Nach Kratky-Ausstieg: Stiftungsratschef setzt gegen ORF-Hater auf Transparenz

Interview mit Heinz Lederer, Vorsitzender des ORF-Stiftungsrats
Stiftungsratschef Heinz Lederer über den Fall Robert Kratky und seine Lehren daraus, den Song Contest und warum er Kooperationen mit ProSiebenSat.1 hinterfragen will.

Der Vorsitzende des ORF-Stiftungsrates, Heinz Lederer, warnt nach dem plötzlichen Rückzug von Ö3-Moderator Robert Kratky: „Es kann niemand wollen, dass Menschen – in diesem Fall ein Spitzenmoderator – mit Hasspostings in eine mentale Ausnahme-Situation getrieben werden.“ Kratky habe über Jahrzehnte wesentlich zum Erfolg des Ö3-Weckers beigetragen.

Hater als zentrales Thema

Die Radio-Ikone war nach Verordnung des sogenannten Transparenzberichts vor zwei Jahren durch die türkis-grünen Koalition als ORF-Spitzenverdiener geoutet und heftigen Anfeindungen ausgesetzt. Vor einer Woche wurde überraschend die Auflösung seines ORF-Vertrags bekanntgegeben, weil er sich um seine mentale Gesundheit kümmern muss. 

Als zentrales Thema sieht Lederer jetzt „die Hater und deren Plattformen. Ob die Regierung aus dem Fall Kratky diesbezüglich Schlüsse zieht, ist ihr zu überlassen.“

ORF muss klarer kommunizieren

In der Pflicht sieht der Stiftungsratschef auch das Unternehmen. „Wenn wir als ORF nicht klarer kommunizieren – auch in Zusammenhang mit dem Verdienst, aber auch den Verdiensten von Mitarbeitern –, dann lassen sich Menschen in exzessiver Weise emotionalisieren bis hin zu schweren Drohungen.“

Gegensteuern will der SPÖ-Vertreter mit einem „Transparenzpaket“ des ORF, das im Stiftungsrat Anfang September Thema sein soll. Es soll Nebenbeschäftigungen von Mitarbeitern noch strenger regeln und eine interne Abgabe auf Einnahmen daraus bringen. „Denn die einen können nicht im Licht stehen, wenn es die anderen nicht einschalten.“ Diese sollten auch etwas davon haben.

Standortprojekt trotz Inflation unter Budget 

Lederer will zudem die Gehälter differenzierter darstellen und etwa Erfolgskomponenten ausweisen. Als Beispiel nennt er das Standortprojekt unter Pius Strobl, der Nummer 2 unter den Verdienern, das trotz enormer Inflation am Bau unterhalb der Budgetgrenze von 303 Millionen abgeschlossen wird. „Damit hat Strobl dem ORF und den Gebührenzahlern enorm viel Geld erspart. Das wird mit der Gehaltstabelle überhaupt nicht gewürdigt. Im Gegenteil, diese Darstellung, wie jetzt vorgegeben, provoziert Anfeindungen.“

Apropos Standort: Nach dem Vorfall um Palästina-Aktivisten im ORF-Zentrum am Küniglberg kann Lederer nach Aufstockung des Sicherheitspersonals auch baulichen Maßnahmen wie „einem angemessenen Besucherzentrum einiges abgewinnen, zumal dort auch vielfältigen Sicherheitsaspekten und Kontrolleinrichtungen viel besser entsprochen werden kann.“ Nicht umsonst sei das bei Museumsbauten mittlerweile gang und gäbe.

Kooperation bei Joyn hinterfragen

Dem Eurovision Song Contest, der 2026 in Wien ausgetragen wird, sieht Lederer freudig entgegen. Aber „der ORF wird jeden Cent zweimal umdrehen müssen und wir als Stiftungsrat (…) werden zweimal hinschauen, wie dieser Cent eingesetzt wird.“ Einsparungen dürften nicht zulasten des weiteren Programms für 2026 oder des Personals gehen.

Hinterfragen will Lederer temporäre Rekrutierungen von ProSiebenSat.1Puls4 für den ESC: Das „ist schon sehr viel Nähe zu einem Konkurrenten.“ Auch die ORF-Kooperation bei der Streaming-Plattform Joyn von ProSiebenSat.1, wo die Übernahme durch Berlusconis MFE bevorsteht, soll thematisiert werden. „Das reicht von juristischen Fragen wie dem Urheberrecht und dem vorzeitigen Zugriff auf ORF-(Co)-Produktionen, bis hin zur Werbung oder der Entwicklung von Reichweiten und Marktanteilen“, sagt Lederer. „Je nach Ergebnis dieser Bewertung kann der ORF seinen Kurs auch korrigieren.“

Nicht auf Kosten des ORF

Derzeit verhandelt die Dreier-Koalition Gespräche über eine kleine Novelle zum ORF-Beitrag. Die im Gesetz vorgesehene Jahresvorschreibung ab 2026 für alle, die keine SEPA-Überweisung machen, soll fallen. Dass es „die gibt und bleibt, ist sicher kein Wunsch des ORF“, betont Lederer. 

