Alexander Hofer: "mit faktenbasierter, seriöser, unabhängiger Arbeit überzeugen"
ORF2-Channel- und Unterhaltungschef Alexander Hofer wurde vom Stiftungsrat am Donnerstag zum neuen ORF-Landesdirektor für Niederösterreich gekürt. Der 51-Jährige, der seine Karriere im Landesstudio gestartet hatte, folgt mit 1. April auf Robert Ziegler. Der hatte seine Funktion nach Vorwürfen aus der Redaktion zur Verfügung gestellt, die ÖVP in der Berichterstattung bevorzugt zu habengung. Warum es ihn nach Niederösterreich zieht und wie er das Landesstudio sieht, erzählt er im KURIER-Gespräch.
Was hat sie bewogen, sich für das Landesstudio Niederösterreich zu bewerben? Kam das aus freien Stücken oder hat Generaldirektor Roland Weißmann Wünsche in diese Richtung geäußert?
Wünsche vom Generaldirektor in diese Richtung gab es nicht. Ich habe nach den wirklich turbulenten Wochen und Monaten, die das Landesstudio mitgemacht hat und nach dem persönlichen Schritt von Direktor Robert Ziegler Anfang Februar mit dem Generaldirektor überlegt, ob eine Bewerbung für diese Funktion eine gute Idee ist - für alle Beteiligten. Es geht ja darum, dass jemand nachfolgen muss, der das Landesstudio in dieser außergewöhnlichen wie schwierigen Zeit trotzdem weiterentwickeln und ein neues Kapitel aufschlagen kann. Für den Schritt gesprochen hat u. a., dass es in den vergangenen Jahren zwischen ORF2 und den Landesstudios insgesamt eine intensivierte Zusammenarbeit gegeben hat, ich also deren Möglichkeiten gut kenne.
Gab es auch persönliche Gründe?
Ja. Ich bin 51 Jahre alt, bin seit 30 Jahren beim ORF, ich habe im Landesstudio Niederösterreich meine ersten journalistischen Schritte gemacht von 1992 bis 1999. Ich bin seitdem in Wien in verschiedenen Funktionen tätig, zuletzt als ORF2-Channel-Manager und Unterhaltungschef. Ich habe dementsprechend überlegt, dass es ein guter und richtiger Zeitpunkt für diesen Schritt ist, dem Landesstudio in dieser Funktion zur Verfügung zu stehen.
Gräben schließen
Nach allem, was aus St. Pölten zu hören ist, haben die Geschehnisse um Robert Ziegler unter journalistischen Mitarbeitern tiefe Gräben hinterlassen. Es gibt Misstrauen, weil interne Dinge rausgegangen sind, das ist Gift für eine Zusammenarbeit. Nicht wenige fühlten sich auch vorverurteilt. Wie wollen Sie diese Problemstellung angehen?
Eines ist unbestritten: Die Information des Landesstudios, die da ins Gerede gekommen ist, hat in der Zeit des Intensiv-Wahlkampfs in Niederösterreich eine tadellose Arbeit geleistet. Das muss man auch mal sagen. Wenn es Gräben gibt innerhalb des Hauses, innerhalb der Redaktion, dann werde ich persönlich alles daran setzen, diese zu überwinden. Es muss wieder gewährleistet sein, dass ein gutes gemeinschaftliches Arbeiten möglich ist, dass über alles vertrauensvoll geredet werden kann, auch wenn es Konflikte, Auffassungsunterschiede etc. gibt - in keiner Redaktion gibt es keine Konflikte. Aber ein vertrauensvolles Miteinander ist nur dann möglich, wenn man sich aufeinander verlassen kann. Der ORF hat, anders als andere Medienunternehmen, ein gutes und von dieser Geschäftsführung nachgeschärftes Redaktionsstatut. Die Vertretung der journalistischen Mitarbeiter wurde gestärkt, und das ist gut so. Auch arbeitsrechtlich ist die Belegschaft über den Betriebsrat gut abgesichert. Das sind also zwei starke Instrumente, auf die man auch im Alltag als Mitarbeiterin, als Mitarbeiter zählen kann. Und letztlich stehe ich als Leiter des gesamten Studios jederzeit auch im Konfliktfall für Fragen, Antworten, Lösungsvorschläge zur Verfügung. Das ist der Weg, den ich in den kommenden Monaten und Jahren mit der Mannschaft gemeinsam gehen möchte.
Ihre Zeit als ORF2-Channel-Manager, seit 2018, war geprägt vom Ausnahmezustand in der Information: Begonnen bei der Bundespräsidentenwahl und deren Wiederholung, der ÖVP-FPÖ-Koalition und ihrem Zerbersten über der Ibiza-Affäre bis hin zu Corona-Pandemie-Jahren und dem Angriff Russlands auf die Ukraine und dessen Auswirkungen. In St. Pölten ist zwar alles kleiner, aber nach Ruhe sieht es dort derzeit auch nicht aus?
