day“-Regisseur Roland Emmerich, „Those About To Die“, involviert - samt einem „anständigen zweistelligen Millionen-Betrag“. Der Platin-Preisträger der Branchen ROMY 2022, der am Freitag im Wiener Gartenbaukino geehrt wird, im Gespräch über das Mega-Projekt, ein Arbeitsleben mit Karajan, Kirch, Berlusconi und Murdoch und seine Erfahrungen mit der Kitzbüheler Streif.
KURIER: Herzliche Gratulation zur Platin Romy. Nach einer großen Zahl an internationalen Auszeichnungen und Nominierungen für Produktionen und für sie persönlich, muss man eingestehen: Wir sind in Österreich spät dran mit dieser Ehrung.
Herbert Kloiber: Trotzdem danke. Das mit den Preisen hat ja früh begonnen. Meine erste Emmy-Nominierung war 1977 für „Artur Rubinstein at 90 Great Performances“, mehrfach ausgezeichnet wurde dann die erste Klassik-TV-Übertragung über den Atlantik „Vladimir Horowitz live“ mit dem jungen Zubin Mehta aus New York. Das war 1978, in der Startphase unserer Clasart und deshalb besonders wichtig.
Der Rückblick auf ihre Karriere, die phasenweise einem Krimi ähnelt, muss warten, weil die Gegenwart nicht minder spannend ist: High-end Productions ist bei Roland Emmerichs erster Streaming-Serie dabei. Wann wird wo gedreht?
Die Vorbereitungen für „Those About To Die“ sind am Laufen. Bezüglich des Drehorts scheinen die Würfel, wie es so schön heißt, gefallen zu sei: Es wird wohl Rom. Regisseur und Co-Produzent Roland Emmerich hat sein engeres Team zusammengestellt, er hat sich die Department-Heads bereits ausgesucht und jetzt geht es bald ans Casting. In den USA ist als Streaming-Partner Peacock an Bord. Was die Vermarktung in den Regionen außerhalb der USA betrifft, da kommen wir gerade in die heiße Phase.
Und High-end Productions ist mit richtig Geld drinnen?
Ja, dem Namen der Firma entsprechend mit einem anständigen zweistelligen Millionen-Betrag. Auch das Budget je Folge wird sich sehen lassen können. Dementsprechend ist das eine Co-Produktion mehrerer Partner.
Nächste Projekte
Reicht Ihnen das oder treiben sie daneben weitere Projekte voran?
Es gibt bereits die nächsten drei, vier Projekte, bei denen Bücher entwickelt werden. Das eigentlich erste Projekt der High-end, „Maximilian und Carlotta“ über den unglücklichen Habsburger-Kaiser in Mexiko, ist ebenfalls im Werden. Der erste Drehbuch-Entwurf von William Boyd („Spy City“) ist fertig, sehr gut geworden, mit einigen sehr spannenden Details. Jetzt führe ich abschließende Gespräche die Regie betreffend, dazu will ich aber noch nicht viel sagen. Mal sehen, vielleicht ist jemand aus Österreich zu überzeugen. Das würde zur Geschichte passen und auch zu unseren künstlerischen Ansprüchen.
Für „Maximilian und Carlotta“ könnte dann schon die angekündigte neue österreichische Filmförderung interessant sein?
Ich habe verfolgt, was jüngst beim Filmfestival Kitzbühel im Starter-Häusl der Streif diskutiert wurde. Da hätte ich gern teilgenommen, denn ich bin wahrscheinlich der Einzige im österreichischen Filmgeschäft, der sich dort auch mit Ski hinuntergeworfen hat. Zur Sache: Es ist eigentlich schon wieder beängstigend, was sich zusammenbraut. Das klang nach einer Art Closed Shop, sodass kein Antragsteller von auswärts allein mit einem kommerziellen Projekt durchkommt. Da muss man wohl doch wieder den Weg über die Wegelagerei nehmen. Das wäre ein altes protektionistisches Verfahren im neuen Gewand, wenn ich etwa an unsere „Trapp-Familie“ oder noch früher, „Die Lucona-Affäre“, zurückdenke.
Kurze Zwischenfrage: Was haben sie auf der Streif gemacht?
Ich war Vorläufer. Das war in den Jahren 1966 und 1967, wobei das Starter-Häusl sehr viel unbequemer war als heute. Mich hat damals, glaube ich, einmal der Karl Schranz, der als Startnummer 1 nach mir kam, vor dem Start noch mit dem Stecken angespitzt und gemeint, „wenn du di dasteßt, fahr i dir über die Ohrwascheln.“ Das waren die letzten goldenen Worte vor der Mausefalle, die ich im Kopf hatte. Seit der Zeit lieben wir uns nicht besonders. (lacht)
Nicht minder verwegen klingt das Projekt mit Roland Emmerich. Man stellt sich ein Gesamtbudget im dreistelligen Millionen-Bereich vor. Wie geht man an das heran? Muss man dem Größenwahn anheimgefallen sein? Oder sagt man sich, wurscht, ich streich im Geist drei Nullen und dann geht’s schon?
