ORF-Sommergespräche: Peinliche Pannen und extreme Quoten

Gelsen waren über die Jahre ein Dauerthema. Auch bei Sebastian Kurz.
Heute startet Moderator Martin Thür in die 43. Ausgabe des traditionellen Polit-Gesprächs. Es sorgte immer wieder für Aufsehen.

Die (kurze) Urlaubszeit für die heimische Spitzenpolitik ist vorbei: Mit den ORF-„Sommergesprächen“ sind die Vorsitzenden der Parlamentsparteien gefragt, sich eine Stunde lang den Fragen des Interviewers Martin Thür zu stellen – und das wenige Wochen vor der Nationalratswahl am 29. September. Den Auftakt macht Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger (21.05 Uhr, ORF2). Die Interviews finden heuer im Salzkammergut, genaugenommen am Traunsee, statt.

Das Fernsehformat ist die größte innenpolitische Bühne jedes Sommers (und ist nur zweimal ausgefallen, nämlich 2008 und 2013). Die „Sommergespräche“ sorgen auch Jahr für Jahr für Gesprächsstoff, wie ein Blick ins Archiv zeigt: Dort finden sich zahlreiche Pannen, Beschwerden, aber auch Rekordquoten:

2009 plagten sich die Interviewgäste mit dem Wetter

  • 2009 sendete der ORF aus den Landeshauptstädten, was sich als schlechte Idee entpuppte: Zum Auftakt auf der Seebühne Mörbisch wurden Ingrid Thurnher und Interims-Grünenchefin Maria Vassilakou vom Wind verblasen. 
  • BZÖ-Chef Wolfgang Buchner erging es in Salzburg nicht besser: Sein Interview wurde von den Glocken am Domplatz übertönt. 
  • Die Pressesprecherin des damaligen Bundeskanzlers, Werner Faymann (SPÖ), schmiss angesichts des bevorstehenden Interviews ihres Chef auf einer weiteren Seebühne (Bregenz) die Nerven. Sie schrieb daraufhin ein lesenswertes Mail. Man möge das auf der Bregenzer Seebühne geplante Interview gefälligst in das Festspielhaus verlegen, forderte sie von der ORF-Redaktion. Das Schreiben wurde geleakt und sorgte für Kritik und Spott: "Mein Chef soll nicht ständig die Augen zukneifen müssen, Regen - geht gar nicht, Nebengeräusche, Tiere (am See quaken gerne Enten, nicht einmal das möchte ich, während mein Chef spricht!)“

Für Faymann wurde es bei den Sommergesprächen nicht leichter

  • 2012 hatte Werner Faymann auch ohne Enten eine harte Zeit: "ZiB2"-Mann Armin Wolf war als Sommer-Interviewer angetreten und grillte Faymann mit Fragen zur Inseratenaffäre und seinem Studienverlauf. Dass den Kanzler auch Gelsen plagten, rundete das Bild für Faymann wohl nur ab: Er verweigerte fortan jeden Auftritt in der "ZiB2".
  • 2014 lief ebenfalls schlecht für den SPÖ-Bundeskanzler: Faymann musste um einen neuen Termin bitten: Er litt an Angina.

Moderator
In der 43. Ausgabe der ORF-„Sommergespräche“ feiert „ZIB 2“-Anchor Martin Thür (42) sein Debüt als Gastgeber. Er ist seit 2018 beim ORF, davor Addendum und ATV.

Schauplatz
Die Location ist eine Hotel-Terrasse in Traunkirchen (OÖ). Bei Schlechtwetter steht ein verglastes Ausweichquartier zur Verfügung. Gesendet wird aus Gründen der Lichtstimmung rund eineinhalb Stunden zeitversetzt, aber in voller Länge.

