Interview mit Markus Ornig von Neos Wien. Der Landtagsabgeordnete und Initiator der Initiative "Nachtbürgermeister" setzt sich seit Jahren für die Wiener Nachtwirtschaft ein.
KURIER: Die Maßnahmen werden gelockert. Ab 15. Mai dürfen Restaurants zumindest wieder aufsperren – auch Hotels machen bald wieder auf. Bars und Clubs müssen weiterhin geschlossen bleiben. Wird man im Jahr 2020 noch in eine Bar, in einen Club gehen?
Markus Ornig: Ich denke, gegen Jahresende wird da etwas möglich sein, aber unter Voraussetzungen, die weder die Erwartungshaltungen der Gäste, noch die der Gastronomen befriedigen werden. Zusammen feiern bringt eben auch Nähe mit sich. Eine spontane Schmuserei mit jemandem, den man gerade in einer Bar oder in einem Club kennengelernt hat, wird sich eher nicht ausgehen.
Die Sorgen und Anliegen von Bars und Clubs scheinen die Stadt- und Bundesregierung nicht sonderlich zu interessieren. Gehen die Verantwortlichen zu fahrlässig mit der Nachtwirtschaft um? Werden die Bars und Clubs von der Regierung hängengelassen?
Die Nachtwirtschaft hat keine Lobby, keine starke Stimme, die auch gehört wird. Jeder kämpft für sich selbst und da wird man leicht von der Stadtpolitik vergessen. Im Rahmen der Lockerung hat die Bundesregierung in deren Plänen zur Wiedereröffnung der Gastronomie in erster Linie an die Restaurants und Gasthäuser gedacht. Bars und Clubs wurden mit dem Ischgl-Beispiel sofort in einen Topf geworfen und müssen sich hinten anstellen. Aber ja, es ist eine Herausforderung, hier in die Gänge zu kommen, aber mir fehlt der Dialog. Die Wirtschaftskammer, die eigentlich die Interessen aller Gastronomen vertreten sollte, hat sich bisher auch nicht mit Ruhm bekleckert. Die Wiener Club Commission hat die Krise im Aufbau voll getroffen - dort versucht man zu beraten, aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Fehlt es der Club Commission an Gewicht, an politischer Power?
Ja, es ist das bekannte Problem: Wenn eine Interessenvertretung nicht unabhängig ist und sich zu 100 Prozent von der Förderung der Stadt finanziert, ist es eben schwer, die Hand zu beißen, die einen füttert. Das Kulturressort, dass jetzt die Vienna Club Commission für das erste Pilotprojekt mit 300.000 Euro finanziert hat, stößt jetzt aber an seine Grenzen. Jetzt ist aber der Wirtschaftsstadtrat gefordert. Die Kultur kann das nicht stemmen.
Nachtbürgermeister
Wird die Nachtwirtschaft immer noch nicht als Arbeitgeber, als wichtiges Antriebsdetail im städtischen Wirtschaftsmotor ernst genommen? Wenn ja, woran scheitert es?
Am Respekt, an uralten Schubladen und am Erfolg des Konzepts, Wien international immer noch als Museum zu vermarkten. Wien ist extrem erfolgreich im Tourismus, aber eben nur bei der Zielgruppe 25+. Das ist leider nicht zukunftsorientiert. Zudem sitzen die Entscheidungsträger in der SPÖ Wien halt lieber beim Heurigen. Alleine, dass der Bürgermeister Ludwig die Initiative „Nachtbürgermeister“ erst dann unterstützt hat, als der Name in "Vienna Club Commission" geändert wurde, zeigt schon wie die Leute ticken. Frei nach dem Motto: „Es darf nur einen Bürgermeister geben - und der bin ich“. In anderen Metropolen war das überhaupt kein Thema.
Wie viel Menschen sind davon betroffen? Von welcher Summe, welchen finanziellen Schaden kann man ausgehen?
Die Wirtschaftskammer Wien bewertet die Bruttowertschöpfung der Nachtwirtschaft in Wien mit 440 Millionen Euro und den Jahresumsatz mit einer Milliarde Euro. Ich gehe davon aus, dass die Branche jubeln würde, wenn man zumindest 50 Prozent im Jahr 2020 schafft. Das Schlimmste sind aber sicher die 24.000 Menschen, die vor der Krise von diesem Bereich gelebt haben. Diese Menschen wissen nicht, wie es mit ihnen weitergehen soll.
Maßnahmen und Hilfspakete
Welche Maßnahmen braucht es schnell, mittelfristig und längerfristig? Denn Clubs werden wohl die letzten Einrichtungen seien, die wieder aufmachen dürfen.
Ich habe letzte Woche im Gemeinderat einen Antrag für eine Förderung über fünf Millionen eingebracht. Basis für diese Summe ist eine 30 Millionen Euro Förderung, die es in Berlin gab. Obwohl wir das eher konservativ angegangen sind, wurde das von Rot-Grün abgelehnt. Ich hoffe aber, dass da etwas kommt. Neben Geld braucht es aber einen Plan – der fehlt komplett. Ich bin gerade dabei, die Opinion Leader der Branche zusammenzutrommeln, um einen Plan für die Bundesregierung zu erarbeiten. Dann wird man sehen.
Bisher haben sich weder die Bundesregierung noch die Stadt Wien in irgendeiner Form zu Unterstützungsmaßnahmen geäußert, obwohl die Branche als erstes und am härtesten von der Krise betroffen war und vermutlich als letzte wieder am Wirtschaftsleben teilnehmen wird. Erkennt die Stadt Wien das Problem nicht, oder an fehlt es am Lobbying?
Ich denke das Problem ist klar. Aber wie bereits gesagt, ist es eine Frage des Willens und der Unsicherheit, wie wir mit dieser Krise weitermachen. Unterhaltung und Nachtleben ist da eben nicht ganz oben auf der Liste. Aber gerade das würde den Menschen wieder ein Gefühl der Sicherheit geben. Genau das ist aber nicht das Ziel der Bundesregierung, was man so hört.
Welches Hilfspaket sollte die Stadt Wien schnüren, welches die Bundesregierung?
Wir haben hierzu einen guten Vorschlag gemacht – jetzt ist die Stadt am Zug. Die Bundesregierung schafft es ja nicht einmal die bestehenden Pakete ordentlich abzuwickeln. Die Hilfe kommt einfach nicht an und außer dem Taschengeld im „Härtefallfonds 1“ ist noch kein Cent geflossen. Somit habe ich den Glauben verloren, dass die Bundesregierung für die Nachtwirtschaft etwas zustande bringt.
"Unsexy"
Wie könnte man die Clubszene krisensicherer machen?
Ich glaube, vor dieser Krise kann und konnte sich niemand sicher machen.
Schaut man da auch neidisch nach Berlin, wo viel Geld (30 Millionen) für Bühnen Clubs locker gemacht wird?
Ja, klar. Das ist aber mit Wien nicht vergleichbar. Berlin hat die fast 100 fache Wertschöpfung aus der Nachtwirtschaft und feiern ist dort Tourismusfaktor Nr. 1.
Eine Party mit Mindestabstand ist ...
... wichtig, aber unsexy.
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