Nein, gar nicht. Das ist schon mit sehr großer Intensität und Berechnung verbunden. Und natürlich muss man sich dem nach und nach annähern. Hätte man nicht vorher schon ein paar Mal für 18 Millionen einen TV-Zweiteiler gemacht, würden man vielleicht meinen, was muss Herr Emmerich so ein Budget verbraten. Bei diesen Dimensionen sind auch schon Inflation und die Nachfrage nach dem fertigen Produkt eingepreist. Und was man 2019 für neun Millionen hätte produzieren können, kostet jetzt 12 bis 13 Millionen. Diese Kosten muss man wiederum hochrechnen bis zur Fertigstellung Anfang 2024. Wir sind auch in dieser Branche nicht weit davon entfernt, dass sich die Kosten annähernd verdoppeln. Das Einzige, was günstig ist – oder besser waren, sind die Zinsen.
Agieren Streamer bei der Finanzierung anders als etwa Öffentlich-Rechtliche?
Die Streamer haben längst heraußen, was geht. Sie zahlen erst nach hinten raus und dann schön langsam, langsam. Das ist nicht wie etwa beim ZDF, das Produzenten nach Abschnitt bezahlt - mit Anzahlung, Rohschnitt, Fertigstellung und Rückgabe der Bürgschaft. Dadurch, dass deren Volumen so gigantisch ist, verteilen Streamer das Investment auf Jahre und nehmen sich auch noch wesentlich längere Rechte am Produkt.
Klassisch ins Filmgeschäft
Dass sie nach ihrer Ausbildung in der Schweiz einmal eine Größe des europäischen Film- und TV-Geschäfts werden, war wohl nicht geplant?
Mein Beginn im Filmgeschäft hat schlicht und ergreifend nichts mit dem Filmgeschäft zu tun. Er ist ausschließlich mit dem Geschäft der klassischen Musik verknüpft. Herbert von Karajan war ein Freund der Familie und er hatte mit Filmhändler Leo Kirch eine gemeinsame Produktionsgesellschaft, die Cosmotel. Karajan stellte mich auch Kirch vor, das war wohl 1968, und der meinte: Wenn sie mal fertig studiert haben, dann kommen sie zu mir. Das Studium war schnell erledigt. Und nachdem ich fünf Sprachen konnte und das Imperium von Leo Kirch damals aus acht Mitarbeitern bestand, also überschaubar war, habe ich mich gemeldet. Sehr zum Missfallen meines Vaters, der unbedingt wollte, dass ich ein Post-Graduate-Studium in Fontainebleau mache. Allerdings hatte Herr Kirch mir sehr geschickt angeboten, statt nochmals in die Schule zu gehen, nach Tokio zu fliegen, um gemeinsam mit Karajan auf dessen Tournee zu versuchen, die bis dahin entstandenen Klassik-Produktionen an den Mann zu bringen. Das war zweifellos die größere Verlockung.
Und das Filmgeschäft?
Am Anfang war meine Tätigkeit sehr stark von der Unitel, der Produktionsfirma für den Klassikbereich, geprägt. Ich war dort auch mit 12,5 % beteiligt. Ich hatte dann aber nebenher sehr viel im Film-Lizenz-Handel zu tun. Ab 1970 war ich zum Beispiel auch jedes Jahr in Cannes, also 50 Jahre hintereinander. Ich kann mich noch erinnern, damals gewann ein Film, der hieß „Leo der letzte“. Und ich habe Kirch noch ein Plakat von Marcello Mastroianni signiert und „Leo das letzte“ draufgeschrieben. Ich bin dann sechs Jahre bei Kirch geblieben.
Sie sind 1976 weg, Grund war eine Lappalie, sagten sie mal?
Ja, der Anlass war derartig nichtig ist, dass man das gar nicht beschreiben soll. Ich habe damals gesagt, „nein, so nicht, sonst gehe ich“. Das habe ich dann auch gemacht. Ich bin am 11. 11. 1976 raus bei der Tür. Kirch hat mein Kündigungsschreiben aus dem Fenster geworfen, weil er es nicht akzeptieren wollte. Ich habe dann am 12. 12. 1976 die Clasart gegründet.
Kann man das ihr Schicksalsjahr nennen?
Das war absolut das Schicksalsjahr. Ich hatte im März 1976 geheiratet, im Dezember die Firma gegründet. Ich saß in einer Zweizimmerwohnung in der Residenz-Straße in München mit dem Faxgerät am Klo, dazu Frau mit schreiendem Kind plus neues Briefpapier. Also alles schön turbulent. Als wäre das nicht genug: Am Anfang hatte die neue Firma noch Metronom geheißen, nach vier Wochen wurden wir gleich von irgendeinem schwedischen Konzern verklagt. Wir mussten den Namen ändern, ich konnte aber durchsetzen, dass wir das teure Briefpapier aufbrauchen durften.
Herbert Kloiber wird 1947 in Wien als Sohn eines Industriellen geboren. Seine Eltern überleben das Dritte Reich im Exil. Herbert Kloiber erhält seine Schulbildung in der französischen Schweiz. Er studiert Jura in Wien und promoviert mit 23 Jahren
Familie
Er ist seit 46 Jahren mit Ehefrau Ursula (Bild) verheiratet. Als Patchworkfamilie ziehen sie vier Kinder groß. Kloiber gilt als großer Klassik-Freund und begeisterter Segler mit Hochseejacht
Auszeichnungen
U. a. Tartikoff Legacy Award, den Directorate Award bei den International Emmys, Großes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik
Und wie kam es zum Namen Clasart?
