kronehit-Neuzugang Georg Spatt: „Finde gewinnen lustiger, als Zweiter zu sein“
Schon wenige Monate nach dem überraschenden ORF-Abgang, hat Ex-Ö3-Chef Georg Spatt am 1. Dezember bei kronehit als Programmdirektor und „Kapitän“ der geplanten Senderflotte angedockt. Gut möglich wäre aber auch ganz anderes gewesen: „Ich hab sogar mit Tischlereien gesprochen.“ Es sei da einfach darum gegangen, Abstand zu gewinnen. Jetzt aber ist der „Radio-Fanatiker“ wieder mitten im Geschehen. Das Ziel bei kronehit definiert der Radio-Visionär im KURIER-Gespräch so: „Ich finde gewinnen lustiger, als Zweiter zu sein.“
In den vergangenen zwei Jahrzehnten der Parallelexistenz waren Ö3 und kronehit nicht gerade auf Kuschelkurs. „Aufgrund der Wettbewerbssituation davor ist diese Zusammenarbeit sicher ungewöhnlich“, räumt Geschäftsführer Mario Frühauf ein.
kronehit hat Gelegenheit genützt
Den Anfang machte Co-Chef Philipp König nach Spatts ORF-Ausstieg: „Ich habe da ein kurzes Mondfenster gesehen, mit ihm, der so viel über Radio weiß und ohne, dass er Mitbewerber ist, über medienpolitische Themen, die Rolle von Ö3 und auch von kronehit zu sprechen.“ Auf den Austausch folgten irgendwann im Sommer konkrete Gespräche über eine Zusammenarbeit. „Und ich finde es sehr spannend, das Spielfeld jetzt mal von der anderen Seite zu sehen“, sagt Spatt.
Zur nahe liegenden Frage nach einer Konkurrenzklausel erklärt er: „Der ORF und ich haben uns einvernehmlich getrennt und das im Sinne eines besten Einvernehmens.“ Und diese Klauseln seien ohnehin umstritten.
Vier neue digitale Radiossender geplant
Sein Job wird nun sein, wofür Spatt im ORF lang gekämpft hat: eine Senderflotte aufbauen und einer Strategie entlang führen. Zusätzlich zu kronehit und den vielen Webradios sind, so Frühauf, vier neue digital-terrestrische Radiosender geplant, „die mit der Marke kronehit nichts zu tun haben. Sie sollen völlig andere Zielgruppen ansprechen und neue Reichweiten bringen.“ So könne man auch in zehn Jahren wirtschaftlich erfolgreich Radio betreiben.
Spatt ist ohnehin überzeugt, dass lineares Radio als „Nebenbei-Medium“ Zukunft hat. Weshalb er sich leise Kritik nicht verkneift: „Während der letzten Jahre läuft diese Branche mit unglaublich viel Neugierde – was ich verstehe – und viel Freude, aber teils unter grober Missachtung der eigenen Stärken dem nächsten heißen Scheiß nach.“
Weder seien Podcasts etwas Neues noch das Streamen von Playlists, weiß der 56-Jährige: „Ich habe schon in den 1980er-Jahren Mixtapes aufgenommen, weil ich verliebt war oder auf eine Party gegangen bin – das schon waren Streams.“ Es habe aber nichts mit Radio zu tun. „Da geht es um so pathetisch klingende Dinge wie, dass Radio ein Programm mit Herz und Seele hat.“ Aus kommerziellen Gründen werde man natürlich bei kronehit über Synergien und verstärkte Verwertung nachdenken. „Aber ich bin ein Kämpfer und Propagandist für lineares Live-Radio“, so Spatt.