Auch die Beitragsbefreiung für temporäre Firmen-Standorte – wie zum Beispiel Baustellen – soll kommen. „Es darf aber nicht sein, dass man auf Kosten des ORF, der ohnehin schwere Einsparungsprogramme fährt, zu großen Unternehmen umverteilt.“ Man erreiche da irgendwann Grenzen, auch verfassungsrechtliche. „Das geht irgendwann ohne einen Kahlschlag bei Programm und Personal nicht mehr und hat somit auch Folgen für die Beitragszahler“, mahnt Lederer.

Das Interview mit ORF-Stiftungsratsvorsitzenden Heinz Lederer im O-Ton

KURIER: Der sogenannte Transparenzbericht und die damit verbundenen Hass-Kampagnen haben mit Ö3-Wecker-Moderator Robert Kratky ein erstes Opfer gefordert. 

Heinz Lederer: So etwas macht betroffen, auch wenn man selbst nie der Neidgenossenschaft das Wort geredet hat. Robert Kratky war über Jahrzehnte ein wesentlicher Faktor für den Publikumserfolg des "Ö3 Wecker" und damit auch für den kommerziellen. Er hat zwischen 5 und 9 Uhr früh, viele, viele Zuhörerinnen und Zuhörer an Ö3 gebunden. Es kann niemand wollen, dass Menschen – in diesem Fall ein Spitzenmoderator – mit Hasspostings in eine mentale Ausnahme-Situation getrieben werden. Ich hatte noch nicht die Möglichkeit, mit ihm zu reden und möchte mich deshalb vorerst nicht näher dazu äußern.

Was lässt sich für Sie als Stiftungsratsvorsitzender schon jetzt daraus lernen?

Aus dem, was mit Robert Kratky passiert ist, müssen wir die richtigen Schlüsse ziehen, auch in Bezug auf den Transparenzbericht. Wenn wir als ORF nicht klarer kommunizieren -  auch in Zusammenhang mit dem Verdienst, aber eben auch den Verdiensten von Mitarbeitern -, dann lassen sich Menschen in exzessiver Weise emotionalisieren bis hin zu schweren Drohungen. Was der ORF tun kann unter den gegebenen gesetzlichen Vorgaben ist ein Transparenzpaket. Ich meine, dass wir im Stiftungsrat im September den Ethik-Kodex in Teilen nochmals diskutieren sollten, damit es zu Nachschärfungen kommt.

Was meinen Sie damit?

Das betrifft die Nebenbeschäftigungen und ihren Umfang. Ich denke an eine Art Schiedsstelle, die bewertet, wieweit Nebenbeschäftigungen und ihr Umfang noch mit der Treuepflicht eines angestellten Mitarbeiters in Einklang stehen – oder reduziert werden müssen und das sehe ich unabhängig von einem „Starfaktor“. Das betrifft auch eine von mir schon mehrfach geforderte, damit verbundene interne Abgabe darauf. Denn die einen können nicht im Licht stehen, wenn es die anderen nicht einschalten. Auch die sollen davon etwas haben, etwa über Ausbildungsförderungen etc.. Aber auch die Zusammensetzung und Darstellung der Spitzengehälter muss klarer werden.

Das heißt?

Soweit datenschutzrechtlich möglich sollte dargestellt werden: Wie hoch ist tatsächlich das Basisgehalt, was ist die Funktionszulage, wieviel Prozent machen erfolgsabhängige Komponenten aus. Ein wirklicher Erfolg ist etwa das Standort-Projekt, von Pius Strobl geleitet. Das wird offenbar deutlich unterhalb des vorgegebenen Budgetrahmens von 303 Millionen abgeschlossen. Und das trotz erheblicher Inflation am Bau - das gibt es sonst nirgendwo. Damit hat Strobl dem ORF und auch den Gebührenzahlern enorm viel Geld erspart. Das wird aber mit so einer Gehaltstabelle überhaupt nicht gewürdigt. Im Gegenteil, diese Darstellung, wie jetzt vorgegeben, provoziert nur Anfeindungen. 

