Salzburgs Festspielpräsidentin: „Die Stolpersteine sind mir zu klein“
Das Mobiliar im Büro der Salzburger Festspielpräsidentin ist neu. Von ihrer Vorgängerin Helga Rabl-Stadler hat Kristina Hammer aber doch das eine oder andere Stück übernommen, etwa das Alessi-Tablett, auf dem der Kaffee serviert wird.
KURIER: Sie erzählten Ende November, nach Ihrer Designierung, dass Sie bereits als Kind in Salzburg waren – mit Ihren Großeltern bei einer Probe mit Herbert von Karajan…
Kristina Hammer: Es war das erste Mal, dass ich mitdurfte. Davor war ich nur bei den Vorstellungen des Marionettentheaters gewesen. Herbert von Karajan trug einen schwarzen Rollkragenpullover, er dirigierte, glaube ich, Beethoven. Meine Großmutter – sie war Förderin der Festspiele – hatte mir gesagt, dass er ungehalten werden könnte, wenn jemand laut raschelt. Ich war daher etwas verängstigt. Und sehr bewegt.
Der große Sohn der Stadt hat eine belastete Biografie. Er war gleich zweimal NSDAP-Mitglied. Wie soll man damit umgehen?
Herbert von Karajan hat für die Festspiele eine große Bedeutung, er ist ein einzigartiger Dirigent. Ich bin aber der Ansicht, dass man die NS-Vergangenheit nicht ausklammern, sondern benennen sollte.
Reicht eine Erklärungstafel beim Schild des Herbert-von-Karajan-Platzes neben dem Festspielbezirk?
Ich weiß nicht, ob „reichen“ das richtige Wort ist. Aber ich glaube nicht, dass wir die Geschichte bewältigen, indem wir Straßen umbenennen. Mit dem Abhängen eines Namens, mit dem Unsichtbarmachen verändern wir die Geschichte nicht. Wir sollten uns vielmehr mit den Ereignissen in der Vergangenheit beschäftigen und versuchen, sie zu verstehen. Erst heute Morgen bin ich wieder vor den Stolpersteinen gestanden, die vor dem Festspielhaus an jüdische Künstler erinnern. Und ich dachte mir: Die müssten größer sein. Ich finde sie zu klein.
Sie sind seit Jänner im Amt – und haben schon ungeahnte Probleme.
Ich würde sagen: einige Herausforderungen. Und da ist es meine Aufgabe, Orientierung zu geben.
Etwa, wie man mit Künstlern umgeht, die eine Nähe zu Putin haben.
Wir haben im Direktorium sehr rasch nach Ausbruch des Krieges zu einer gemeinsamen Haltung gefunden: Wenn man den Krieg verurteilt, dann verurteilt man das Regime, aber nicht ein ganzes Volk. Wir sind überzeugt, dass nicht alle Menschen in Russland diesem Krieg positiv gegenüberstehen. Und dass sehr viele Künstler ihn nicht unterstützen.
Wie ist das im Fall des griechischen Dirigenten Teodor Currentzis?
Wir geben Künstlern, die sich besonders staatsnah gezeigt haben, keine Bühne. Und wir verlangen von denen, die bei uns auftreten, keine Erklärung, in der sie Putin abschwören. Denn in Russland kann man bis zu 15 Jahre ins Gefängnis kommen, wenn man sich kritisch äußert. Teodor Currentzis hat sich unseres Wissens nie positiv über den Krieg oder Putin gegenüber geäußert.
Dessen musicAeterna-Orchester samt Chor wird aber von einer Bank mit Putin-Nähe unterstützt.
Das Orchester ist ein privates – und kein staatliches. Currentzis muss, um dieses große Ensemble zu finanzieren, Sponsorengelder auftreiben. Ich kann daher nachvollziehen, dass er Sponsoren aus Russland hat. Das heißt aber nicht, dass ich das befürworte. Und was für uns wichtig ist: Die Festspiele erhalten keinerlei finanzielle Zuwendungen von der VTB Bank, wir profitieren auch nicht davon. Wir zahlen für den Auftritt des Chores und des Orchesters die marktüblichen Preise.
Unter Ihrer Vorgängerin hätten sich die Festspiele vom Erdölkonzern Gazprom sponsern lassen. Hat man generell zu wenig hinterfragt, woher das Geld kommt? Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer lässt jetzt Richtlinien erarbeiten …
Wir begrüßen diese Initiative und arbeiten daran mit. Ich bitte Sie aber um Verständnis, wenn ich mich nicht zur Vergangenheit äußere.
Sie sind sehr wohl mit ihr konfrontiert: Die Entscheidung, sich nicht länger von Solway unterstützen zu lassen, fiel erst vor ein paar Tagen.