Spatt mag keine Ellbogen-Taktik
Sein Nachfolger bei Ö3, Michael Pauser, hat indes einiges am Programm verändert. „Natürlich freue ich mich auch, dass Dinge, die ich bis vor wenigen Monaten selbst verantwortet habe und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die ich verantwortlich war, und Ideen, die wir gemeinsam hatten, dass sich das alles weiterentwickelt“, sagt Spatt. „In meiner neuen Position kann ich wiederum sagen, ich verfolge das mit viel Interesse und es wird uns etwas einfallen.“
kronehit sei eine Erfolgsgeschichte, meint Spatt. „Wir sind bei Ö3 nicht nur einmal dagesessen und haben uns gedacht, was machen die da schon wieder?“. Den Erfolg will er nun fortschreiben: „Ich bin aber überhaupt kein Freund von Ellbogen-Taktik und überbordendem Ehrgeiz. Wenn man sich jedoch auf Wettbewerb einlässt, dann will man als Erster über die Ziellinie kommen.“
Fairness wäre gefragt
kronehit-Geschäftsführer König hat da „den vielleicht etwas frommen Wunsch“ nach fairem Wettbewerb. Denn er kennt auch Reaktionen des ORF mit „einer Machtdemonstration dank budgetärer Überlegenheit und Ausnutzen der gesamten Infrastruktur mit den TV-Kanälen und eigenen Onlinemedien.“ König: „Ich werde sehr, sehr genau beobachten, ob nicht die gelernte Reaktion folgt.“
Ohnehin hat kronehit ein schwelendes Thema mit Ö3: das Rausgedrängtwerden aus großen Events über unverhältnismäßigen Mitteleinsatz. Da „sind wir weit weg vom fairen Spiel und gleichen Regeln“, so König. Und auch das werde man genau beobachten, „erst recht, weil der neue ORF-Beitrag zum Tragen kommt.“ Denn die Debatte um das ORF-Gesetz sei noch nicht beendet. König: „Wenn es trotz der Ankündigungen des ORF nicht funktioniert, wird man auch hier wieder in die Diskussion gehen müssen.“
„Ich bin ein Verfechter, ein Kämpfer und ein Propagandist für lineares Live-Radio"
Neo-Programmdirektor Georg Spatt sowie die kronehit-Chefs Mario Frühauf und Philipp König im O-Ton-Interview.
Wie kam es zum ersten Kontakt zwischen Ihnen und kronehit? Es ist ja nicht das Naheliegendste, Ihr seid ja davor nicht auf Kuschelkurs gewesen – im Gegenteil.
Georg Spatt: Wir kennen einander ja sehr gut, ohne uns persönlich zu kennen. Ich habe mit Ö3 jahrelang einen intensiven Wettstreit mit kronehit gehabt. Der Sender hat eine sehr erfolgreiche Geschichte in den letzten 20 Jahren als österreichweiter Herausforderer von Ö3 geschrieben. Insofern kenne ich kronehit von der Outline sehr gut. Aber es stimmt, dass wir uns persönlich, außer von ein paar Gremiensitzungen, nicht kannten. Nachdem ich im Frühsommer bei Ö3 aufgehört, hatte ich gar keinen Plan für die Zukunft. Ich habe nur sehr schnell gemerkt, dass ich neugierig bin. Ich habe dann verschiedene Menschen getroffen aus der Kommunikationsbranche – Radio, Print, Internet. Ich habe sogar mit Tischlereien gesprochen, weil ich auch überlegt habe, Tischler zu werden.
Das ist schräg.
Georg Spatt: Es ging einfach darum, Abstand zu gewinnen. Also, wir wussten natürlich voneinander und durch andere Kollegen, die wir kennen, wussten wir auch, dass beidseits eine gewisse Neugierde da ist. Das hat im Sommer zu ein paar Gesprächen geführt, ohne dass da ein großer Masterplan dahinter gewesen wäre. Irgendwann haben wir begonnen, konkreter zu überlegen, ob wir nicht zusammenarbeiten wollen. Und ich finde, das Spielfeld jetzt mal von der anderen Seite zu sehen, sehr spannend.
Mario Frühauf: Aufgrund der Wettbewerbssituation davor ist diese Zusammenarbeit sicher ungewöhnlich. Meine Überlegung dabei war, dass Georg Spatt ein sehr großes Knowhow hat. Den Medien hatte ich auch mehrfach entnommen, dass es sein Wunsch wäre, eine Radio-Flotte aufzubauen und entlang einer Flotten-Strategie zu managen. Nach der Novelle des Privatradiogesetzes im Frühsommer, die wir gemeinsam mit dem Privatsender-Verband voranbringen konnte, hat sich für kronehit die Möglichkeit zum nächsten Schritt ergeben. Wir haben sehr schnell entschieden, dass wir vier neue Sender via DAB+ starten wollen. Und dann war da unsere Fantasie: Wenn es die Flottenstrategie bei den ORF-Radios nicht gibt, dann besteht vielleicht die Möglichkeit, Georg Spatt und sein großes Knowhow zu kronehit zu holen und gemeinsam etwas in diese Richtung zu entwickeln.