Eine solche Aufschlüsselung von Gehältern bezieht auch mit ein, dass nach Abschluss eines Projekts oder Verlust der Funktion die damit zusammenhängende Gehaltsbestandteile selbstverständlich wegfallen. Damit erübrigen sich auch Diskussionen um sogenannte „weißen Elefanten“ im ORF. Es schafft das auch intern mehr Transparenz und Gerechtigkeit, weil sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter danach orientieren können. 

Dafür braucht der ORF zum Teil erneut die Politik, die – damals ÖVP und Grüne – beabsichtig oder billigend in Kauf genommen hat, dass man ORF-Mitarbeiter via Transparenzbericht an den Pranger stellt. 

Ich will der damals zuständigen Ministerin (Susanne Raab, ÖVP, Anm.) das nicht unterstellen. Ich finde die namentliche Nennung von Menschen seit jeher hinterfragenswert, weil das auch bei Aktiengesellschaften, ob staatsnah oder nicht, so nicht gemacht wird. Für mich sind aber nicht die Namen das eigentlich zentrale Thema, sondern es sind die Hater und deren Plattformen. Ob die Regierung aus dem Fall Kratky diesbezüglich Schlüsse zieht, ist ihr zu überlassen. Für Transparenz im ORF braucht man nicht die Namen von x-beliebigen Mitarbeitern. 

Nach dem Vorfall mit Palästina-Aktivisten stellen sich beim ORF-Zentrum Sicherheitsfragen. Ist es da nicht naheliegend, vorhandene Bau-Millionen in den maroden Eingangsbereich samt Besucherzentrum und Sicherheitskomponenten zu investieren? Das liegt fertig geplant vor. Nur weil die FPÖ dagegen polemisiert hat, Stichwort Portiersloge, könnte man das doch nochmals durchdenken?

Der Vorfall wird sicher ein Thema des Stiftungsrates sein. Solche Demonstrationen im inneren Bereich des ORF-Zentrums beunruhigen zurecht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Erste Maßnahmen, die gesetzt wurden, betreffen die Verstärkung des Sicherheitspersonals und das ist auch richtig so. Was das Bauprojekt betrifft, will ich mich jetzt nicht festlegen. Da gibt es einiges mehr zu berücksichtigen, wie etwa den laufenden Sparkurs im ORF. Ich kann einem angemessenen Besucherzentrum einiges abgewinnen, zumal dort auch vielfältigen Sicherheitsaspekten und Kontrolleinrichtungen viel besser entsprochen werden kann. Nicht umsonst ist das bei Museumsbauten mittlerweile gang und gäbe. 

Möglicherweise fehlen die Bau-Millionen dem ORF wiederum beim Song Contest, weil die Politik die Entnahmen aus Beitragseinnahmen limitiert hat. Der Song Contest, das steht nun fest, findet in Wien statt. Das ORF-Motto, „Sparsam, aber spektakulär“, verrät aber schon durch die Wortstellung, was wichtiger ist.

Zunächst Gratulation an Wien und Dank an Innsbruck für ein offenes Rennen um den Veranstaltungsort. Wien, als eine der lebenswertesten Städte weltweit und Musik-Hauptstadt, wird ein tolles Umfeld für das 70-Jahr-Jubiläum des Eurovision Song Contest bieten. Das wird Effekte über die Bundeshauptstadt hinaus auf ganz Österreich haben und das nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht. Was das ORF-Motto betrifft, ja, der ORF wird jeden eingesetzten Cent zweimal umdrehen müssen und wir als Stiftungsrat und insbesondere Finanzausschuss-Vorsitzende Andrea Schellner werden zweimal hinschauen, wie dieser Cent für den Song Contest eingesetzt wird. Sparsam heißt in dem Zusammenhang für mich auch, dass das Programm des ORF über das weitere Jahr hinweg nicht ausgeräumt oder beim Personal weiter gekürzt wird, wo ohnehin schon Einsparungen laufen. Das wird es mit mir, mit uns, nicht geben - das ist aber ORF-Generaldirektor Roland Weißmann bewusst.

Für den ESC hat sich der ORF schon temporär personelle Verstärkung von ProSiebenSat.1Puls4 geholt. Hat Sie das überrascht?