Arthur Rubinstein, der berühmte Pianist, hatte mich auf einem Flug von New York gefragt: Wie heißt denn die neue Firma? Da habe ich die ganze Litanei erzählt. Er meinte, dann nennen Sie sie doch Clasart, mein Familien-Trust für meine Kinder heißt so – abgeleitet von Classic Art. Und obwohl ich das eigentlich gar nicht so hübsch fand, weil das schnell nach „glas-hart“ klingt, hab ich mich nicht getraut, diesen Vorschlag des grandiosen Rubinstein abzulehnen.
Sie erwähnten zuvor, dass sie schon als junger Mensch viele Sprachen konnten. Ist es richtig, dass französisch im Grunde zur Muttersprache bei ihnen wurde?
Im Alter zwischen 9 und 18 war meine ganze Schulzeit auf Französisch, ich war in einem Internat in der französischen Schweiz, wo es keinen Deutsch-Unterricht gab, dafür aber andere Sprachen. Alles, auch Mathematik usw. wurde auf Französisch unterrichtet. Mit 18, als ich dann in Wien Jura studiert habe, u. a. zusammen mit dem Sohn von Bruno Kreisky, da war es dann halt so, dass der Professor bei Seminararbeiten gesagt hat: Kollege Kloiber, wenn Sie doch bitte „ich bin“ nur mit einem „n“ schreiben könnten. Also so ungefähr war meine Orthografie.
Sie hatten sich nach der spontanen Trennung von Kirch, erhofft, dass sie Unterstützung von ihrem Vater, ein großer Unternehmer, erhalten?
Er war absolut gar nicht geneigt auszuhelfen. Das Filmgeschäft befand er als nicht würdig. Es war zwar nicht so, dass er mich am Hungertuch knabbern ließ, aber Geld für die Firma, das kam für ihn nicht in Frage. Die erste Kreditlinie haben wir hauptsächlich dafür gebraucht, um die Tele München zu kaufen und das Geschäft auszuweiten.
Wie sind sie auf die Tele München gekommen?
Auf die hatte mich Dieter Stolte gebracht, später ZDF-Chef und damals ZDF-Planungschef. Die gehörte einem Mann namens Walter Ulbrich – er hieß wirklich so - , der konnte brüllen wie kein zweiter. Die Tele München, die zum Verkauf stand, hatte „Der Seewolf“ und danach noch einen Jack London, „Lockruf des Goldes“, also „Advents-Vierteiler“ gemacht. Das ZDF wollte nicht noch mehr davon. Stolte meinte, kümmere dich darum und das ging dann ganz flott. Gemeinsam mit Fritz Buttenstedt, der mit mir zuvor in der Unitel gewesen war und der im Gegensatz zu mir tatsächlich etwas von Produktion verstand, übernahm ich die Tele München. Danach habe ich ziemlich Gas gegeben, viel gegründet und expandiert. Fritz Buttenstedt hat dann irgendwann gesagt, also, das ist jetzt nichts mehr für mich. Er ist als Gesellschafter ausgestiegen, aber als Producer ist er mir erhalten geblieben.
Melkkühe
Ihr Geschäftsleben war in der Folge von großen Namen und Deals um zig Millionen geprägt. Wie bleibt man da Herr der Lage und hatten sie da immer einen Plan B parat?
Ich versuche jetzt, keine große Enttäuschung hervorzurufen, aber einen Plan ... (lacht). Es war ein bisschen wie beim Domino. Man hat irgendwie einen Stein serviert bekommen und konnte gegebenenfalls sagen, das ist nichts für mich oder möglicherweise doch. Zu Beginn waren wir vor allem weiter auf die Klassik konzentriert, später lief das dann zu 10 % nebenher, weil die Produktion und der Verleih von Spielfilmen dazu kam und vor allem auch das Rechte-Geschäft und Kinos. Ein ganz neues Kapitel war dann ab 1985 Fernsehen.
Die Gründungsphase des deutschen Fernsehens war vor allem für Verleger teuer.
Wir gehörten zu den allerersten Sat1-Gesellschaftern, wir waren die zweitgrößten, nachdem der Verlag Holtzbrinck dort ausgestiegen ist. Die haben natürlich bemerkt, dass nur Kirch kassiert hat - 90 % der Ausgaben von Sat1 in der Frühphase gingen halt für Lizenzrechte an Leo Kirch.
Für sie brachte der Startschuss im Fernsehgeschäft eine längere, turbulente Phase?
Die Tele München Gruppe hat sich damals, 1987, an einer Gesellschaft beteiligt, die den TV-Sender Musicbox gegründet hat. Musikvideos waren das billigste Programm, das man in der Schleife senden konnte. Ich habe damals durchgesetzt, dass die drei Stunden am Tag für SAT1 Programm zuliefern, ohne an den Verlusten teilzunehmen. Nach einem Jahr ist das Ganze auseinandergeflogen, weil auch die anderen Verleger (Burda, Bauer, FAZ etc.) gesehen haben, dass sie, außer Melkkuh zu sein, nichts zu bestellen hatten.
Die nächste Stufe war dann das erste Tele5?