Philipp König: Innerhalb der Branche gibt es immer regen Austausch zu medienpolitischen Themen oder Marktthemen, aber man ist jeweils stets in der Position des Mitbewerbers. Dann habe ich gehört, dass Georg Spatt nach mehr als 20 Jahren Ö3 verlässt. Ich habe da ein kurzes Mondfenster, eine Chance gesehen, mit ihm, der so viel über Radio weiß und ohne, dass er in diesem Moment Mitbewerber ist, über medienpolitische Themen, über die Rolle von Ö3 und auch jene von kronehit zu sprechen. Das war damals tatsächlich die Intention. Ich war überzeugt, so eine Möglichkeit bietet sich nicht so schnell wieder. Aus diesem ersten Gespräch sind neue entstanden und ehrlicherweise ist dieses Engagement bei kronehit jetzt daraus gewachsen. Am Anfang war es also tatsächlich die Suche nach einem Austausch, ohne dass man sich als Mitbewerber gegenübersteht.
Was mich verwundert: Gab es in Ihrem ORF-Vertrag keine Konkurrenz-Klausel, Herr Spatt?
Georg Spatt: Dazu gibt es zwei Antworten. Die eine ist: Der ORF und ich haben uns einvernehmlich getrennt und das im Sinne eines besten Einvernehmens. Wir hatten ja sehr, sehr viele, sehr gute Jahre miteinander gehabt. Es gab daher von beiden Seiten kein Interesse, dass wir uns bei der Trennung gegenseitig das Leben unnötig schwer machen. Der zweite Aspekt ist: Diese so sogenannte Konkurrenzklausel ist ohnehin äußerst umstritten unter Menschen, die sich damit auskennen. Sie war also nur insofern ein Thema, als dass wir vereinbart haben, dass es die nicht gibt.
Wie „Flotten-Kapitän“ Georg Spatt an kronehit herangeht
In der kronehit-Aussendung stand, dass Sie, Herr Spatt, auf den Sender zugekommen sind. Ich mutmaße, dass im Hintergrund der Gedanke zu beraten war. Jetzt sind Sie hier „Flotten-Kapitän“. Also, welche Schwachpunkte hatten Sie den ausgemacht?
Georg Spatt: Am Anfang war es, wie bereits gesagt, diese gegenseitige Neugierde und das Interesse an einem Austausch. Wir haben dann sogar kurz über Beratung gesprochen. Ich habe damals gemeint, dass ich in einer Orientierungsphase bin und noch gar nicht weiß, wohin es mich zieht. Eines ist für mich aber schon klar gewesen: Dass ich etwas ganz machen will, die Verantwortung dafür haben und auch zu einem Team dazugehören will. Wenn sich das irgendwie kombinieren lässt mit Beratung, dann treffen wir uns halt wieder, so war meine Meinung zunächst. Dann kam aber sehr schnell von beiden Seiten die Idee auf, das ganz anders aufzusetzen.
Und die Schwachstellen?
Georg Spatt: Da bitte ich um Verständnis, ich habe bei kronehit noch nicht einmal angefangen. Deshalb möchte ich noch nicht im Detail drüber sprechen, was so meine Meinungen zum kronehit-Programm sind. Eines kann ich aber sagen, auch wenn das nicht Ihre Schlagzeile liefert: kronehit ist eine Erfolgsgeschichte.
Wie werden Sie es angehen?
Georg Spatt: Die nächsten Tage stehen im Zeichen des Kennenlernens und des Austauschs im Sender. Ich kenne kronehit von der Outlinie und natürlich interessiert mich jetzt, wie wurde das in der Kabine besprochen, wie kam es zu dieser Mannschaftsaufstellung, wie kam es zu dieser Taktik, die ja, wie gesagt, sehr erfolgreich ist. Wir sind bei Ö3 nicht nur einmal dagesessen und haben uns gedacht, was machen die da schon wieder? kronehit hat uns schon sehr stark beschäftigt. Auch aus dem heraus gibt es natürlich ein paar Dinge, die ich hinterfragen und verstehen will und bei denen man dann wahrscheinlich sehr schnell in eine Diskussion kommt. Und dann werden wir hoffentlich - da bin ich sehr optimistisch - zu gemeinsamen, neuen und guten Ideen kommen, die kronehit weiterbringen.
kronehit wird also vier Sender im digital-terrestrischen Standard DAB+ starten. Was ist der strategische Hintergrund dazu, dass man jetzt doch mit mehr Animo in diese Zwischentechnologie reingeht?