Dem Generaldirektor muss schon klar sein, dass wir beim ESC jede Auslagerung von Aufgaben hinterfragen werden, aber auch jede Personalia. Er wird das schon beim nächsten Stiftungsrat im September erklären müssen – auch, ob es da oder dort einen ESC-Aufschlag gibt. Ich denke, dass ein Show-Event, wie es der ESC letztlich ist, in die Kernkompetenz des ORF fällt. Da gibt es im ORF Knowhow durch den Song Contest 2015, das man hoffentlich entsprechend zuzieht, und auch Vergleichszahlen und -möglichkeiten. Es geht schlicht darum, effizient und effektiv zu sein. Nur das gewährleistet, dass der ORF seinen Auftrag, über den Mai 2026 hinaus bestmögliches Programm zu bieten, erfüllen kann. Dass man sich personell recht hochrangig bei ProSiebenSat.1Puls4 bedient, ist schon sehr viel Nähe zu einem Konkurrenten. 

Sie sehen das skeptisch?

Auch ich halte die Strategie des ORF, Kooperation statt Konfrontation, im Umgang mit den Privatmedien in Österreich für richtig. Aber jeder Schritt, der da getan wird, ist von Zeit zu Zeit zu hinterfragen. Das werden wir als Stiftungsrat im September tun. Es wird da um die Plattform Joyn gehen und den Nutzen für den ORF, dass er dort vertreten ist. Zu diesem Zeitpunkt gibt es dann vielleicht auch Klarheit über die Mehrheitsverhältnisse beim Mutterkonzern ProSiebenSat.1, wo ja ein Übernahmeversuch durch die Berlusconi-Gruppe am Laufen ist – mit möglicherweise relevanten Auswirkungen bis Österreich. Ohnehin stellen sich nach den gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen den deutschen Öffentlich-Rechtlichen und ProSiebenSat.1, das da führend von Markus Breitenecker den „österreichischen Weg“ gegangen ist, einige Fragen. Das reicht von juristischen wie dem Urheberrecht und dem vorzeitigen Zugriff auf ORF-(Co)-Produktionen, bis hin zu wirtschaftlichen wie der Werbung oder der Entwicklung von Reichweiten und Marktanteilen. Das sind Fragen, die von verschiedener Seite an mich herangetragen werden. Ein solches Hinterfragen sehe ich zunächst völlig wertfrei, aber ich halte es für richtig und wichtig. Je nach Ergebnis dieser Bewertung kann der ORF hier seinen Kurs auch korrigieren.  

Ist für Sie vorstellbar, dass der ORF sich von Joyn zurückzieht?

Das ist eine Entscheidung der Geschäftsführung, der Stiftungsrat will nur die Fakten dazu kennen. Jedenfalls hat der ORF durch die jüngste Gesetzesnovelle eine gewissen Beinfreiheit im digitalen Bereich bekommen. Er investiert Mittel aus den Beiträgen der Allgemeinheit in die Entwicklung einer eigenen öffentlich-rechtlichen Plattform ORF On und in entsprechende Produktionen. Dass man damit via Joyn zu den künftigen Gewinnen von ProSiebenSat.1 beiträgt, kann man ebenso hinterfragen, wie man hinterfragen kann, ob Sendungen wie „Das Geschäft mit der Liebe“ auf Joyn ein passendes Umfeld für den ORF sind.     

Bis September sollte sich die Dreier-Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos auf eine kleine Reform beim ORF-Beitrag verständigt haben. Es geht einerseits um die Befreiung von Firmen, die vorübergehend Standorte – etwa Baustellen – haben. Ein Thema für viele ist aber auch der gesetzlich festgeschriebenen Zwang zur SEPA-Lastschrift, weil man sonst eine Jahresvorschreibung bekommt. Wie ist der Stand der Gespräche? 

Dass es die Jahresvorschreibung gibt und die bleibt, ist sicher kein Wunsch des ORF. Ich sitze aber nicht am Verhandlungstisch und will da auch keine Zurufe via Zeitung machen. Eine Entlastung von mittelständischen Unternehmen, und sei sie mit 15,30 Euro monatlich noch so klein, kann möglicherweise positive Impulse setzen. Es darf aber nicht sein, dass es auf Kosten des ORF, der ohnehin schwere Einsparungsprogramme fährt, eine Umverteilung zu großen Unternehmen gibt. Ich erinnere daran, dass der ORF zuletzt vom Gesetzgeber dazu verpflichtet wurde, das Radio Symphonie Orchester, ORFIII und ORF Sport+ zu finanzieren. Man erreicht da irgendwann Grenzen, auch verfassungsrechtliche. Denn das geht irgendwann ohne einen Kahlschlag bei Programm und Personal nicht mehr und hat somit auch Folgen für die Beitragszahler. Das kann so niemand wollen. Aber das ist der Politik wohl schon bewusst.

Danke für das Gespräch.

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