Das ging aus Musicbox hervor und sollte ursprünglich mit Burda und Bauer zusammen gemacht werden. Wegen diverser Querelen stieg stattdessen Silvio Berlusconi ein.
Also das muss ja eine besondere Zusammenarbeit gewesen sein.
Das hatte in der Tat etwas Fröhliches. Er besaß 50 Prozent wie ich auch. Nach einiger Zeit des gemeinsamen Wurschtelns, hat jeder eine Hälfte seiner Hälfte an Springer und an die CLT verkauft. Schräg daran war, dass damit bei Tele5 sowohl der Hauptgesellschafter von Sat.1 als auch der von RTL beteiligt war. Die hatten natürlich ein Auge darauf, dass wir ihnen mit Tele5 und mit Berlusconi im Rücken nicht Probleme bereiten. In dieser Zeit kam dann auch Gerhard Zeiler als Geschäftsführer zu uns.
Schräger Berlusconi
Es gibt die Erzählung, Berlusconi hätte getrickst?
Irgendwann hat Berlusconi im Hinterzimmer seine Tele5-Anteile, die in seiner Mediaset platziert waren, an eine Gesellschaft in Luxemburg übertragen. Die hieß dementsprechend Mediaset Luxemburg. Dem haben wir natürlich zugestimmt, weil wir uns gedacht haben, ob die Anteile in Kalabrien, auf den Cayman Inseln oder in Luxemburg sind, ist uns eigentlich wurscht. Was wir aber nicht ahnten war, dass der verstorbene Anwalt von Leo Kirch, Joachim Theye, der Gesellschafter von Mediaset Luxemburg war. Die gehörte gar nicht mehr den Italienern. Das war alles in allem schon sehr schräg.
Das klingt nach hartem Business.
Unser Schaden war es nicht. Ich hatte seit 1989 den US-Sender ABC mit im Boot und damit immerhin einen gewissen Warren Buffet. Und ganz auf der Brennsuppe sind die auch nicht daher geschwommen. Also musste Theye, ich glaube, 180 Millionen Mark zahlen für unsere verbliebenen 25 %. Aus Tele5 wurde dann das Deutsche Sportfernsehen DSF. Im Zuge dessen wurde Gerhard Zeiler gebeten zu gehen und am Tag danach hatte er vom österreichischen RTL-Chef Helmut Thoma das Angebot, RTL2-Chef zu werden. Das war noch vor Zeilers ORF-Intendanz. An RTL2 haben wir uns als Tele München 1992 gemeinsam mit dem Bauer Verlag beteiligt. Zwischen Tele5-Abgang und RTL2-Beteiligung lagen für uns nur zwei Wochen.
Sie waren über ihr ganzes Berufsleben hinweg auf dem Spielfeld der großen Namen unterwegs. Mit Rupert Murdoch verbindet sie ihr wohl spektakulärste Deal – ein Frauensender mit Fußball Champions League-Rechten. Wie kam es überhaupt zur Idee von tm3?
Meine Tele München und der Bauer Verlag wollten neben RTL2 noch einen zweiten Sender. Bauer gehörten und gehören ja viele, viele Frauenzeitschriften. Es gab zudem bei ABC im Portfolio einen sehr erfolgreichen Sender, der hieß Lifetime, mit 86 Prozent Frauenanteil und der war eine unglaubliche Cash-Cow. Wir dachten, das machen wir in Deutschland auch. Jeder sollte 150 Millionen investieren bis zum Breakeven. Als wir bei 70 bis 80 Millionen waren, kam Herr Bauer und meinte, hier auf diesem Sofa sitzend, er wolle mich auskaufen und hat einen negativen Kaufpreis vorgeschlagen. Auch so etwas gibt‘s.
Das hab ich noch nie gehört.
Das ist mir in meinem gesamten beruflichen Leben auch nur zwei Mal passiert. Das funktioniert nach dem Motto, ich kaufe ihre Anteile und sie als Verkäufer zahlen mir 30 Millionen. Sie ersparen sich damit 20 Millionen jener 50 Millionen, die sie vertraglich noch einzahlen müssten.
Wie ging das aus?
Sie haben mir eine kurze Bedenkzeit gegeben. Danach meinte ich, wir machen das, aber unter dem Vorzeichen, dass ich ihre Anteile übernehme. So etwas nennt sich Jewish Roulette und ist z. B. bei US-Immobilien-Geschäften durchaus üblich. Also man kann zu dem Preis übernehmen, den der andere vorgeschlagen hat. Danach hab ich 66 Prozent von tm3 an Rupert Murdoch verkauft. Und sehr kurz danach kam eben diese einmalige Möglichkeit am 1. Mai. 1999: die Champions League.
Wie hat sich das ergeben?