Mario Frühauf: Das strategische Hintergrund ist, dass wir uns breiter aufstellen können. Ein Sender wie kronehit, der tendenziell jüngere Zielgruppen anspricht, ist durch verschiedene Plattformen und Veränderungen in den Nutzungsgewohnheiten schon sehr gefordert. Durch die Gesetzesänderung können wir jetzt endlich diese Fesseln in unserer Single-Brand-Strategie ablegen. Unsere Zielsetzung ist nun, mit den DAB+-Sendern ganz gezielt Kanäle in die Welt zu setzen, die mit der Marke kronehit nichts zu tun haben. Sie werden völlig andere Zielgruppen ansprechen und so orchestriert sein, dass das eine das andere ergänzt und sich nicht innerhalb der Sender-Flotte von kronehit konkurrenziert. Damit sollen mittel- und langfristig neue Zielgruppen erschlossen und neue Reichweiten aufgebaut werden. Das wird dafür sorgen, dass wir wirtschaftlich erfolgreich auch in zehn Jahren noch Radio betreiben.
Der Blick von kronehit geht bei der Technologie ja bereits darüber hinaus in Richtung 5G Broadcast?
Philipp König: Die neue Bestimmung im novellierten Privatrundfunkgesetz ist technologieneutral gehalten. Das heißt nicht nur für uns: Es geht immer um die Marke und so agieren wir. Insofern ist die Übertragungstechnologie letztlich zweitrangig. Wahrscheinlich wird es irgendwann völlig egal sein, ob unsere Programme über DAB+ oder 5G Broadcast ausgestrahlt werden oder über unsere digitalen Kanäle.
Wie schaut der Weg dorthin aus, wie ist der Zeitlauf zu den vier Kanälen von kronehit?
Philipp König: Die ORF-Sendertochter ORS bemüht sich derzeit um die Zulassung von zwei Multiplexer bei der KommAustria, dieses Verfahren läuft. Die ORS hat sich mit Programm-Bouquets beworben, in denen wir mit jeweils zwei Sendern vertreten sind. kronehit muss sich parallel zu diesem Ausschreibungsverfahren um die Programmzulassung bewerben. Das wird zeitnah geschehen. Wir rechnen mit einer Zulassung für die ORS Anfang des nächsten Jahres. Ein Sendestart ist von der ORS mit Juni vorgesehen, das wird mit Stand heute auch mit allen Bestellvorgängen und Implementierungen im Vorfeld zu halten sein.
Was lineares Radio heute noch relevant macht
Was kann man hier programmlich erwarten und wie relevant ist lineares Radio heute noch in Zeiten von Playlists, Musikstreaming und Webradios, die es ja auch bei kronehit mehrfach gibt?
Georg Spatt: Das ist ein bestimmendes Thema, das sich durch unsere Gespräche während der letzten Wochen wie ein roter Faden zieht. Ich bin, das ist bekannt, Radiofanatiker. Das ist in Zeiten wie diesen teilweise gar nicht so einfach, weil man sehr, sehr schnell als Nostalgiker milde belächelt wird - ich halte das für einen kompletten Unsinn. Das Radio als lineares Livemedium, egal über welchen Vertriebsweg, ist enorm stark. Lineares Radio ist, das zeigen alle Studien, überall sehr, sehr stark und in Österreich traditionell noch einmal stärker. Es hat auch in den letzten Jahren durch die Digitalisierung nicht besonders gelitten.
Es ist aber sehr viel mehr die Rede vom Streaming als von linearen Radios.
Georg Spatt: In der Medienbranche gefallen wir uns teilweise auf der einen Seite schon sehr darin, Schreckensszenarien an die Wand zu werfen. Auf der anderen Seite neigen wir dazu - durchaus aus einer gewissen Neugierde heraus und einem Forschergeist, was ich verstehe und auch teile -, der nächsten Innovation nachzuhelfen. Aber egal, ob ich jetzt über kronehit rede, über das also, was wir kennen oder über die Radiosender, an denen wir arbeiten werden, bei all dem geht es um den USP von Radio, das Programm. Das ist aber ganz etwas anderes, als einen Musikstream anzuhören. Ich habe mir in den 1980er-Jahren schon Mixtapes aufgenommen, weil ich verliebt war, weil ich unglücklich war, weil ich auf eine Party gegangen bin usw. - das schon waren Streams.
