Regierungspläne: Weißmann sieht "größtes Sparpaket" auf den ORF zurollen

Der ORF wurde von den deutschen Sparplänen erstaunlich kurzfristig informiert.
Zusammenfassung
- ORF-Chef Roland Weißmann sieht durch die geplante Nicht-Valorisierung der Haushaltsabgabe bis 2029 das größte Sparpaket für den ORF herannahen.
- Zusätzliche Einsparungen von 220 Millionen Euro werden nötig, was wohl zu Einschnitten beim Programm und Personal führen wird, um den wirtschaftlichen Herausforderungen zu begegnen.
- Die Regierung plant eine schnelle Reform der ORF-Gremien, wie vom Verfassungsgerichtshof verlang.
Der Plan der neuen Dreier-Koalition, dass der ORF den Beitrag über 2026 hinaus und bis 2029 nicht erhöhen darf, bringt in Summe „das größte Sparpaket, mit dem der ORF je konfrontiert war", erklärte Generaldirektor Roland Weißmann beim Publikumsrat am Donnerstag.
Zu den ohnehin laufenden Einsparungen, die heuer 88 Millionen und 2026 104 Millionen umfassen, kommt durch das Vorhaben der ÖVP-SPÖ-Neos-Regierung ein zusätzlicher Einsparungsbedarf von 220 Millionen dazu. „Wir werden jeden Stein einzeln umdrehen müssen", sagte Weißmann und sprach von einem „steinigen Weg", den der Öffentlich-Rechtliche vor sich habe.
Weil der ORF auch durch geplante weitere Werbeeinschränkungen einnahmenseitig kaum Spielräume haben wird, wird es wohl neben Restrukturierungs- und Personalabbaumaßnahmen vor allem kräftige Einschnitte beim Programm bis hin zu den Landesstudios geben müssen.
Trotz dieser (wirtschaftlichen) Vorgaben will Weißmann aber den Publikumserfolg der ORF-Angebote fortschreiben. Da hat man gerade einen Lauf, der einerseits Sportrechten wie der Ski- und der Nordischen WM, an deren Verlängerung aktuell gearbeitet wird, geschuldet ist. Aber auch die Information zieht in politisch turbulenten Zeiten beim Publikum.
Das Ergebnis dessen: Auf 34,2 Prozent Marktanteil für die ORF-TV-Flotte 2024 folgten 2025 zwei Rekorde - mit 40,6 Prozent verzeichnete das ORF-Fernsehen den besten Jänner-Marktanteil seit 15 Jahren, mit 39,7 Prozent den besten Februar-Wert seit elf Jahren. Die Live-Strecken im Zuge der Regierungsbildung brachten dann auch im März einen Schub.
Live aus dem Bierzelt
Kritische Nachfragen gab es im Publikumsrat allerdings zur Übertragung der Rede von FPÖ-Obmann Herbert Kickl zur besten Sendezeit zum Abbruch der Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP sowie zum Live-Stream vom blauen Aschermittwoch-Treffen. „Werden Bierzeltveranstaltungen auch von anderen übertragen?", fragte die stellvertretende Vorsitzende Andrea Danmayr. Der ORF-Chef verwies auf „journalistische Kriterien“.
Trotz großem Publikumszuspruch hat das Dauerfeuer der Kritik am ORF offenkundig Spuren hinterlassen. Das zeigte die am Donnerstag präsentierte neue Publikumsratsstudie zu „Anforderungen und Erwartungen des Publikums an die Berichterstattung zu Demokratie, Information und Bildung im ORF". Nur 54 Prozent attestieren darin dem Öffentlich-Rechtlichen, dass (sehr oder ziemlich) ausgewogen berichtet wird und unterschiedliche Meinungen Raum finden. „Das muss man sich sehr genau anschauen", regte Publikumsrat Andreas Kratschmar, der Vorsitzender des Programmausschusses ist, an.
Immerhin zwei Drittel der insgesamt gut 1.000 von Foresight befragten Personen meinten, dass der ORF (sehr oder ziemlich) umfassend und verlässlich über das aktuelle Geschehen in Österreich berichtet.
Fehlerquote bei ORF-Beitrag im „Promillebereich"
Weißmann räumte auf Nachfrage ein, dass es bei der Haushaltsabgabe „ein paar tausend Problemfälle“ etwa bei der Bescheid-Ausstellung gibt. Da sei aber in Relation zu den mehr als 4 Millionen betroffenen Haushalten zu sehen. „Jeder einzelne tut mir weh. Aber die Fehlerquote ist im Promillebereich", so Weißmann, der von einer insgesamt sehr guten Zahlungsmoral im Land sprach.
Das gilt im wesentlichen auch für die Unternehmen, die Beiträge zahlen. 243.000 davon würden einen oder zwei Beiträge entrichten müssen. Lediglich 82 Firmen sind von der Höchstabgabe in Höhe von 100 Beiträgen betroffen. „Ich verstehe, dass es hier Ärger gibt", sagte Weißmann. Er verwies aber auch darauf, dass man lediglich das Gesetz vollziehe. Er halte es hier wie immer, er richte weder dem Gesetzgeber noch dem Aufsichtsrates in der Öffentlichkeit etwas aus.
Gremienreform soll in Kürze erfolgen
Es könnte das letzte Mal gewesen sein, dass der Publikumsrat in dieser Zusammensetzung abgehalten wurde. Das Regierungsprogramm sieht eine fristgerechte Umsetzung jenes Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisses vor, das zu viel Gewicht der Regierung bei Bestellung von ORF-Stiftungsrat und -Publikumsrat feststellte. Bis Ende März muss eine Reparatur erfolgen.
Der Publikumsrat soll sich nach Ansicht der Regierung künftig aus 28 Personen zusammensetzen. 14 Mitglieder sollen von der Regierung (bisher 17 Personen vom Bundeskanzler bzw. Medienminister) bestimmt und weitere 14 Mitglieder (bisher 13) direkt von im Gesetz festgelegten Stellen - darunter diverse Kammern, Kirchen und Parteiakademien - bestellt werden. Dass darunter auch der Hauptverband der Sozialversicherungsträger sein soll, sorgte im Publikumsrat für Verwunderung.
Der Publikumsrat soll dann künftig neun - anstatt derzeit sechs - Personen aus den eigenen Reihen für den Stiftungsrat nominieren. Gleichzeitig soll die Bundesregierung künftig nur noch sechs - anstatt bisher neun - Personen in das oberste ORF-Gremium, das 35 Personen umfasst, entsenden dürfen.
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