Der Vertrag über vier Jahre Free- und Pay-TV-Rechte der Champions League stand zur Verlängerung an. Die beiden Herrschaften von RTL und Sat1, in der Person von Herrn Thoma bzw. Herrn Theye, hatten sich diesmal vorgenommen, der UEFA sozusagen ein bisschen die Flausen auszutreiben. Und da rief mich am 28. April Klaus Hempel an, der gemeinsam mit Jürgen Lenz die Champions League erfunden hat. Die kamen ursprünglich von Adidas und hatten damals die Sportvermarktungsagentur Team in Luzern. Er sagte etwas in die Richtung von: Wir wollen 1,3 Milliarden Mark. Und ich flog daraufhin am Abend nach Zürich zu Verhandlungen unter der Bedingung, dass am 30. April, bis Mitternacht, alles unterschrieben sein muss auf Seiten der UEFA. Ich hatte mir natürlich gedacht, mit unserem Angebot in der Hand lassen die dann ihre zwei Freunde nachbessern. Dafür wollten wir uns nicht hergeben. Da ging es auch darum, dass RTL und Sat.1 an anderer Stelle ja wiederum unsere Kunden waren. Also, fürs Ärgern waren wir zu haben, aber wir wollten danach nicht blöd dastehen. Und das haben wir so durchgezogen.
Und Murdoch hat mitgemacht?
Er hat seinen Sportchef zum Verhandeln nach Zürich geschickt. Ich habe die ganze Zeit nur Bahnhof verstanden, wie es um Achtelfinale, Viertelfinale sowie Hin- und Rückspiel ging. Deutschland stellte damals vier Mannschaften in der Champions League. Und „natürlich“ hatten wir nicht einen Sport-Moderator, nicht eine Sportjournalistin an der Hand - die wurden alle über den Sommer geholt. Ich saß dann Ende Mai gemeinsam mit meiner Frau beim Finale im Camp Nou beim vielleicht zweiten Fußballspiel meines Lebens. Damals hat Manchester United in der Nachspielzeit den Bayern zwei Tore reingeklopft. Nachher wurden wir von der UEFA sehr hofiert, der Scheck über 1,3 Milliarden Mark hatte ihn doch ein leises Lächeln abgerungen. Wenig später habe ich tm3 samt dem ganzen Fußball komplett und um sehr gutes Geld an Murdoch verkauft.
Vierschrötige Aktionen
Beim Komplett-Verkauf von tm3 gibt es ja erneut eine Kirch-Tangente. Ohne auf die noch weiter einzugehen, hat ihnen Leo Kirch das Leben nach ihrem Weggang über die Jahre schwer gemacht?
Im persönlichen Umgang gestaltete sich das immer sehr vernünftig. Ich muss auch sagen, in manchen Lebensphasen hat er sich sehr anständig benommen persönliche Dinge betreffend. Geschäftlich aber war es der Horror. Es hat ihm natürlich schon gestunken, dass es überhaupt jemanden gibt, der sich da irgendwie breit macht. Also, es gab da schon einige vierschrötige Aktionen etwa bei Banken, um sinngemäß zu deponieren, dem gewährt ihr keinen Kredit, wenn ihr mit mir weiter Geschäfte machen wollt – so etwas wurde natürlich etwas Verbrämter formuliert.
Wie ging eigentlich Karajan mit dieser Situation um, der ihnen persönlich ja sehr nahestand, gleichzeitig aber intensive wirtschaftliche Verflechtungen mit Kirch hatte?
Am Tag, an dem ich im November 1976 weg bin, hat Karajan alle Verträge gekündigt und hat Kirch mit den ganzen alten Aufnahmen sitzen lassen. Karajan hat dann alle Stücke, die er für die Unitel aufgenommen hatte, auf eigene Kosten mit den Berliner Philharmonikern noch mal aufgenommen. Ich sage damit nicht, dass Karajan das wegen mir gemacht hat. Aber der hatte wohl auch so das Gefühl - wenn ich mich schon bescheißen lassen muss, dann habe ich immer noch das letzte Wort.
Ich habe gelesen, Karajan hätte Ihnen bei irgendeiner Produktion der Salzburger Festspiele abgesagt – wegen Kirch.
Das war die berühmte Nichtigkeit, die zum Abgang bei Kirch geführt hat. Ich war damals Geschäftsführer der Unitel. 1976 sollte der französische Regisseur François Reichenbach, dessen Artur Rubinstein-Film „L'Amour de la vie“ einen Oscar gewonnen hatte, ein Salzburg-Festspiel-Porträt drehen. Das hatte ich bei dem bestellt, das wusste Kirch auch. In dem Sommer hatte mich Herr Kirch allerdings wie immer dazu missbraucht, als Segler mit irgendwelchen Bankern in Kroatien herumzuschippern. Plötzlich hörte ich dort – das war noch in der Vor-Handy-Epoche -, irgendein Adlat von Kirch hätte diese Produktion abgesagt. Ich bin daraufhin zurück nach Salzburg, habe den Franzosen erklärt, sie sollen weitermachen, ich würde das aus der eigenen Tasche bezahlen. Eine solche Sache hätte ich nicht platzen lassen können, dafür hatte ich einfach einen viel zu preußischen Vater. Ich wollte nachdem allen Premieren in Salzburg Ende August das große Karajan-Ding drehen lassen, sozusagen der Höhepunkt dessen. Ich war mir sicher, ihn kann ich immer erreichen. Doch plötzlich hieß es, nein, Herr von Karajan möchte an dieser Produktion nicht teilnehmen - weil Kirch ihn angerufen hatte. Nachdem ich Karajan Jahrzehnte länger kannte als Kirch ihn, bin ich da schon relativ enttäuscht gewesen.
