Herbert Kloiber bei Roland Emmerichs erstem Streaming-Projekt an Bord
„Es gibt viele Projekte, die hereinkommen. Die Frage für mich ist ja eher, welches ist eine Sünde wert“, sagt der frühere, langjährige Tele München-Eigner Herbert Kloiber (74).
So gesehen steht ihm ein gehöriger Sündenfall mit der gemeinsam mit der Constantin Film im Sommer 2021 gegründete High End Productions bevor: „TATD“, das erste Projekt von Star-Regisseur Roland Emmerich („Moonfall“, „Independence Day“) für Streaming-Plattformen bzw. TV.
Die Details zur Zehn-Stunden-Serie sollen in einigen Wochen von der deutschen Hollywood-Legende selbst bekannt gegeben werden. „Es hat alles, was man von Emmerich erwartet“, verspricht Kloiber. Mega-Budget inklusive. Die Wiener High End Productions, Teil eines Finanz-Konsortiums bei „TATD“, wird also ihrem Namen gerecht. Das Kürzel steht übrigens für „Those about to die“ – „Morituri te salutant“. Assoziationen mit Filmen von „Ben Hur“ bis „Gladiator“ liegen da nahe und „sind nicht falsch.“
Spektakel
Das zu erwartende Spektakel am Bildschirm hat in den USA bereits die großen Streamer auf den Plan gerufen, erstaunliche Summen inklusive, wie Kloiber erzählt. „Das zeigt auch, wie viel Geld in diesem Bereich weiterhin in der Pipeline ist.“ In Europa und im deutschsprachigen Raum ist man noch nicht festgelegt. Hier kann sich der gebürtige Wiener „TATD“ genauso gut bei einem der großen Privat-Sender und deren Plattformen vorstellen.
Gedreht werden soll 2024 - wo, das ist noch offen. Da geht es einerseits um Fördermittel und Tax-Incentives. „Ein großes Thema für eine US-amerikanische Schauspieler-Riege ist derzeit natürlich auch der Krieg in der Ukraine. Südosteuropa liegt für die ja quasi an der Front und da wollen sie nicht für einige Monate hin.“ Dazu kommt als Problemstellung die Hochkonjunktur der Film-Branche. „Die Gewerke wie Bühnenbild, Kostüm etc. sind bis zum Sankt Nimmerleinstag ausgebucht.“ Aber es gibt ja Mittel und damit Wege.
Weit gediehen ist indes das erste Projekt von High End Productions, „Maximilian und Carlota“. Der Zweiteiler (je 100 Minuten) über den Kaiser von Mexiko sowie seiner Frau wird im Herbst besetzt. Gedreht wird ab Anfang 2023 an Originalschauplätzen, darunter auch Mexiko, „so uns nicht, wie so vielen anderen Großproduktionen, eine Corona-Mutation wieder einen Strich durch die Rechnung macht.“
Süffige Geschichte
Das Drehbuch stammt von Roman-Autor William Boyd, der soeben mit „Trio“ einen gefeierten Thriller, der im Film-Metier spielt, vorgelegt hat. „Boyd, der sich auf Maximilians letzte drei Lebensjahre fokussiert, hat eine wirkliche süffige Geschichte geschaffen. Es ist erstaunlich, welche Details er herausgefunden und verarbeiten hat.“ Bei der Produktion dabei sein werden Öffentlich-Rechtliche aus Italien, Frankreich, Belgien und England – weil der englisch-amerikanische Blickwinkel auf diese Episode der Geschichte eine wesentliche Rolle spielt. „Wer aus Österreich einsteigt, ist noch nicht abschließend fixiert. Da gibt es verschiedene Interessenten, aber ich denke, daran wird der ORF nicht vorbeigehen wollen“, meint Kloiber.