Also, nach Ruhe suche ich in meinem Arbeitsleben grundsätzlich nicht. Ich gebe schon zu, dass die vergangenen Jahre mit ORF2 und der Unterhaltung insgesamt wenig Zeit zum Durchschnaufen gelassen haben. Das ging aber nicht nur mir so. Im Landesstudio Niederösterreich kommen andere Aufgaben auf mich zu. Spannend daran finde ich die multimediale Weiterentwicklung, das Zusammenwachsen von TV, Radio und Online. Es ist, worauf ich mich sehr freue, ein Job, der noch näher am Publikum ist. Diese unmittelbare Nähe ist im ORF-Mediencampus aufgrund der Lage und der Situation dort so nicht möglich. In Niederösterreich, glaube ich, werde ich meinem Leitsatz noch viel stärker folgen können. Es ist ein Leitsatz, der mich seit meinem Einstieg in das Berufsleben begleitet: Man muss sein Publikum nicht nur kennen – das tun wir hier über Studien, Umfragen, Analysen, Mediaforschung usw. Meiner Ansicht nach muss ein Programmmacher sein Publikum auch mögen. Nur dann kann man spüren, was es will. Das gilt für die Unterhaltung, aber auch für die Information. In den vergangenen Jahren ist das mit ORF2 recht gut gelungen. Das strebe ich auch im ORF Niederösterreich an. Und für die Ruhe gibt’s den Urlaub.
ORF außer Streit stellen
Sie sind in Niederösterreich nun mit einer politischen Situation konfrontiert – einer ÖVP-FPÖ-Koalition -, die sie schon auf Bundesebene kennengelernt haben. Damals wie heute agitiert die FPÖ gegen den ORF, jedenfalls damals gab es Personalwünsche. Wie sehen sie auf das, was sie auf sie zukommt?
Eine gewisse Erfahrung habe ich in den vergangenen Jahren in den verschiedenen Funktionen schon sammeln können. Die TV-Information, damals unter Chefredakteur Matthias Schrom, war ja, bis zur multimedialen Neuorganisation, direkt bei mir angesiedelt. Von da her meine ich, dass man vor allem mit faktenbasierter, seriöser, unabhängiger Arbeit überzeugen kann und das ist ein Weg, den ich auch im Landesstudio fortsetzen werde. Wir werden den Schulterschluss mit dem Publikum suchen und nicht mit Parteien oder Parteien-Vertretern. Die sind tatsächlich Objekte der Berichterstattung. Wir arbeiten fürs Publikum, ob in der Information oder in der Unterhaltung, ob im Radio, Fernsehen oder online. So wird man auch langfristig den ORF außer Diskussion stellen kennen, jedenfalls bei den allermeisten.
Die Landesstudios sind zwar in der medialen Berichterstattung in Verruf geraten, beim Publikum haben Sendungen wie „Bundesland heute“ aber immer noch einen hohen Stellenwert. Wie passt das zusammen und was sind für sie Stellenschrauben, die man weiterdrehen muss?
Da muss zwei Dinge auseinanderhalten Auf der einen Seite ist „Bundesland heute“ und damit auch „Niederösterreich heute“ die meistgesehene Info-Sendung in ORF2 und damit des gesamten ORF. Die Glaubwürdigkeit der Landesstudios dürfte leicht gelitten haben. Grundsätzlich - dazu gibt es auch Untersuchungen in der jüngsten Zeit – ist das Vertrauen in den regionalen Journalismus aber sehr gut. Das ist ein Fundament, auf dem man aufbauen kann. Mein großes Bestreben ist es - einer Gesamt-Linie des Hauses folgend - den regionalen Bereich des ORF Niederösterreich noch stärker zu einem Rundfunk oder, wie man mittlerweile fast schon sagen muss, zu einer Plattform der Gesellschaft auszubauen. Das heißt mehr Diskussionsangebote bieten, Themen im Land aufgreifen oder anregen, Meinungsvielfalt statt Ausgrenzung gewährleisten und in diesem Segment entsprechende Format entwickeln. Das kann auf Sendung, kann aber auch off-air stattfinden, ist aber jedenfalls ein Unter-Beweis-Stellen, dass der ORF Niederösterreich das mediale Zuhause für alle ist. Damit sollte es auch möglich werden, Gesprächsverweigerung zu überwinden, vielleicht den drohenden Riss in der Gesellschaft wieder zu kitten, Leute zusammenzubringen und im besten Fall in etwas Positives für die Gemeinschaft zu verwandeln. Das sind Dinge, die ich jetzt schon überlegt habe und dann mit den Kolleginnen und Kollegen weiterentwickeln möchte, um sie dann auch konkret umzusetzen.
Wider der Internet-Wahrheit
Niederösterreich ist groß, Niederösterreich ist sehr unterschiedlich. Es gibt den Speckgürtel um Wien, es gibt genauso Grenzregionen. Es gibt Ballungsräume und Landflucht, es ist alt und jung. Wie kann man ein solches Spektrum unter einen Hut bringen?