Das haben sie runtergeschluckt?
Ich habe dann Folgendes gemacht: Vor dem Goldenen Hirschen war eine Vitrine, in der von Gazelle Unterhosen und Büstenhalter hingen. Dahinter war eines dieser tollen Plakate von Karajan zu sehen, mit denen die Schallplattenfirma EMI Werbung machte. Neben der Vitrine auf dem Boden ist eine Bettlerin gesessen. Und die Kamera zog in Großaufnahme von oben nach unten und aus dem Off kam die Frage: Was sagt Ihnen der Name Herbert von Karajan? Und die Bettlerin fragte zurück: Wer? Das haben wir dann in diesen wunderbaren Film reingeschnitten. Das war also der Punkt, an dem ich Kirch gesagt habe, sie können mich mal. Den Film wollte dann eigentümlicherweise keiner sehen (lacht). Karajan war auch einigermaßen düpiert ob seiner mangelnden Standfestigkeit.
Biene Maja und die Formel 1
Ein wesentlicher Deal ihrer langen Karriere war wohl der teilweise Verkauf der Tele München an den damaligen Börsenliebling EM.TV – man schrieb damals „für den Irrsinn von 800 Millionen“. Und kurz darauf der Rückkauf?
Es war ein wesentlicher Deal, aber nicht im Sinn von spektakulär. Da war Anderes wie jener zu den Champions League-Rechten von der Kochwärme her schon heißer. Aber er war letztlich sehr lukrativ. Das Zustandekommen des Verkaufs spricht ja schon für sich: Ich kannte Thomas Haffa und seine Merchandising-Dinge wie Biene Maja-Puppen etc. schon aus unserer Kirch-Zeit. Er hatte sich selbstständig gemacht, ging an die Börse und die zog an. Ich traf ihn auf der Maximilian-Straße und er meinte nur kurz, er wolle sich an der Tele München Gruppe beteiligen.
Wie reagiert man auf ein Angebot auf der Straße?
Ich glaube, ich habe, ohne überhaupt stehen zu bleiben, erklärt, dass das unter drei Bedingungen möglich sei: 1. Nicht ins Geschäft reinquatschen. 2. Nur eine Minderheitsbeteiligung. 3. Kaufpreis nur in Cash, kein Tausch mit Aktienpaketen oder so. Es war ein sehr kurzes Gespräch. Drei Tage später rief Haffa an und fragte, was es denn so kosten soll. Dann war ich mit ihm Mittagessen im Spaten und hab ihm den Preis genannt, wobei ich mich dann doch eher an der Oberkante orientiert habe – wenn man schon nach den eigenen Vorstellungen gefragt wird ... Zu meinem blassen Erstaunen sagt er dazu: Ja, machen wir.
Klingt nach einem Geschäftsgebaren, wie nicht von dieser Welt.
Für Haffa war Geld damals nicht das Geld, das wir hier und jetzt meinen. Sein Unternehmen hatte binnen drei Monaten von 100 Millionen auf 1,8 Milliarden Börsenwert zugelegt. Und er wollte der Börse geben, was sie erwartet hat und was ja heute auch noch so ist: Wachstum, Wachstum, Wachstum. Gleichzeitig war die Tele München ja etwas Solides, hatte Substanz mit prominenten Filmrechten und Fernsehsendern. Man muss sich vorstellen: Kurz davor hatte Haffa die Firma der Muppets-Macher gekauft und nach der Tele München gleich die Formel 1. Letzteres nehme ich auf meine Kappe.
Wie das?
Weil ich Haffa in Kitzbühel Bernie Ecclestone vorgestellt habe. Damals sagte ich ihm: Thommy, der ist sehr viel kleiner als du, aber sehr viel gescheiter, also pass gut auf. Am nächsten Tag stand Haffa vor mir im VIP Zelt am Ganslernhang mit roten Augen und ich meinte noch belustigt, das war wohl ein harter Abend gestern. Er antworte: Ich habe die Formel 1 gekauft. Für drei Milliarden Mark (damals 1,65 Mrd. Dollar, Anm.). Eine wilde Geschichte.
Davon haben sie dann indirekt auch profitiert. Wie lief aber der Deal mit ihnen?
Thomas Haffa hat ganz korrekt den Vertrag unterschrieben, damit 45 Prozent der Tele München gekauft und in Cash bezahlt. Das Ganze hat allerdings nur ein Drei-Viertel-Jahr gedauert – wegen der Formel1. Haffa hatte im F1-Vertrag zu seinen 50 % eine Put-Option für weitere 25 % für eine Milliarde Mark. Er dachte, er hätte eine Option auf eine Aufstockung. Das kleine Wörtchen „put“ heißt aber, dass der andere sagen kann, dass und vor allem „wann“ man die 25 % für 1 Milliarde innerhalb von drei Tagen übernehmen muss. Und genau diese Milliarde hatte er damals nicht. Und da kam Kirch ins Spiel, er hat auch das wieder übernommen. Und es hat ihm dann das Genick gebrochen. Am Ende war die Bayerische Landesbank, die das finanziert hatte, plötzlich der Mehrheitsaktionär der Formel 1.
Sie haben dann sehr zäh verhandelt, um die Anteile an ihrer Tele München zurückzukaufen. Haffa brauchte das Geld.