Was unterscheidet Stream und Radio für Sie?
Georg Spatt: Da geht es um so pathetisch klingende Dinge wie, dass Radio ein Programm mit Herz und Seele hat. Es geht um Aktualität - ich bin ein großer Fan von Topicality – und um Stimmungen. Das ist etwas, worin das Radio sehr gut ist, wenn es sich bekennt, ein Nebenbei-Medium zu sein. Dem steht nur manchmal unser Ego im Weg. Ich kenn das, ich komme ja ursprünglich auch aus diesem System Content-Produktion, früher Journalismus genannt. Ich bin aber schon längst darüber hinweg. Für mich ist das eine eigene Disziplin geworden. Die da heißt: Wir sind die, die unkompliziert, praktisch immer verfügbar, ein sehr, sehr angenehme Atmosphäre erzeugen für die jeweiligen Zielgruppen und das in guter Qualität, mit guten Ideen, mit guten Charakters. Das macht Radio zu einem sympathischen Ding ähnlich wie eine schöne Einrichtung in einer Wohnung oder wie Gewand, das einem in dem Moment entspricht. kronehit ist ein Radio, das einen im Alltag begleitet, in der Stimmung unterstützt, teilweise unterhält, kurz informiert und am Laufenden hält. Das gilt dann auch für die weiteren Kanäle von kronehit, die, für andere Zielgruppen, an den Start gehen werden.
Also ein glühendes Bekenntnis zum Radio weiterhin.
Georg Spatt: Während der letzten Jahre läuft diese Branche mit unglaublich viel Neugierde - was ich verstehe- und Freude - was ich auch verstehe -, aber teils unter grober Missachtung der eigenen Stärken dem nächsten heißen Scheiß nach. Aber man denkt nicht mehr nach. Ein Beispiel: Podcast und lineares Radio - bis auf den Umstand, dass es Audiomedien sind, hat das nichts miteinander zu tun. Und auch wenn ich mich wiederhole: Auch Musikstream und Radio haben nichts miteinander zu tun, außer dass Musik läuft. Und das eine wie das andere ist nicht einmal besonders neu – auch schon in den 1970er und 80er-Jahren gab es Tonbandkassetten von „Wickie und die starken Männer“. Das hat man halt noch nicht Podcast genannt. Also Hörbücher, Hörspiele etc. gab es immer schon und ich finde ja auch Podcasts total super. Sicherlich werden wir bei kronehit das alles machen bzw. ausbauen. Mir ist ja auch völlig klar, dass wir auch aus Vermarktungssicht und aus kommerziellen Überlegungen natürlich überlegen müssen, wo Synergien stattfinden können und Verwertung verstärkt werden kann. Aber ich bin, darin sehe ich meine Hauptaufgabe auch in unserer Aufstellung, ein Verfechter, ein Kämpfer und ein Propagandist für lineares Live-Radio.
Welche Rolle KI bei kronehit spielen soll
Wie passt das zu den Überlegungen etwa zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei kronehit?
Mario Frühauf: Da muss man unterscheiden zwischen der Produktion von Radio einerseits und andererseits den Inhalten, die die Hörer erreichen. KI kann beispielsweise sehr viele Synergien schaffen, etwa bei der Musikplanung. Da gibt es zahlreiche Tools und Möglichkeiten. Wenn wir vier Kanäle neu starten, bräuchten wir überall eine Musikredaktion. Wir werden auch noch zu jedem DAB+-Kanal diverse Web-Channels bauen, die bespielt werden müssen. Das wäre allein mit Menschenhand gar nicht mehr zu schaffen. Da hilft KI, die die Musik-Parametrisierung durchführt und unterstützt. Und das zweite ist natürlich, dass die DAB+-Kanäle in unseren Überlegungen ja auch anders produziert werden müssen. Wir werden also bei einem DAB+- Kanal nicht das gleiche nachbauen, was wir bei kronehit haben und ihn mit 80 oder 90 Mitarbeitern betreiben. Das wäre wirtschaftlich nicht darstellbar. Diese Kanäle werden vielmehr spezielle, spitze Produkte sein, die geringere Reichweiten erzielen. Das heißt, wir müssen wirtschaftlich sehr vorsichtig agieren. KI eröffnet da tolle Möglichkeiten etwa im Bereich Text-to-Speech – beispielsweise können Moderatoren auch dezentral von zu Hause aus die Moderation aufnehmen, die sie dann in die KI schicken, die das so ausproduziert, dass es Studio-Qualität hat, was man eben in der Heimsituation nicht erzielen kann. Damit bekommen Endkonsumenten ein perfektes, vom Menschen produziertes Produkt. Das ist eine unserer Überlegungen. Wir haben aber sicher nicht vor, reine KI-Kanäle zu machen. Davon halte ich nichts, da bin ich ganz bei Georg Spatt: Radio machen Menschen für Menschen.