Gedreht werden wird auch in Österreich, auch wenn man hierzulande gerade droht, als Produktionsstandort immer mehr ins Hintertreffen zu geraten. Bei Förderungen und Tax-Incentives „ist Österreich nicht mehr auf dem Stand der Zeit.“ Kloiber: „Gefördert wird ja de facto nur das Fortbestehen dessen, was schon da ist. Das ist ein unproduktive Subventionitis, bei der die Regularien vor allem andere fernhalten sollen. Das ist nicht konkurrenzfähig, wir haben uns das selbst mehrfach durchgerechnet.“
Potenzial
Österreich werde durch seine Städte, Bauwerke und Landschaften immer ein feiner Stopp zwischendurch für Film-Produktionen sein – von James Bond bis „Extraction“. „Die nehmen auch gern Fördermittel mit, obwohl sie sie gar nicht brauchen.“ Wollte man aber tatsächlich zusätzliche Produktionsaktivitäten generieren, was auch tief in die Wertschöpfung hineinwirkt, „dann muss man entsprechend Geld in die Hand nehmen und die fernhalten, die bereits jetzt mitquatschen. Dass es tatsächlich soweit in Österreich kommt, dafür fehlt mir aber die Fantasie“, meint Kloiber. Er sieht insbesondere bei Filmen mit Budgets von fünf bis 15 Millionen Potenzial, das beispielhaft etwa Montreal schon länger anzieht.
Dass man die dann noch im Kino anschaut, „dazu kann man derzeit keine Prognose machen. Das Kino erlebt eine existenzielle Krise“, bedauert Kloiber, der selbst Kino-Ketten saniert und betrieben hat. „Die Zahlen über die ersten 18 Wochen 2022 in Deutschland liegen unter der Hälfte von 2019. Da fehlt es gewaltig.“ Die kleinen Filme seien wie weggeblasen. Aber auch große US-Filme funktionieren nur leidlich. Probleme sieht Kloiber da auch beim Timing des Kino-Einsatzes. „Leider wird die Suppe nicht serviert, wenn sie heiß ist. Jetzt findet Cannes statt. Aber bis diese Filme in die Kinos kommen, kann sich keiner mehr an sie erinnern – wenn sie nicht ohnehin auf einer Plattform landen. Diese Aussichtslosigkeit, die sich da auftut, ist für diese Branche wirklich hart.“
Negativer Domino-Effekt
In Mitleidenschaft gezogen wurden auch die Kino-Übertragungen aus der New Yorker Met, die Kloiber zwölf Jahre gemacht hat und damit samstags mehr als 300.000 Menschen anlockte. „Die sahen dann bei der einen Aufführung den Teaser auf die Traviata beim nächsten Mal und freuten sich darauf. Aber das ist nicht mehr und wird auch nicht mehr. Durch die Covid-Pandemie ist es hier zu einem negativen Domino-Effekt gekommen.“
Wie Kloiber auf den Klassik-Bereich insgesamt schwere Zeiten zukommen sieht, wobei er ausdrücklich den frischen Wind im Wiener Musikverein lobt. „Das ist spannend, was da passiert.“ Als Beispiel nennt er etwa die mehrtägigen Symposien, im Rahmen derer Persönlichkeiten wie Baselitz, Haneke usw. über ihre Zugänge zur Musik sprechen.
Aufreger
Aber „in Wirklichkeit ist dieser bisherige, traditionelle Reigen aus Tourneen und Gastspielen kaum mehr finanzierbar. Abgesehen von den Wiener Philharmonikern - weil es die Philharmoniker sind.“ Die Karten-Preise seien bei Festivals manchmal auch schon so, dass man, egal wie viel Geld man hat, sage, das müsse jetzt nicht mehr sein. Und mit Sponsoren und deren Ruf hätten nicht nur die Salzburger Festspiele ihre Not. „Das tut dem Kulturbetrieb schon sehr weh und die Sponsoren finden sicher eine Sportart, wo weniger intensiv nachgefragt wird und sie ihre Botschaften loswerden können.“
Apropos guter Ruf: Ein Aufreger-Thema hierzulande war eben das Pressefreiheitsranking, bei dem Österreich deutlich zurückgefallen ist. „Keiner will schlechte Rankings, denn irgendwas ist dran. Auch wenn ich einiges an Begründungen nicht teile. Aber was ich teile ist, dass die Bundesregierungen in Österreich über 20 Jahre Privatfernsehen durchaus erfolgreich ver- und behindert haben. Damit wurde die Vielfalt in der Meinungsäußerung in einer der wirklich großen Medienkategorien schwer behindert und das tut man bis heute“, meint der frühere Eigner der ATV-Sender in Österreich.
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