Ja, ich habe die Anteile zurückgekauft, allerdings deutlich günstiger.
Sie haben ihre Firma öfter verkauft?
Ich habe sie insgesamt vier Mal zurückgekauft. Mit Fritz Buttenstedt hatte ich zunächst Halbe-Halbe und hab ihn ausgekauft. Das zweite Mal war das ABC nach 10 Jahren, als es im Mai 1996 an Disney verkauft wurde - Warren Buffet hatte für ABC 3 Milliarden Dollar gezahlt und dann 19 von Michael Eisner bekommen. Mit Disney wollte ich aber nicht so gerne ein Fifty-Fifty-Joint Venture in Europa haben – und hab die Anteile wieder aufgekauft. Dann noch der Deal mit Thomas Haffa und dann auch mal mit dem Bauer Verlag. Also ich habe meinen eigenen Laden öfters verkauft und zurückgekauft – da weiß man wenigstens, was man kriegt.
Da passt dazu, dass sie mal meinten, man muss nicht immer die ganze Orange besitzen.
Es ist bei Akquisition-Geschäften schon so, dass man die einfachere Konstellation anstrebt. Der Unterschied zwischen einem Partner, der 15 Prozent hält und keinem Partner, der liegt bei 200 Prozent. Mit einem Partner muss man sich halt Tag und Nacht auseinandersetzen, auch wenn er einen nicht komplett blockieren kann. Aber wir hatten öfter so Konstellationen, in denen es noch Minderheitsbeteiligungen anderer gab und das hat trotzdem funktioniert. Die CinemaxX-Gruppe war so ein Beispiel.
Kino-Rettung
Bei der Übernahme der Kino-Gruppe CinemaxX sprach man damals – ähnlich wie heute - von einer gewaltigen Kino-Krise, ein teures Drama zeichnete sich da ab. Aber sie sind trotzdem eingestiegen. Warum?
Das war das zweite Mal, dass ich den negativen Kaufpreis kennengelernt habe. Da kam eine Bank aus dem Norden Deutschlands zu mir. Man hatte einen 60 Millionen-Kredit bei Hans-Joachim Flebbe, dem CinemaxX-Gründer, offen. Dieser Kredit wurde verkauft für 30 Millionen Cash – die wollten da raus. Ich hatte in den frühen 80er Jahren schon einmal mit Flebbe Kinos aufgebaut. Als der dann CinemaxX hochzufahren begann, sind wir ausgestiegen. Als ich wieder eingestiegen bin, hatte CinemaxX 50 Multi-Plex-Kinocenter hingestellt und viele unbebaute Grundstücke in allen möglichen Städten auf Vorrat aufgekauft. Sie hatten über 3000 Mitarbeiter und einen paritätisch besetzten Betriebsrat – der Chef der Gewerkschaft Verdi war dann mit mir Aufsichtsrat. Da war zunächst nichts zu bewegen. Der Sanierungsprozess hat sich dann über gut sieben Jahre gezogen. Dann haben wir 2012 für gutes Geld an Vue Entertainment verkauft. Damals konnte man eine Kinokette retten, heute hätte man seine liebe Not damit.
Sie haben unglaublich vieles in ihrer langen Karriere produziert, co-produziert, als Vertrieb mitfinanziert. Sie waren u. a. in Mutual Film und Lions Gate investiert. Zahlreich sind die Auszeichnungen. Gibt es in dieser Vielfalt Produktionen, auf die sie stolz sind oder die irgendwie besonders für sie waren?
Dazu zähle ich sicherlich ganz am Beginn der Clasart das Horowitz Klavier-Konzert Rachmaninow No 3 im Jahr 1978 mit dem jungen Zubin Mehta, aber auch die Glenn Gould-Serie über Bach. Also das hat schon Spaß gemacht und bleibt einem ewig in der Erinnerung. Eine ganz wilde Tat war der „Der Fall Lucona“ mit großen Bedenkenträgern allerseits und aller Art, das war mit eine der schwierigeren Geburten. „Tomb Raider“ mit Angelina Jolie habe ich allein finanziert mit 100 Millionen Dollar schon damals und das dann mit Paramount vermarktet. Der zweite Teil war, wie so oft bei einem zweiten, doppelt so teuer und halb so erfolgreich. Aber er war Immer noch profitabel. Es war das für uns der Einstieg in den kommerziellen Film. Davor waren es vor allem europäisches Arthouse-Kino und unabhängige Produktionen, mit denen ich gearbeitet habe. Physisch hatte ich mit der Produktion immer relativ wenig zu tun. Wir hatten Manfred Haid oder Rikolt von Gagern und die waren dann in Malta, Kanada, England oder sonst wo und haben physisch produziert. Wir haben auch noch die richtigen Romane von Rosamunde Pilcher produziert, das waren britische Produktionen mit Namen wie Keira Knightley, Peter Ustinov oder Peter O´Toole. In diesen Filmen gab es noch so etwas wie Schauspiel und Dramaturgie. Sehr, sehr schön war auch die erste große Produktion mit Margarethe von Trotta, „Rosenstraße“, der Film war in Venedig sehr erfolgreich. Aber es waren unter unseren Produktionen auch furchtbare Sachen dabei, über die ich zu diesem Anlass nicht nachdenken will (lacht).
