Der neue Ö3-Chef Michael Pauser sitzt an einer zentralen Stelle des ORF: Um Ö3 herum gruppiert sich die Radio-Flottenstrategie des Hauses. Der Sender erreicht Tag für Tag ein immenses Publikum – und ist dank großer Werbeeinnahmen ein wichtiger finanzieller Faktor am Küniglberg (und ein Reibepunkt für die Privatradiosender, die Ö3 zu kommerziell finden).
Mit September hat Pauser, seit 1990 beim ORF (die allermeiste Zeit bei Ö3, zuletzt Büroleiter der Direktion für Technik), die Leitung vom langjährigen Chef Georg Spatt übernommen.
Pauser muss den Formatradiosender durch nicht mehr ganz so ruhige Gewässer führen: Im ORF ist in der Radio-Strategie einiges in Bewegung, beim Radiotest gab Ö3 etwas nach, und mit Werbeeinnahmen hat es die ganze Medienbranche schwierig.
Michael Pauser: Ö3 wird dem Publikum in Zukunft auf vielfältige Art entgegenkommen – nicht nur im Radio. Dort plane ich eine Schemareform noch vor Jahresende, die erst einmal zwei größere Änderungen bringt: Es wird in Zukunft mehr „Ö3-Wecker“ geben. Wir wissen, dass zwischen 4 und 5 Uhr in Österreich eine Million Menschen aufstehen. Die wollen wir mir einem „Wecker“-Frühstart unterstützen und motivieren. Und wir werden in Zukunft viel mehr diskutieren. So, wie auf die Marke „Wecker“, werden wir mehr auf die Marke „Frag das ganze Land“ setzen – und mit einem „Frag das ganze Land Night Talk“ gesellschaftliche Themen abhandeln. Da geht es um Fragen der jungen Generation, etwa „Will ich 100 % arbeiten?“ oder „Kann ich es mir leisten, alleine zu wohnen?“
Das ist eine Reaktion darauf, dass die Ö3-Hörerstruktur inzwischen zu alt ist?
Wenn man sich anschaut, dass der Durchschnitt der Ö3-Hörer pro Jahr nicht ein Jahr, sondern wesentlich weniger als ein Jahr älter geworden ist, dann gibt es zwar eine grobe Entwicklung. Es zeigt aber auch, dass Ö3 diesen Schritt der Verjüngung immer wieder geschafft hat, jüngere Hörer hereinzuholen und ältere an die Regionalradios weiterzugeben. Man könnte sagen: Gar keine so schlechte Flottenstrategie. Aber natürlich wird einiges getan, deshalb wollen wir in die Lebenswelt möglichst vieler Österreicherinnen und Österreicher vordringen. Ö3 wird so viel unterwegs sein wie noch nie, zehn Prozent mehr Veranstaltungen machen. Denn Menschen mit 13, 14 Jahren sagen nicht einfach: Jetzt höre ich Ö3, obwohl ich es nicht kenne. Ich hätte am liebsten, dass wir jedem Menschen in Österreich einmal im Jahr persönlich die Hand schütteln können.
Zuletzt hat Ö3 aber weniger Hände geschüttelt – der Marktanteil ging von 40 auf 36 Prozent zurück.
Aber es waren trotzdem mehr Menschen! Das ist eigentlich eine großartige Nachricht für die österreichischen Radios: Es hören mehr Menschen Radio.
Für die Werbewirtschaft war der geringere Marktanteil von Ö3 aber wohl eine schlechte Nachricht.
Dass das Werbegeld insgesamt nicht mehr wird und lieber ins Internet oder über Werbefenster nach Deutschland fließt, ist für den Medienmarkt Österreich – egal, ob Radios oder Zeitungen – auf lange Sicht keine gute Nachricht.
Aber auch ORF-intern waren das keine guten Nachrichten, Ö3 ist die Cash Cow des Konzerns, oder?
Ö3 trägt zwischen einem Viertel und einem Drittel des Werbeumsatzes bei. Das hat sich auch nicht geändert und wird sich auch im nächsten Jahr nicht ändern.