Das Gesellschaftsbild im Osten Österreichs ist spannend und das muss man so ausführlich und relevant wie möglich in den Sendungen abbilden. Ein Zweites, was man perspektivisch angehen muss, ist, dass man den jungen Menschen im Land als ORF Niederösterreich etwas anbieten kann. Vor allem hatten viele noch nie oder haben immer weniger Berührungspunkte mit dem ORF, weil sie Medien häufig ganz anders konsumieren. Sie schauen nicht fern, hören nicht oder wenig Radio, sie holen sich ihre Unterhaltung, aber immer öfter auch ihre Information aus den sozialen Medien. So ist die Entwicklung und die ist in Zeiten von Fake News nicht ungefährlich. Das Land einfach der Internet-Wahrheit zu überlassen, ist hochgradig riskant. Genau deshalb wird es immer wichtiger, mit seriösen, relevanten und interessanten Nachrichten vor allem auch junge Menschen zu erreichen und so kann der ORF auch wieder an Relevanz bei ihnen gewinnen. Eine gewisse Ausnahme stellt da aber gerade regionale Info mit „Bundesland heute“ dar, die auch in jungen und jüngeren Zielgruppen sehr gute Werte aufweist. Das bestätigt uns auch: Das Geschehen vor der eigenen Haustür interessiert. Was dazu kommt: So viele andere Angebote in dieser Qualität und Regelmäßigkeit darüber gibt es, vom ORF abgesehen, nicht.
Was könne Sie mit dem Begriff Provinz anfangen?
Ich habe das einmal bei der Präsentation von „9 Plätze 9 Schätze“ gesagt: Provinz ist keine Örtlichkeit, sondern eine Geisteshaltung. Das sagt in ganz knapper Form alles. Auf Provinz kann man in Wiens Innenstadt ebenso treffen, wie es am Land einen natürlichen Umgang mit Heimat, Regionalität, ein Selbstbewusstsein ohne Chauvinismus und Runterschauen auf andere gibt.
Zur Person
Alexander Hofer, geboren 1972 in Wien, startete 1992 im ORF Niederösterreich. 2018 wurde er Chef von ORF2 und ORF-Unterhaltung
Zum Landesstudio
20.000Programm-Minuten (TV und Radio) sowie Tausende Online-Nachrichten produziert das Landesstudio NÖ jährlich. Es beschäftigt derzeit etwa 100 Mitarbeiter (Redakteure, Techniker etc.)
Es waren politisch und gesellschaftspolitisch sehr intensive Jahre. Merkt man – eine Frage auch an den noch amtierenden Unterhaltungschef – bei den Zusehern, dass sie es jetzt gern etwas leichter hätten im TV-Programm?
Ja, den Eindruck hat man. Erst am Sonntag am „Tatort“-Platz mit „Der Tod kommt nach Venedig“ konnte eine solche Produktion reüssieren können. Ich freue mich auch jeden Freitagabend darüber, wie beliebt „Dancing Stars“ beim breiten Publikum weiterhin ist. Das sind zwei, zweieinhalb Stunden Auszeit, die gute abwechslungsreiche Unterhaltung den Menschen bringen kann. Es muss bei einem öffentlich-rechtlichen Sender wie dem ORF eine gute Balance geben zwischen der aktuellen Berichterstattung mit der Einordnung des oft unübersichtlich wirkenden Weltgeschehens. Das ist eine unserer Aufgaben. Es muss aber auch die Möglichkeit zum Entspannen geben fürs Publikum. Genau das ist im Übrigen der gesetzliche Auftrag an den ORF und das lässt sich auch auf ein Landesstudio Niederösterreich übertragen. Die Unterhaltung findet sich hier nun eher im Radio oder wir tragen als Teilnehmer an nationalen Unterhaltungssendungen aus Niederösterreich dazu bei.
Ihnen bleibt in der neuen Funktion u. a. noch die „Starnacht aus der Wachau“ – werden ihnen, nachdem sie jahrelang für die Unterhaltung verantwortlich waren, die Showbühnen und großen Co-Produktionen mit Deutschland abgehen?
Ich habe das in den letzten Jahren in der Doppelfunktion als Unterhaltungschef und ORF2-Channel Manager unheimlich gern gemacht. Ich habe viele Kontakte knüpfen können, viele Leute kennengelernt, das professionelle Arbeiten in der Musik- und in der Unterhaltungsbranche auch bei unseren deutschen Partnern schätzen gelernt ebenso wie in der österreichischen Kabarettszene. Also, manches wird mir abgehen, aber wenn man einen solchen Wechsel macht, dann überwiegt die Freude auf das Neue. Vielleicht gelingt es ja, die eine oder andere gute Verbindung aus der kaum zurückliegenden Vergangenheit auch in der künftigen Funktion für den ORF Niederösterreich zu nützen. Ich werde mir jedenfalls alle Mühe geben.
Danke für das Gespräch.
Kommentare