Fahrplan
Die Interviews mit den Parteichefs bzw. der Parteichefin der im Parlament vertretenen Fraktionen sind vom 5. August bis 2. September, immer montags um 21.05 Uhr in ORF 2 zu sehen. Los geht es mit Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger (s. Bild). Mit ihr wird Thür u.a. über ihr Ziel einer Regierungsbeteiligung sprechen, es folgen Werner Kogler (Grüne), Herbert Kickl (FPÖ), Andreas Babler (SPÖ) und Karl Nehammer (ÖVP).

Elefantentröten störte das "Sommergespräch" Pamela Rendi-Wagners

  • 2019 wurde SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner von lautem Elefantentröten gestört. Die Geräuschkulisse sorgte beim Publikum für Gelächter: eine Guerilla-Marketing-Aktion für einen Energydrink. Die SPÖ-Chefin nahm es mit Humor und merkte an, dass die Elefantenrunde doch erst später gesendet werde. Der ORF blieb weniger entspannt: Ein Hörfunkspot auf Ö3 für das Getränk wurde aus dem Programm gekippt. 
  • 2020 hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz eine Gelse im Gesicht sitzen. Nachdem das Tier nach fast einer Minute immer noch nicht verschwunden war, sprach ihn Moderatorin Simone Stribl darauf an. Zu spät, ätzten manche:

Ein Totschlag, live auf Sendung

  • 2021 verlief relativ ereignislos, sieht man von den üblichen Gelsen ab. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger machte kurzen Prozess und erschlug eine Stechmücke. Der Totschlag live auf Sendung zog zahlreiche Zeitungsglossen und Online-Kommentare nach sich.
  • 2023 wiederum machte die Location Schlagzeilen: Der ORF hatte die Parteichefs in ein fensterloses Besprechungszimmer im frisch renovierten Parlament gebeten. „Das hat den herben Charme eines Stasi-Verhörzimmers“, kritisierte FPÖ-Chef Herbert Kickl im Gespräch mit Moderatorin Susanne Schnabl. Um nachzusetzen: „Das schneiden Sie jetzt aber nicht raus!“

Die "Sommergespräche" der 1980er waren wesentlich gemütlicher

Erfunden wurde das Format 1981 vom damaligen ORF-Journalisten (und späteren KURIER-Chefredakteur) Peter Rabl. Sein Gespräch mit dem damaligen FPÖ-Vizekanzler Norbert Steger in dessen Haus zeigte, wie entspannt die Stimmung zu Beginn der Interviewreihe war: Wegen der Hitze stiegen die beiden spontan in den Pool und setzten das Gespräch dort fort.

1984 hörte man den damaligen Bundeskanzler Fred Sinowatz im "Sommergespräch" sagen, er „zahle noch monatlich den Kredit fürs Haus ab“. Ein Einblick, der heutzutage undenkbar ist.

Peter Rabl und Norbert Steger im Pool

Peter Rabl und Norbert Steger

Mit Jörg Haider kamen die Kontroversen

Mit Jörg Haiders Aufstieg wurden die Themen heikler und die Auseinandersetzungen ruppiger: 1989 verstieg sich der damalige FPÖ-Shooting Star zur Aussage, die Republik Österreich sei eine „ideologische Missgeburt“. "Das wissen sie so gut wie ich, dass die österreichische Nation eine Missgeburt gewesen ist, eine ideologische Missgeburt, denn die Volkszugehörigkeit ist die eine Sache und die Staatszugehörigkeit ist die andere Sache."

Der Rekordhalter kommt aus der ÖVP

Die höchste „Sommergespräch“-Quote aller Zeiten hält übrigens Sebastian Kurz, der 2017 als damals neuer ÖVP-Chef zu sehen war. 1,034 Millionen waren dabei. Zwei Jahre und eine geplatzte Koalition später gab es im Nachgang des Ibiza-Skandals viel zu besprechen. Und die Fernsehzuseher blieben bei allen Parteichefs mit großem Interesse dran. Zum Vergleich: 638.000 Seher waren durchschnittlich im Vorjahr dabei, als aus dem Parlamentszimmer gesendet wurde.

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