Ö3
ist der größte Radiosender Österreichs. Marktanteil liegt bei rund 36 Prozent, die absolute Zahl der Hörer stieg aber. Der ORF-Sender steht in der Kritik vonseiten der Privatradios. Sie finden, dass das Angebot von Ö3 zu kommerziell und nicht öffentlich-rechtlich ist
Umgezogen
Der zuletzt in Heiligenstadt beheimatete Sender logiert nun auch am Küniglberg. Obwohl Ö3 mehr als ein halbes Jahrhundert alt ist (gegründet 1967), gab man den neuen Räumen dezidiertes Start-up-Feeling mit offenen Gemeinschaftsarbeitsräumen, einsehbaren Studios und großen Fenstern
Auch, weil die Werbeeinnahmen in Relation zum Budget beim ORF insgesamt zurückgehen.
Ob das so ist, ist nicht meine Zuständigkeit. Aber Ö3 ist für die Österreicherinnen und Österreicher eine verlässliche Marke und ist es auch der Werbewirtschaft gegenüber, das sieht man an den Kooperationsanfragen.
Da gibt es auch Kritik: Das Werbegeld fehlt jenen Sendern, die sich privat finanzieren. Muss der ORF so viel Geld aus dem Markt ziehen – trotz mehr Gebührengeld durch die Haushaltsabgabe? Da könnte man doch sagen, man beschränkt die Werbeeinnahmen, und der Rest fließt an die Privaten.
Das sind spannende gesellschaftspolitische Fragen, die durch die Geschäftsführung und die Politik zu beantworten sind und nicht durch den Ö3-Chef, dessen Aufgabe es ist, die gut geführte Marke weiterhin auf hoher Reiseflughöhe zu halten, und der das mit Begeisterung machen möchte. Wir haben viele Ideen und viele Gedanken, die wir umsetzen wollen.
Was für Gedanken haben Sie denn zur österreichischen Musik? Die Kritik lautet, dass Ö3 zu wenig davon spielt. Wird es da mehr geben – und vor allem von Bands, die nicht anderswo bereits berühmt gemacht wurden?
Ich höre sehr gerne österreichische Musik. Musik generell spielt ja zum Glück im Leben von so gut wie allen Menschen eine bedeutende Rolle. Aber zu welchem Konzert ich gehe, welche Playlist ich mir zusammenstelle und welche Musik ich im Radio hören möchte, das ist unterschiedlich, weil die Funktion der Nutzung eine unterschiedliche ist. Ö3 möchte der beste Begleiter durch den Alltag sein, den es gibt. Und beim Begleiten braucht es teilweise andere Musik als beim aktiv Zuhören.
Das ist nicht österreichische Musik?
Für die Nähe zur österreichischen Musik haben wir in den letzten zwei Jahren wirklich viel gemacht. Das Verhältnis, das ja oft auch kritisiert wurde, hat sich wesentlich gebessert. Wir werden auch viel machen, zum Beispiel öfter Studio Sessions anbieten. Ö3 muss ein Ort sein, wo österreichische Musikerinnen und Musiker regelmäßig gerne und sehr wertgeschätzt zu Gast sind.
Aber nicht vermehrt im Radio gespielt werden?
In den letzten zwei Jahren wurde der Anteil österreichischer Musik kontinuierlich angehoben. Wir sind, obwohl sie abgelaufen ist, noch immer im Rahmen der Selbstverpflichtung.
Heutige Kinder wachsen in einem ganz anderen Medienumfeld auf. Wie will man die Hörer der Zukunft fürs Radio begeistern?
Wir müssen ihnen vermitteln: Bei uns hast du auf Knopfdruck alles, was du emotional brauchst. Du bist nicht allein, du hast Gesellschaft. Du hast Musik, die dich emotional unterstützt. Du hast Menschen, die dich motivieren und informieren, wenn irgendwas Wichtiges passiert. Wir sagen: Achtung, jetzt haben wir für dich aufgepasst, das musst du wissen. Das ist doch super.
Das wäre dann wohl auch das Argument in der Debatte um den öffentlich-rechtlichen Mehrwert von Ö3, der ja regelmäßig angezweifelt wird, oder?
Dass wir dem Auftrag entsprechen, wurde ja bereits gerichtlich geklärt. Wir wollen mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln nach bestem Wissen und Gewissen etwas für die Gesellschaft beitragen und möglichst viele Menschen damit erreichen. Dass das immer wieder kommt, ist fast wie ein Running Gag. Denn natürlich ist Ö3 zutiefst öffentlich-rechtlich.
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