Joachim Natschläger: "Eine Party mit Mindestabstand ist wie Sex übers Telefon"

Joachim Natschläger: "Eine Party mit Mindestabstand ist wie Sex übers Telefon"
Joachim Natschläger, Teil der WTF Group, die in Wien zwei große Diskotheken betreibt, über Sorgen, Hilfsgelder und über Partys mit Mindestabstand.

Joachim Natschläger ist Teil der WTF Group, die in Wien einst für den Pop-up-Club "Horst" verantwortlich waren und nun mit dem "O - der Klub" (in der Albertina Passage) und dem "Inc". (am Schwarzenbergplatz) zwei große Diskotheken betreiben. Im Interview mit dem KURIER rechnet er nicht mit einer schnellen Lösung für die Nachtwirtschaft, spricht über nicht erhaltene Hilfsgelder und fehlender Perspektiven.

KURIER: Es gibt aktuell keine Pläne für eine Wiedereröffnung von Bars und Clubs. Womit rechnen Sie? 
Joachim Natschläger: Jeder der sich jetzt mit uns jetzt auf (Zwangs-)Tauchstation befindet, benötigt einen langen Atem. Vor September bzw. Oktober rechnen wir mit nichts.

Haben Sie um finanzielle Unterstützung angesucht? Ist schon etwas angekommen?
Das ist alles noch etwas schwammig, aber unsere Anwälte und Steuerberater sind da täglich dran. Wir haben derzeit aber noch keine Zuschüsse erhalten.


Wie sieht es mit laufenden Pachtzahlungen aus? 
Die sind derzeit - Gott sei Dank! – ausgesetzt. Dafür sind wir auch sehr dankbar, denn wir kennen Kollegen, bei denen weiterhin, also trotz Schließung, Miete verlangt wird.

Wie viel Leute sind in Kurzarbeit, wie habt ihr das mit den Mitarbeitern gemacht? 
Wir mussten uns leider von allen Mitarbeiter einvernehmlich trennen - also keine Kurzarbeit 

Einige Clubs starten Aktionen, starten Crowdfundig-Aktionen, machen Streams. Die beiden Clubs der WTF Group machen nichts davon. Nicht nötig? Blöde Idee? 
Auch wir erarbeiten im Hintergrund gerade ein Konzept, um sich gegen die Krise zu wehren - sobald alles rechtliche final abgeklärt ist, werden wir in die Umsetzung gehen.

Joachim Natschläger: "Eine Party mit Mindestabstand ist wie Sex übers Telefon"

Keiner da. In den Clubs geht momentan nichts. Es fehlen die Perspektiven.

Was ist das größere Problem: Die fehlenden Einnahmen oder einfach nicht zu wissen, wie es weitergeht?
Das größte Problem ist definitiv der fehlende Planungshorizont, denn man weiß nicht, wie lange die Einnahmen fehlen werden. Daher kann man auch nicht abzuschätzen, wie es weitergehen wird - und ohne diese Einschätzung werden die Probleme wachsen.

Viele wollen derzeit auch gar nicht in einen Club gehen, an einem Ort mit vielen Menschen. Kann sich das überhaupt so schnell wieder ändern? Wie ist die Stimmungslage? 
Umgekehrt gibt es auch viele Menschen, die sich schon jetzt nach einem Ort sehnen, wo endlich wieder Menschen aufeinandertreffen können. Wir sind zuversichtlich, dass viele der restlichen Menschen über die Zeit ihre Meinung ändern werden. Wir rechnen – nachdem das alles überstanden ist – mit einem guten Start.

Es gibt jetzt zwar eine Anlaufstelle, aber die scheint zu wenig Einfluss zu haben. Fehlt es der Vienna Club Commission an politischer Power?
Noch fühlt es sich tatsächlich so an, als würde es an Power fehlen. Man organisiert sich aber schon seit Längerem mit der Nachtgastronomie selbst im Hintergrund und formt mehr denn je Bündnisse, um gemeinsam als Einheit auftreten zu können. Der Dank gilt hier besonders Stefan Ratzenberger, der hier als das federführende Bindeglied zwischen WKO Nachtgastronomie und Regierung auftritt.

Joachim Natschläger: "Eine Party mit Mindestabstand ist wie Sex übers Telefon"

Werden die Bars und Clubs von der Wirtschaftskammer, der Politik in Stich gelassen? Werden die Sorgen der Clubbetreiber zu wenig ernst genommen? 
Hier stehen die Sorgen des Staates den Sorgen der Clubbetreiber gegenüber. Man ist sich als Staat vermutlich bewusst, dass hier eine komplette Branche im Zuge des Allgemeinwohls geopfert wird - was das allerdings für eine Kettenreaktion auslöst, dessen ist man sich offensichtlich nicht bewusst. Es sind ja nicht nur die Sorgen der Clubbetreiber, es sind die Sorgen von all den Mitarbeitern, Lieferanten, Dienstleistern und Zulieferern, die hier nicht ernst genommen werden – und das sind nicht wenige.


Abgesehen von einer Impfung: Welche Maßnahmen braucht es?
Es werden gerade mit anderen Kollegen aus unserer Branche Vorschläge zusammengetragen, wie ein Zurückkehren stattfinden kann. Es liegt an der Regierung diese Maßnahmen zu prüfen. Ist aber ein Impfstoff die Voraussetzung, weiß ich nicht ob diese spezielle Branche dies überlebt, denn vor 2021 ist dann nicht daran zu denken, aufmachen zu können.

Wie könnte man die Clubszene krisensicherer machen? 
Gerade diese Aufgabe sehe ich bei der Vienna Club Commission in Zusammenarbeit mit all den Betroffenen aus der Nachtgastronomie.

Joachim Natschläger: "Eine Party mit Mindestabstand ist wie Sex übers Telefon"

Schaut man da neidisch nach Berlin, wo viel Geld (30 Millionen) für Clubs locker gemacht wird? 
Berlin ist die Ausnahme - auch aus deutscher Sicht. Aber klar wäre es für Wien speziell wünschenswert, dies in ähnlicher Form umzusetzen – dies wird vermutlich erst dann passieren, wenn die Nachtgastronomie als touristischer und finanzieller Player für Österreich angesehen wird.

Eine Party mit Mindestabstand ist ...
… wie Sex übers Telefon.

Kommentare