In vier Monaten endet jene Frist der Bundeswettbewerbsbehörde, nach der das von ihnen verkaufte ATV in die ProSiebenSat.1Puls4-Gruppe komplett integriert werden darf.
Ich habe gar nicht mehr daran gedacht. Ich dachte, sie sprechen mich darauf an, dass ich da 75 werde, was mich wesentlich glücklicher macht. ATV, das ist gegessen, verdaut und fällt in die Kategorie „hätte besser laufen können“. Zur Befriedung der ganzen Sache: Es hätte auch nach mir ein anderer nicht sehr viel mehr Erfolg haben können, weil die Rahmenbedingungen in Österreich sind, wie sie sind. Es war zu spät, um überhaupt zu starten und mit vielleicht auch zu wenig Geld ausgestattet. Und nun zieht Servus TV vorbei …
… aber welchem Investment im Vergleich ...
Wenn man so etwas betreibt, muss die Ambition sein, dass man selbst irgendwann 20 Prozent Marktanteil hat und dass ORF1 danach eingestellt wird, weil alles abgegrast ist. Ich habe erst jüngst selbst gezählt, da hatten sie auf ORF1 den ganzen Tag über 44 Sendungen aus der amerikanischen Mottenkiste - wer will das mit Gebühren finanzieren? Dazwischen gibt es dann eine „ZiB“, die sieben Minuten dauert. Wenn man im ORF nichts dagegen tut, dann kann es schon sein, dass durch die Diskussion über die Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland auch hierzulande etwas losgetreten wird. Dort kommt dann wohl wieder die Fusion von ARD und ZDF ins Gespräch nach dem Motto, wer braucht so viele öffentlich-rechtliches Fernsehen? Allerdings ist die Problemlage im Augenblick so mannigfaltig, da gibt es tatsächlich Wichtigeres, das der Aufmerksamkeit bedarf.
Sie waren und sind seit jeher ganz tief mit der klassischen Musik verbunden. Nicht nur durch die Film- und TV-Produktion, sondern auch durch ihr persönliches Engagement: bei der Met, die sie auch in die Kinos gebracht haben, Cleveland und hier in Wien der Musikverein.
Das ist ein wunderbares Kapitel meines Lebens. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich mir das nie träumen lassen. Hätte ich mit 16 meine Mutter gefragt, was ich werden soll, hätte sie gemeint: Generaldirektor im Musikverein. Also, das bin ich nicht geworden. Aber immerhin hatte ich doch jahrelang in Direktion und Präsidium einen sehr erkenntnisreichen Einblick und natürlich bekommt man dadurch auch eine gewisse emotionale Bindung an das Haus. Coronabedingt war ich nach dem Abgang von Thomas Angyan leider wenig da. Aber jetzt kommt eine sehr schöne Herbstsaison mit Thielemann, am Tag vor der ROMY das Cleveland Orchestra mit Welser-Möst, am Tag danach Zubin Mehta.
Nicht nur die Kinos, auch das Klassik-Geschäft tut sich nun schwer nach Corona. Wie sehen sie die Zukunft hier?
Das Konzertwesen wird mit Ausnahme der Super League - etwa Helene Fischer in München vor 100.000 Menschen - künftig nur schwer zu finanzieren sein. Tourneen sind mittlerweile fast unbezahlbar. Konzertsäle zu bauen, wie man das in München seit 15 Jahren am Tapet hat, weil es eines ordentlichen bedürfte, das wird nicht mehr stattfinden. So ein Bau beginnt mit einem Budget von 400 Millionen und endet mit 800 Millionen und einem Skandal. Es ist ehrlicherweise auch die Auslastung nicht mehr gegeben. Bei der Met, bei der ich im Board bin, ist sie jetzt bei 70 %. Die älteren Herrschaften, bisher die Hauptklientel, gehen nicht mehr aus dem Haus. Das hat zum Teil mit Corona zu tun, aber auch mit dem Ermüden dieser Art von Konzertbesuch. Die Amerikaner sind da gnadenlos, die fahren um 18 Uhr zum Abendessen und schlafen ab 20 Uhr in der Oper – aber sie fahren jetzt nicht mehr zum Essen, und sie gehen dann auch nicht mehr in die Oper. Dazu kommt, dass die Sponsoren weniger werden - und der Staat kann das nicht auch noch aufrechterhalten. Der hat mit Recht andere Sorgen, anderes zu finanzieren. Da fehlt dann auch langsam das Verständnis dafür, dass die Salzburger Festspiele 181 Vorstellungen darbieten müssen über diese sechs, ja fast sieben Wochen. Wenn es nicht anders geht, dann muss man das Angebot halt eindampfen.
Die letzte Frage betrifft, sozusagen, nochmals die klassische Musik: Stimmt es, dass Sie Cello spielen?
Ich spieltete (lacht). Ich spielte extrem wenig und schlecht, aber es steht das Cello immer noch in der Ecke. Und wenn ich wirklich gut aufgelegt bin, dann gehe ich in München ums Haus zum Geigenbauer und lasse es stimmen. Und dann steht es gestimmt in der Ecke.
Dann hoffe ich, dass sie mit der ROMY gut gestimmt sind. Danke für das Gespräch
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