Ich habe mir im letzten halben Jahr alle Sponsoringverträge genau angeschaut. Und ich kann sagen: Wir sind in der glücklichen Lage, mit vielen wichtigen Unternehmen und Institutionen vertrauensvolle Partnerschaften zu haben.
Einer der Sponsoren ist seit Jahren Audi. Im Interview mit dem Unternehmen propagieren Sie erstaunlicherweise das Klimaticket für den Zug. Ist das nicht janusköpfig?
Ich glaube nicht, dass sich das widerspricht. Ich nutze Bahn und Auto. Und hier in Salzburg stellt uns Audi seit letztem Jahr eine ausschließlich elektrische betriebene Fahrzeugflotte zur Verfügung.
Audi gehört bekanntlich zum Volkswagen-Konzern. Und VW hat die Abgaswerte manipuliert.
Audi ist ein langjähriger, sehr loyaler Partner der Festspiele. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Wie sieht eigentlich der ökologische Fußabdruck der Festspiele aus? Wie viele Tonnen CO2 werden jeden Sommer verursacht?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Wir haben den CO2-Footprint der Salzburger Festspiele nicht erhoben.
Um ein klimaneutrales Festival ermöglichen zu können: Kauft man zum Beispiel CO2-Zertifikate?
Nein. Aber wir haben große Bemühungen vor, um so ressourcenschonend wie möglich agieren zu können. Bei dem anstehenden Erweiterungs- und Sanierungsprojekt im Festspielbezirk achten wir streng auf Nachhaltigkeit. Und: Einer unserer Sponsoren, BWT, hat uns bereits 2021 geholfen, ein plastikfreies Festival zu werden. Das halte ich für eine wichtige Initiative.
Tatsächlich plastikfrei? Bei der Herstellung der Bühnenbilder werden sicher Kunststoffe eingesetzt.
Ich habe mich nicht präzise ausgedrückt: Wir verwenden keine Plastikflaschen mehr!
Abertausende Touristen reisen mit dem Flugzeug an, um die Festspiele zu besuchen, viele davon kommen aus Übersee. Nicht sehr umweltschonend, oder?
Wie kommen wir als Festspiele dazu, potenzielle Besucher zu be- oder verurteilen? Wir freuen uns über jeden unserer Zuschauer. Die Internationalität macht doch die Festspiele aus! Und dass Menschen aus 74 Nationen zum Teil eine so lange Anreise auf sich nehmen: Das spricht doch für unsere Qualität! Sie müssen zudem mitbedenken, dass Touristen aus Übersee nach Europa kommen, um Kultur zu erleben. Die Festspiele sind sicher ein wichtiger Grund für die Reise, aber ein Teil des gesamten Pakets. Und ich bin überzeugt, dass viele unserer Besucher umweltbewusst agieren.
Wie sieht die Situation heuer aus? Aus Russland werden wohl weniger Besucher kommen.
Das stimmt. Die Amerikaner kommen wieder zurück, die Asiaten hingegen können das aufgrund der Reisebeschränkungen noch nicht. Die in den beiden Corona-Jahren entstandene Lücke wurde von Menschen aus dem deutschsprachigen Raum, aber auch aus Frankreich, Spanien oder England geschlossen.
Der Kartenverkauf ist daher gut?
Wir haben ein Niveau wie im Rekordjahr 2019. Aber es stimmt: Die Besucher entscheiden sich kurzfristiger zu einem Festspielbesuch. Diesem Trend werden wir uns in der Zukunft stellen müssen.
Gibt es eine Zurückhaltung, Karten für die Vorstellungen mit Teodor Currentzis zu kaufen?
Nein, davon spüren wir nichts.
Es gibt also eine große Sehnsucht, Festspiele zu feiern – egal, ob ein paar Hundert Kilometer entfernt ein Krieg tobt oder nicht?
Es gibt eine große Sehnsucht, gemeinsam kulturelle Highlights erleben zu können. Das haben wir auch bei den Pfingstfestspielen gemerkt, die zu 98 Prozent ausgelastet waren. Man hat gespürt, welche Freude die Menschen hatten! Die Stimmung war ganz besonders. Ich denke, wir werden eine solche auch jetzt erleben können.
Wenn die Corona-Welle sie zulässt.
Ich weiß nicht, wie sich die Situation entwickeln wird, aber wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet. Die Salzburger Festspiele haben in den letzten zwei Sommern bewiesen, dass sie ein herausragendes Präventionskonzept erarbeitet haben. Und das wird laufend angepasst. Wir tun unser Möglichstes. Die Tickets sind daher auch heuer personalisiert – und wir empfehlen das Tragen einer FFP2-Maske.
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