Verfassungsgerichtshof: ORF-Beitrag verstößt nicht gegen Verfassung

Verfassungsgerichtshof
Möglichkeit, das ORF-Angebot zu nutzen, rechtfertigt Vorschreibung des Beitrags. Besondere demokratische und kulturelle Aufgabe des Rundfunks

Das ORF-Beitrags-Gesetz 2024 und damit der ORF-Beitrag in seiner aktuellen Ausgestaltung sind verfassungskonform. Das hat der Verfassungsgerichtshof am Dienstag bekanntgegeben. Der VfGH hat eine Beschwerde abgewiesen, in der u.a. vorgebracht wurde, es sei gleichheitswidrig, dass Haushalte, in denen keine ORF-Inhalte genutzt werden, durch den ORF-Beitrag finanziell genauso belastet werden wie jene, die das Angebot des ORF sehr wohl nutzen.

Besondere demokratische und kulturelle Aufgabe

Es liegt, stellt der VfGH in seiner Beschwerde-Abweisung fest, im gesamtgesellschaftlichen Interesse, dass der Rundfunk seine besondere demokratische und kulturelle Aufgabe wahrnimmt. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe ermöglicht es potenziellen Nutzerinnen und Nutzern, jederzeit und ortsunabhängig – typischerweise am eigenen Wohnsitz – auf das öffentlich zugängliche Angebot des ORF zuzugreifen.

Der Gesetzgeber verletze daher den Gleichheitsgrundsatz nicht, so der VfGH in einer Aussendung, wenn er die Möglichkeit, das ORF-Angebot zu nutzen, mit einem Beitrag verbindet, der für Haushalte an einen Hauptwohnsitz in Österreich geknüpft und auch den betrieblichen Bereich erfasst. 

Tatsächlicher Konsum nicht notwendig

Der Gleichheitsgrundsatz verlangt auch nicht, so das Höchstgericht, dass der Beitrag an den tatsächlichen Konsum des Angebots geknüpft ist. 

Die Begründung: Im Rahmen einer teilhabeorientierten gleichmäßigen Lastenverteilung komme es nur darauf an, dass die Beitragspflichtigen die Möglichkeit hätten, die öffentliche Leistung (des ORF) zu nutzen. Diese Möglichkeit habe auch, wer kein Fernseh- oder Radiogerät besitzt, weil das Angebot des ORF im gesamten Bundesgebiet verbreitet werde. Die Kommunikationstechnologie sei so weit entwickelt, dass Beitragspflichtige mit wenig Aufwand auf das Angebot zugreifen könnten.

 

Da eine große Zahl von Beschwerden gegen den ORF-Beitrag zu erwarten war, löste der VfGH in diesem Verfahren im März 2025 den Mechanismus für ein sogenanntes „Massenverfahren“ aus. Damit waren alle Verfahren unterbrochen, die bereits beim Bundesverwaltungsgericht (und noch nicht beim VfGH) anhängig waren. Mit der Kundmachung der aktuellen Entscheidung im Bundesgesetzblatt, die der Bundeskanzler unverzüglich vorzunehmen hat, endet die Unterbrechung, und die beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren können fortgesetzt werden, heißt es in der Presseaussendung des Höchstgerichts.

OBS berechtigt, Bescheide zu erlassen

Der Verfassungsgerichtshof stellt auch klar: Die ORF Beitrags Service GmbH ist – anders als der Beschwerdeführer meinte – dazu berechtigt, Bescheide zur Festsetzung des Beitrags zu erlassen. Werden hoheitliche Aufgaben auf einen ausgegliederten Rechtsträger übertragen, gelten bestimmte verfassungsrechtliche Vorgaben. Diesen Vorgaben werde entsprochen. Das gilt auch für damit verbundene Aufgaben, wie die Ermittlung aller Beitragsschuldner sowie die Entscheidung über Befreiungen. 

Auch den behaupteten unzulässigen Eingriff in das Recht der freien Meinungsäußerung durch die Neuregelung der ORF-Finanzierung kann das Höchstgericht nicht erkennen.

Die Beschwerde war zuvor schon vom Bundesverwaltungsgericht verworfen worden.

Der ORF-Beitrag wurde Anfang 2024 neu eingeführt und hat die alte GIS-Gebühr abgelöst. Notwendig machte diese Neuordnung durch Türkis-Grün ein Erkenntnis des VfGH, das über Antrag des ORF zustande kam. Der VfGH sah 2022 eine Ungleichbehandlung darin, dass die immer stärkere Nutzung von ORF-Online-Angeboten nicht unter die GIS-Pflicht fiel und nur TV- und Radio-Konsumenten zur Kasse gebeten wurden.

Eingefrorene Beitragshöhe

Die Haushaltsabgabe beträgt nun 15,30 Euro monatlich und damit weniger als zuvor mit 18,59 Euro bei der GIS-Gebühr. Sie ist überdies bis 2029 in ihrer Höhe eingefroren. Auch ist der ORF bei der Verwendung der Beitragseinnahmen limitiert worden. Für die Öffentlich-Rechtlichen bedeutet das eine Fortschreibung des laufenden millionenschweren Einsparprogramms.

Im Zuge der Einführung des Beitrags hatte sich die finanzielle Belastung von gut 3 Millionen Vollzahler-Haushalten auch dadurch reduziert, weil der Bund und einzelne Bundesländer auf bisher eingehobene Abgaben verzichtet haben. So fiel in Wien die Belastung für Vollzahler um 47 Prozent.  

System bestätigt, aber ...

Vom ORF-Beitrag sind – anders als bei einer Budgetfinanzierung – viele sozial schwache Haushalte ausgenommen. Auch Studenten oder Lehrlinge (auch über 18) zahlen nichts. Das betrifft etwa 400.000 Haushalte. Diesen Einnahmenentfall bekommt der ORF, anders als es bei Telekomunternehmen der Fall ist, nicht ersetzt.

Die Entscheidung des VfGH bestätigt das von der Politik gewählte ORF-Finanzierungssystem. Aus Sicht des Rundfunkrechtsexperten Hans Peter Lehofer ist die Entscheidung wenig überraschend, weil der Gesetzgeber bei der Neuregelung der ORF-Finanzierung versucht habe, dem Erkenntnis des VfGH davor zu folgen. „Zu betonen ist allerdings, dass damit nicht jedes Detail der Regelung zwingend verfassungskonform ist“, schreibt er in seinem Blog. Formal hat der VfGH vorerst nur auf Rechtsfragen für Privatpersonen abgestellt. Lehofer verweist aber auf die Feststellung des VfGH, dass „dem Grunde nach gegen die Sachlichkeit einer Beitragspflicht im betrieblichen Bereich keine Bedenken“ bestehen.

Neuer Ärger

Auch wenn man am Küniglberg nun kurz aufatmen kann, nicht mit dem Entscheid des VfGH losgeworden ist der ORF den Ärger, der mit der Beitragseintreibung verbunden ist. Noch immer sind Tausende Bescheide ausständig. Und der nächste droht bald: Vom Gesetzgeber vorgegeben wurde, dass mit Jahreswechsel der ORF-Beitrag als Jahressumme von all jenen zu entrichten ist, die keine SEPA-Lastschrift haben. 

  

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