Salzburg-Intendant Hinterhäuser: „Wir leben! Und wir müssen auch leben!“

Steht kompromisslos zu Teodor Currentzis: Markus Hinterhäuser
Der Intendant der Salzburger Festspiele stellte intuitiv „Das Spiel vom Ende der Zeiten“ ins Zentrum seines Programms.

Als Auftakt der „Ouverture spirituelle“ dirigierte Teodor Currentzis am 19. Juli das Gustav Mahler Jugendorchester – und den von ihm gegründeten, in St. Petersburg beheimateten musicAeterna Chor. Die stehenden Ovationen waren Labsal für Markus Hinterhäuser, den Intendanten der Salzburger Festspiele. Er hatte sich nicht jenen gebeugt, die immer wieder ein Auftrittsverbot für den aus Griechenland gebürtigen Dirigenten fordern, der von Perm in Sibirien aus seine Weltkarriere gestartet hat.

KURIER: Um Opern zu produzieren, braucht es lange Vorlaufzeiten. Muss man daher als Intendant geradezu hellseherische Qualitäten haben, wenn man den Zeitläuften nicht hinterherhinken will?

Markus Hinterhäuser: Es ist bestimmt nicht von Nachteil, wenn man ein Gespür für Entwicklungen hat. Dennoch: Niemand hätte vor zwei, drei Jahren ahnen können, dass am 24. Februar 2022 ein Angriffskrieg in Europa beginnen würde.

Ihr Programm mit dem „Spiel vom Ende der Zeiten“ wirkt aber erschreckend aktuell.

Die entscheidenden Fragen, die Fragen nach der conditio humana, werden in den großen Kunstwerken gestellt. Sie sind es, die uns tiefe Erkenntnisse ermöglichen. Sie sind es, die die Trostlosigkeit des politischen Alltags weit hinter sich lassen. Das gilt auch für „De temporum fine comoedia“ von Carl Orff. Und erst nach dem Erstellen des Programms ist mir aufgefallen, dass drei der vier Opern, die ich ausgewählt habe, kurz nach dem Ersten Weltkrieg uraufgeführt wurden: Béla Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ kam im Mai 1918 in Budapest heraus, Giacomo Puccinis „Il trittico“ im Dezember 1918 in New York. Und 1921 folgte „Káťa Kabanová“ von Leoš Janáček. Also: Die Zeit, in der die Welt aus allen Fugen geraten war, hat die Werke möglich gemacht.

Auch die Festspiele, als Friedensprojekt gegründet, sind eine Antwort auf den Ersten Weltkrieg. Das haben Sie nicht bewusst konzipiert?

Auch wenn das Konzipieren mit Erfahrung und Wissen zu tun hat: Die Entscheidung fiel intuitiv. Ich bin ja keine Datenmaschine.

Orff wie auch Puccini beziehen sich in ihren Werken auf „Die göttliche Komödie“ ...

Und zwar explizit – etwa mit dem Wort „comoedia“! In beiden Fällen handelt es sich, wie „Die göttliche Komödie“, um ein Triptychon aus Hölle, Fegefeuer und Paradies, aus den Energien der Verzweiflung, der Hoffnung und der Glückseligkeit. Für Jorge Luis Borges war „Die göttliche Komödie“ ein Gedicht, das das Universum miteinschließt.

Warum gibt es dann immer nur Meta-Arbeiten zu sehen – und nie das Original?

Im Rahmen der Festspiele wird es zumindest eine groß dimensionierte Lesung der „Göttlichen Komödie“ geben.

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