Wie geht es Ihnen mit diesen Überlegungen zu KI und Co.?
Georg Spatt: Ich kann, weil ich erst frisch dazukomme und ganz ohne Schleimerei sagen: Was ich hier bei kronehit nach den ersten Kontakten schon besonders bei diesem Thema vorfinde, ist ein echter Start-up-Spirit. Das ist jetzt aber nicht als unnötige, irgendwie komische Kritik an anderen zu verstehen. Ich bin tatsächlich begeistert, mit wie viel Freude und Smartness in einer im Vergleich zum ORF relativ kleinen Organisationsstruktur solche Themen bei kronehit vorangetrieben werden. Da merkt man auch, dass Konkurrenz viel ausmacht hinsichtlich Unternehmenskultur, Innovationsgeist und auch Freude diesbezüglich. Es ist uns bei Ö3 immer wieder aufgefallen, dass man bei kronehit relativ unangenehm schnell ist und solche Sachen aufstellt und ausprobiert, zum Beispiel auf ihrer App. Da war und ist kronehit – auch wegen der rechtlichen Rahmenbedingungen, aber nicht nur - wahnsinnig weit vorne. Ob dann immer alles gut funktioniert und sich durchsetzt, ist ja bei all dem am Anfang nie gewiss. Aber diese Freude, Dinge auszuprobieren, die ist beeindruckend. Da kann ich viel lernen. Ich komme da ja aus einem Biotop, wo wir das nicht so auf dem Radar hatten. Das ist sowohl den rechtlichen Rahmenbedingungen geschuldet als auch einer gewissen Größe und der damit verbundenen Lässigkeit, um es mal so auszudrücken.
Ö3 hat unter ihrem, ihnen gut bekannten Nachfolger Michael Pauser erhebliche programmliche Veränderungen vorgenommen? Wieweit waren sie da im Vorfeld ihres Abgangs dort noch involviert?
Georg Spatt: Ich kenne diese Schritte zum Beispiel aus dem KURIER, weil ich dort davon gelesen habe. Ich bin noch zu wenig lang weg, als dass ich mir hier über diese Maßnahmen jetzt ein Urteil bilden will. Das ist jetzt eine schwierige Situation, denn natürlich freue ich mich auch, dass Dinge, die ich bis vor wenigen Monaten selbst verantwortet habe und auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die ich verantwortlich war, und Ideen, die wir gemeinsam hatten, dass sich das jetzt alles weiterentwickelt. Aus meiner neuen Position heraus kann ich wiederum auch sagen, ich verfolge das mit viel Interesse und es wird uns hier etwas einfallen.
Ein Privatradio erhebt den Führungsanspruch am Markt
Man sagt ja gern und polemisch, Ö3 sei das beste Privat-Radio Österreichs. Gibt es nun den Anspruch von kronehit, linear aufzuholen oder Ö3 zu überholen? Was sind die Zielsetzungen von kronehit in dieser neuen Führungskonstellation?
Mario Frühauf: Die Zielsetzung ist natürlich zu wachsen. Wenn man sich den Markt anschaut und wo man Wachstum generieren kann, dann gilt der Blick meist dem, der die höchste Reichweite hat. Es ist ja auch so, dass wir in den letzten 20 Jahren gerade in jüngeren Zielgruppen bereits sukzessive Hörer von Ö3 gewinnen konnten. Und es ist natürlich unser Anspruch, auch in weiterer Folge mit unserer gesamten Flotte vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk - hier beziehe ich die Regionalsender wie auch FM4 mit ein - Reichweite zu kronehit und den Privaten zu holen.
