ORF-Beitrag: VfGH setzt gegen Flut an Beschwerden auf "Massenverfahren"

Zusammenfassung
- Der Verfassungsgerichtshof wendet eine Regelung für 'Massenverfahren' an, um die Vielzahl der Beschwerden gegen den ORF-Beitrag zu bewältigen.
- Alle Verfahren zum ORF-Beitrag beim Bundesverwaltungsgericht sind bis zur Entscheidung des VfGH über die Verfassungsmäßigkeit des Beitrags unterbrochen.
- Der ORF-Beitrag ersetzt die alte GIS-Gebühr, ist niedriger und betrifft nicht sozial schwache Haushalte, Studenten oder Lehrlinge.
Der Verfassungsgerichtshof prüft die ORF-Finanzierung auf Verfassungskonformität und bremst gleichzeitig die Flut von (gleichlautenden) Beschwerden gegen den ORF-Beitrag.
Zur Verwaltungsvereinfachung wendet er nun eine Regelung für "Masseverfahren" an. Hier wird an einem "Musterfall" die Beschwerde im Grundsatz abgearbeitet. Bereits jetzt sind 18 Fälle zur ORF-Beitragspflicht beim VfGH anhängig. Dabei handelt es sich um Beschwerden gegen Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG).
Dieser VfGH-Beschluss ist vom Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Mit der Kundmachung dieses Beschlusses sind alle beim Bundesverwaltungsgericht zum ORF-Beitrag anhängigen Verfahren unterbrochen.
Verfassungsgerichtshof befasst sich ab Juni mit ORF-Beitragspflicht
Im September des Vorjahres war von 120 anhängigen Verfahren die Rede. Bei ersten, nicht rechtskräftigen Entscheidungen verneinte das BVwG die Verletzung von Grundrechten und des EU-Beihilfenrechts. Nun befasst sich der VfGH mit der Causa - allerdings nicht vor Juni, wie der APA mitgeteilt wurde.
Der Verfassungsgerichtshof hat sich auch schon einmal mit der Haushaltsabgabe beschäftigt: 331 Personen hatten im Rahmen eines von einem Prozessfinanzierer eingebrachten Individualantrags beantragt, das ORF-Beitrags-Gesetz 2024 ganz oder in Teilen als verfassungswidrig aufzuheben.
Der Grund für das "Masseverfahren" des VfGH
Der VfGH hatte diesen Antrag als unzulässig zurückgewiesen: Es sei gegen die „Haushaltsabgabe“ ein anderer Rechtsweg zumutbar, den die Beschwerdeführer beschreiten könnten. Dieser führte über das Bundesverwaltungsgericht.
Für den nun vom VfGH eingeschlagenen Weg des "Masseverfahrens" gibt es einen guten Grund: Erst jüngst hatte ORF-Chef Roland Weißmann im Gespräch eingeräumt, dass es bei der Haushaltsabgabe "ein paar tausend Problemfälle" etwa bei der Bescheid-Ausstellung gibt. Da sei aber in Relation zu den mehr als 4 Millionen betroffenen Haushalten zu sehen. "Jeder einzelne tut mir weh. Aber die Fehlerquote ist im Promillebereich", so Weißmann.
Wie die Beschwerdeführer gegen das ORF-Beitrags-Gesetz 2024 argumentieren
In den bislang eingegangenen Beschwerden wird im Wesentlichen geltend gemacht, dass das ORF-Beitrags-Gesetz 2024 die Beschwerdeführer in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums verletze.
Es sei unsachlich, dass die Beitragspflicht auch dann eintrete, wenn ein Konsum von ORF-Angeboten nicht erfolge oder nicht möglich sei. Das Gesetz differenziere auch nicht nach den verschiedenen Empfangsformen.
Weiters würde die Beitragspflicht zu unsachlichen Belastungen führen. Ferner sei das Verfahren nach § 31 ORF-Gesetz zur Bestimmung der Höhe des Beitrages nicht eingehalten worden, und sei die ORF-Beitrags Service GmbH nicht zur Erlassung von Bescheiden legitimiert.
Meinungsfreiheit
Schließlich wird eingewandt, durch die Bestimmungen des ORF-Beitrags-Gesetzes 2024 werde in unzulässiger Weise in den Wettbewerb mit privaten Rundfunkbetreibern und in das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK) eingegriffen, und werde durch die Bestimmungen auch das Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 Datenschutzgesetz verletzt.
Der ORF-Beitrag wurde erst Anfang 2024 neu eingeführt und hat die alte GIS-Gebühr abgelöst. Notwendig machte diese Neuordnung der ORF-Finanzierung ein Erkenntnis des VfGH, das über Antrag des ORF zustande kam.
Der VfGH sah 2022 eine Ungleichbehandlung darin, dass die immer stärkere Nutzung von ORF-Online-Angeboten nicht unter die GIS-Pflicht fiel und nur TV- und Radio-Konsumenten zur Kasse gebeten wurden.
Mit der Haushaltsabgabe erhält der ORF nun 15,30 Euro monatlich und damit weniger als zuvor mit 18,59 Euro bei der GIS-Gebühr. Die Haushaltsabgabe soll nach den Plänen der neuen Dreier-Koalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS bis Ende 2029 eingefroren bleiben. Es soll also wie seit Einführung keine Inflationsanpassung geben. Entsprechend steht der ORF unter Einsparungsdruck.
Etwa 400.000 Haushalte sind ausgenommen vom ORF-Beitrag
Im Zuge der Einführung des Beitrags hat sich die finanzielle Belastung von gut 3 Millionen Vollzahler-Haushalten weiter reduziert, weil der Bund und einzelne Bundesländer auf bisher eingehobene Abgaben verzichtet haben. So fiel in Wien die Belastung für Vollzahler um 47 Prozent.
Vom ORF-Beitrag ausgenommen sind – anders als bei einer von der FPÖ favorisierten Budgetfinanzierung – sozial schwache Haushalte. Auch Studenten oder Lehrlinge (auch über 18) zahlen nichts. Das betrifft etwa 400.000 Haushalte. Den finanziellen Ausfall durch Befreiungen bekommt der ORF vom Bund nicht ersetzt - anders als etwa Telefongesellschaften. Auch Zweitwohnsitze zahlen nicht mehr.
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