ORF-Wahl-Duelle: SPÖ sauer wegen Rückreihung von Parteichef Babler
Das bislang umfangreichste Programmpaket hat der ORF im Vorfeld der Nationalratswahl am 29. September geschnürt. Doch ein Termin lässt nun die Wogen hochgehen.
Mit dem Aufeinandertreffen von SPÖ-Chef Andreas Babler gegen den grünen Vizekanzler Werner Kogler starten am 5. September die schon traditionellen, in Österreich viel und gern gesehenen Wahl-Duelle. Dass der Reigen im Öffentlich-Rechtlichen am 23. September mit jenem vom Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) gegen FPÖ-Obmann Herbert Kickl endet, verärgert die SPÖ. Denn anders als bisher üblich trete damit nicht die Spitze der beiden aktuell größten Parlamentsparteien gegeneinander an.
Journalistische und terminliche Kriterien
Auf dem Küniglberg begründet man das so: „Der Reihenfolge der Duelle liegen journalistische und terminliche Kriterien zu Grunde.“ Der ORF berichte in all seinen Medien umfassend und ausgewogen. „Oberste Prinzipien sind dabei journalistische Objektivität, Unabhängigkeit und Äquidistanz.“
Die SPÖ als bisher größte Oppositionspartei sieht das ganz anders. Ihr Stiftungsrat Heinz Lederer schießt sich bereits auf den für die Sendungen verantwortlichen, neuen ORF-Chefredakteur Johannes Bruckenberger sowie ORF-General Roland Weißmann als Informationsdirektor ein: „Ich garantiere im nächsten Stiftungsrat viele unangenehme Fragen.“ Der findet am 12. September, also noch vor der Wahl statt.
Der ORF gehe hier von seiner bisher gelebten Praxis ab. „Er setzt sich damit ohne jede Notwendigkeit einer erneuten Diskussion über seine Unabhängigkeit aus. In so einer sensiblen Situation wie nun kurz vor der Nationalratswahl muss jeder Anschein von Willkür durch den ORF unterbleiben“, übt Lederer im KURIER-Gespräch Kritik.
„Schwerer Fehler"
Mit der Entscheidung, erstmals ein Duell Bundeskanzler gegen „Umfragenkaiser“ als letztes anzusetzen, mache der ORF für die Zukunft jede weitere beliebige Begründung möglich. „Das halte ich für einen schweren Fehler“, sagt der SPÖ-Stiftungsrat. Zumal in den vergangenen Jahren Umfragen ja Wünsche statt der Realität wiedergegeben hätten. Für Lederer stellt sich da auch die Frage nach dem Stichtag für diese Entscheidung. Genauso gut könne man nun sonstwas als neues Kriterium ansetzen.
Lederer: „Es gibt im ORF eine Dreier-Chefredaktion samt Stellvertretungen und den Generaldirektor als Info-Direktor. Da stellt sich für mich die Frage nach der Verantwortung: Wer war aller informiert und involviert und hat den Sanctus dazu gegeben?“ Wenn es eine einsame Entscheidung gewesen sei, stelle das die Konstruktion dieser Chefredaktion in Frage, die genau so etwas hintanhalten solle. Lederer: „Für diese Entscheidung zu den Duellen wird es von mir sehr kritische Fragen in den ORF-Gremien geben – sowohl an den Chefredakteur Bruckenberger als auch an Weißmann in seiner Funktion als Informationsdirektor."
„Die SPÖ soll sich besser um die Performance ihres Spitzenkandidaten kümmern. Da ist sogar ein Vorteil, wenn dessen letztes Duell nicht zu nahe an der Wahl liegt“, meint hingegen FPÖ-Stiftungsrat Peter Westenthaler. „Der ORF bemüht sich in diesem Fall, korrekt vorzugehen.“
Overkill bei Sendungen?
Westenthaler glaubt auch nicht, dass die Duelle in dem Wust an Wahlkampf-Sendungen von ORF und privaten Medienhäusern wahlentscheidend sind. „Ich gehe sogar davon aus, dass das Publikumsinteresse bei den vielen Sendungen abnehmen wird. Es ist das ein Overkill. Schade, dass sich die Privatsender hier nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen konnten.“
Auch für die weiteren Parteienvertreter im Stiftungsrat köchelt das Thema Wahl-Duelle im ORF auf niedriger Temperatur. Für den ÖVP-Vertreter im obersten ORF-Aufsichtsgremium, Thomas Zach, „ist die Programmgestaltung keine Aufgabe des Stiftungsrates. Ich habe vollstes Vertrauen in die Arbeit der journalistischen Mitarbeiter des ORF.“ So sieht es auch der Stiftungsratsvorsitzende Lothar Lockl von den Grünen, der darauf verweist, dass die Duelle wichtig fürs Publikum seien und von dem auch angenommen werden. „Darum beneiden uns andere Länder und Sender.“
Auf die Kritik Lederers wollte der ORF auf Nachfrage nicht direkt eingehen, sondern verwies auf die Stiftungsratssitzung im September. Bei der Wahlberichterstattung halte sich der ORF heute, so wie in der Vergangenheit, immer an die gesetzlichen Bestimmungen, wurde betont. ORF-Journalistinnen und Journalisten könnten - gesetzlich geschützt - unabhängig und weisungsfrei arbeiten und würden ihre Entscheidungen ausschließlich vor diesem Hintergrund treffen.
Die Wahl-Duelle in ORF2
Donnerstag, 5. September:
Babler - Kogler (20.15 Uhr)
Kickl - Meinl-Reisinger (21.05 Uhr)
Dienstag, 10. September
Kickl - Kogler (20.15 Uhr)
Meinl-Reisinger - Nehammer (21.05 Uhr)
Donnerstag, 12. September
Babler - Nehammer (20.15 Uhr)
Kogler - Meinl-Reisinger (21.05 Uhr)
Montag, 16. September
Kogler - Nehammer (20.15 Uhr)
Babler - Kickl (21.05 Uhr)
Montag, 23. September
Babler - Meinl-Reisinger (20.15 Uhr)
Kickl - Nehammer (21.05 Uhr)
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