Georg Spatt: Ich tu mir vielleicht insofern leichter, weil ich es dann nicht, so wie die beiden Herren neben mir, verantworten muss: Ich finde gewinnen lustiger, als Zweiter zu sein. Mein spielerischer Ehrgeiz geht eindeutig in diese Richtung. Ich sage auch gleich dazu, ich bin überhaupt kein Freund von Ellbogen-Taktik und überbordendem Ehrgeiz. Aber wenn man sich auf Wettbewerb einlässt, dann will man als Erster über die Ziellinie kommen. Ist das vermessen? Nein. Wie schnell das passieren kann, da ist jetzt ein bisschen früh, darüber zu spekulieren. Da will ich auch zuerst mit dem Team, den Kolleginnen und Kollegen diskutieren, da ist auch noch die Frage nach Zielgruppen und in welchen Segmenten. Aber prinzipiell ist das nicht so kompliziert: Man schaut sich den Markt an und überlegt, wo kann kronehit Menschen mit dem Produkt und dem Programm, für das wir hier stehen und worin unsere Kompetenz liegt, erreichen? Das heißt, wir suchen natürlich Marktteile, die wir erfolgreich ansprechen können. Erwähnt wurde schon die sehr junge Zielgruppe. Da ist kronehit ein sehr großer Player, über die letzten Jahre immer wieder sehr unangenehm für Ö3 gewesen. Und ich bin mir sehr sicher, dass wir bei kronehit weitere Publikumssegmente und Zielgruppen finden werden, die wir ansprechen können.
Philipp König: Natürlich ist der Ehrgeiz da zu sagen, wir treten aus der Rolle des Zweiten heraus. Mein vielleicht ein bisschen frommer Wunsch ist – um die sportlichen Analogie fortzusetzen -, dass das auch stets zu fairen Bedingungen passiert. Jetzt kenne ich Reaktionen des Öffentlich-Rechtlichen, die ich in der Vergangenheit selbst mitbekommen habe und da meine ich gar nicht bei Ö3, sondern über den Konzern hinweg. Das war dann nicht so, dass man sagte, okay, wir akzeptieren den sportlichen Wettkampf, sondern der Wettstreit beginnt dann punktuell mit einer Machtdemonstration dank budgetärer Überlegenheit, Ausnutzen der gesamten Infrastruktur mit den Fernsehkanälen und den eigenen Onlinemedien. Demgegenüber ist kronehit: ein Radiosender. Es wird also in nächster Zeit sehr interessant zu beobachten, ob es ein sehr spannender, aber sportlich fairer Wettbewerb zwischen zwei Mitbewerbern bleibt, worüber ich mich freuen würde. Und ich werde sehr, sehr genau beobachten, ob nicht die gelernte Reaktion folgt, und der ORF mit anderen Mitteln eingreift - ich liebe den sportlichen Wettbewerb, aber er muss fair bleiben.
Georg Spatt: Und es muss auf dem gleichen Spielfeld stattfinden. Ö3 und kronehit sind Sender, die sich in manchen Bereichen ähneln. Und hier wollen wir nach gleichen Spielregeln gegeneinander spielen und hoffentlich das Publikum begeistern. Wenn wir aber zum Beispiel Flotten-Strategien gegenüberstellen wollten, dann muss man auf gewisse Unterschiede hinweisen. Nur weil beides Radio ist und beides Flotte genannt wird, hat das nicht miteinander zu tun. kronehit und die weiteren zukünftigen Sender haben eine ganz andere Aufgabenstellung, als die des ORF haben sollten.
kronehit und Ö3 auf der Blutwiese
Ein Teil dieses Spielfelds scheint mir schon jetzt eine kleine Blutwiese zu sein: Ö3 hat angekündigt stärker rausgehen zu wollen, mehr Austausch mit dem Publikum haben zu wollen, bei mehr bei Events vertreten zu sein. Gerade letzteres muss bei kronehit die Alarmglocken schrillen lassen? Dass Ö3 immer wieder versucht, kronehit auszubooten, ist ja bekannt.
Philipp König: Wenn wir von gleichen Spielregeln und Fairness sprechen, dann bedarf da noch eines Zusatzes. Denn Ö3 ist Teil einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt und unterliegt damit in seiner Gesamtheit der Prüfung des Rechnungshofs und somit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Effizienz in der Verwaltung. Das ist eine Maxime, die sich eigentlich durch alle Aktivitäten bei Ö3 und beim ORF insgesamt ziehen sollte. Kronehit ist als stärkster Mitbewerber da ein guter Gradmesser, was Radio betrifft. Aus rein wirtschaftlich getriebenen Gründen würden wir nie etwas machen, bei dem die unternehmerische Vorsicht sagt, das ist nicht mehr darstellbar. Wenn aber Mittel eingesetzt werden, die weit über dem liegen, damit Mitbewerber bei Events nicht zum Zug kommen, dann ist das weit weg vom fairen Spiel und von gleichen Regeln. Das ist nun genau zu beobachten, erst recht, weil der neue ORF-Beitrag zum Tragen kommt. Wie bekannt, geht ja die Debatte um das ORF-Gesetz in eine weitere Runde. Es stehen Wahlen vor der Tür. Wenn also das faire Spiel am Medienstandort Österreich allen Ankündigungen des ORF zum Trotz nicht funktioniert, wird man auch hier wieder in die Diskussion gehen müssen. Wir beobachten das öffentlich-rechtliche Agieren hier sehr genau.
Apropos Medienstandort: Soeben hat der Verband Österreichischer Privatsender erneut einen Hilferuf gestartet. Man sieht sich in dieser schwierigen wirtschaftlichen Situation, die durch Inflation und Werbeeinbruch gekennzeichnet ist, von der Regierung krass benachteiligt.
Mario Frühauf: Es ist im Grunde ganz einfach - wenn die Regierung dem Öffentlich-Rechtlichen mehr Geld und mehr Handlungsspielraum zur Verfügung stellt, muss es vollkommen logisch sein, dass auch die Fördertöpfe für die privaten Rundfunksender entsprechend erhöht werden. Das ist im Prinzip die Kernforderung und wir sind guter Hoffnung, dass das verstanden und passieren wird. Der Topf für den Privatrundfunk ist mit 20 Millionen dotiert und seit fünf Jahren nicht angehoben worden. Nicht einmal eine Valorisierung hat stattgefunden. Wenn wir die Inflation der letzten zwei Jahre hernehmen, ist das schon ein massiver Verlust. Hinzu kommt, dass es immer mehr Marktteilnehmer gibt, die förderberechtigt sind. Wenn das duale Rundfunksystem, das von der Politik so gern beschworen wird, in der Realität weiter existieren soll, muss man analog zum ORF auch bei den Privatsendern nachziehen.
Der ORF verweist aber darauf, dass er gerade im Radiobereich ab 2024 stärkere Werbebeschränkungen hat, er also hier nicht wenig Geld verliert.
Mario Frühauf: Die Millionen, die dort weggehen, haben nichts bis wenig mit den Werbezeiten-Beschränkungen zu tun. Der Grund ist viel einfacher und liegt darin, dass die Reichweiten der öffentlich-rechtlichen Radios und allen voran Ö3 in Richtung Privatradios gewandert sind und der österreichische Werbemarkt darauf reagiert.
Herr Spatt, freuen sich darauf, dass Sie sich jetzt nicht mehr rechtfertigen müssen, wenn sie wenig österreichische Musik spielen? Und wie halten Sie es künftig damit?
Georg Spatt: Ich möchte zuvor noch einen Schritt zurückgehen. Wenn wir vom Wettbewerb reden, dann läuft das Match von kronehit nicht nur gegen den ORF, sondern ich habe auch eines mit den privaten Mitbewerbern. Es geht auf diesem Spielfeld darum, dass kronehit ein Programm und in Zukunft ein Programmbouquet bietet, bei dem die Leute sagen, das mag ich, das ist mein Hoodie, das ist mein Sneaker, den ich mir heute anziehe, denn mit dem fühle ich mich wohl, das ist genau meins. Und genau das ist mein Anspruch, mit dem ich an diese Sache hier herangehe. Und deshalb ist auch die österreichische Musik ein Thema, das mich auch weiter begleiten wird und gern weiter begleiten wird. Österreichische Musik ist natürlich für jeden Radioanbieter hierzulande ein Thema und muss es auch sein. Ich gebe zu, dass ich nicht unglücklich darüber bin, mit kronehit sicher nicht den Reibebaum abgeben zu müssen, den Ö3 in den letzten 25 Jahren bei diesem Thema abgegeben hat. Umso mehr ist es nun vielleicht interessant, zu schauen, ob und wo denn darin eine Chance liegt. Es ist nämlich gar nicht gesagt, dass uns hier in diesem Team nicht das eine oder andere dazu einfällt. Hier bei kronehit haben wir viele Ideen.
Danke für das Gespräch.
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