Buhlschaft Altenberger: "Wir haben das Streiten verlernt"

Buhlschaft Altenberger: "Wir haben das Streiten verlernt"
Die Salzburgerin über ihre Rolle, die Freude am Rummel, Feminismus, Radikalisierung in den sozialen Medien und Haarlängen

Verena Altenberger, 34, ist Salzburgerin, was man im Gespräch nicht unbedingt hört – sie spricht meistens druckreifes Bühnendeutsch. Ihre spektakulärste Arbeit war der Film „Die beste aller Welten“, in dem sie eine drogensüchtige Mutter spielt. Am 19. August kommt „Märzengrund“ nach dem Stück von Felix Mitterer in die Kinos, Regie führte wieder Adrian Goiginger. Altenberger ist Präsidentin der Akademie des Österreichischen Films. Sie ist engagiert in der #MeToo-Debatte.

KURIER: Wie laufen die „Jedermann“-Proben?
Verena Altenberger: Wir hatten unlängst die erste Durchlaufprobe. Alles ist noch sehr aufregend. Es geht vor allem um technische Fragen – wer hat den Stuhl da hingestellt und warum (lacht)? An die Emotionen jeder Szene erinnere ich mich noch gut, aber man fühlt sich ein wenig anders: Diese Stelle habe ich letztes Jahr eher traurig gespielt, jetzt habe ich Lust zu lachen. Man merkt, wie man sich selber verändert hat.

Haben Sie sich verändert?
Ja, auf jeden Fall. Alles andere wäre ja seltsam.

Was hat Sie verändert – die Rolle der Buhlschaft?
Ich identifiziere mich sehr stark mit meinem Beruf. Natürlich hat die Rolle mich verändert. Alles, was ich spiele, verändert mich.

Buhlschaft Altenberger: "Wir haben das Streiten verlernt"

Ist es einfacher im zweiten Jahr?
Ich glaube, es ist ein bisschen leichter, nicht unbedingt einfacher. Ich verspüre jetzt keinen Druck mehr, sondern vor allem Freude.

Bedeutet diese Rolle nicht auch Stress – der ganze Rummel drumherum?
Ich liebe es! Man bekommt ja vor allem Aufmerksamkeit, Freundlichkeit, Lächeln. Man wird auf der Straße gegrüßt, im Restaurant mit dem Namen angesprochen – das ist doch alles sehr schön.

Hat die Rolle Ihnen Türen geöffnet?
Das ist schwer zu beantworten. Es ruft  ja niemand an und sagt: „Diese Rolle biete ich Ihnen nur wegen der Buhlschaft an.“ Aber es ist ein wichtiger Schritt auf der Karriereleiter.  Nicht nur die Besetzung an sich, sondern auch, wie ich die Rolle und das Stück interpretiert habe. Wir alle haben unsere Rollen sehr stark ausgefüllt mit neuen Gedanken.

Die Idee war offenbar, auch feministische Gedanken in das Stück einzubringen.
Das ist auch gelungen. Obwohl: Ich habe nie „feministisch“ gesagt. Ich bin Feministin, das heißt nicht, dass die Buhlschaft eine ist. Wir wollten etwas zeigen, was mit unserer Zeit zu tun hat: Die Buhlschaft als selbstbestimmte Frau, die dennoch Hingabe zeigt. Eine Frau, die alle Facetten des Menschseins zeigen kann und darf.

Buhlschaft Altenberger: "Wir haben das Streiten verlernt"

Was bedeutet für Sie „Feministin“?
Ich bin schon sehr lange Feministin. Aber Feminismus kann nicht alleine gedacht werden. Das hängt mit einer gesellschaftlichen Haltung zusammen. Mit Antirassismus, Antiklassismus, Antikapitalismus. Ich bin ein politischer Mensch, und als solcher mache ich mir Gedanken über die Gesellschaft, in der wir leben, und wie sie verbessert werden könnte.

Sie sind das auch öffentlich, etwa in den sozialen Medien.
Mein Einstieg in die sozialen Medien hat mich zu einem Nachdenkprozess gezwungen: Stehe ich für Urlaubsfotos und Selfies – oder für mehr? Wenn ich nichts gesellschaftspolitisch Relevantes sagen will, sage ich lieber gar nichts.
Sie haben einmal getwittert: „Frau sein hat mich radikalisiert.“
Tweets erklären funktioniert in etwa so gut, wie Witze erklären. Ich versuche es: Man radikalisiert sich als Frau in der Gesellschaft, weil das Negative, das man als Frau erlebt, oft eben mit genau diesem Frau-Sein zusammenhängt.

Führen soziale Medien nicht grundsätzlich zu Radikalisierung?
Ja, soziale Medien können Menschen radikalisieren, ich bin da aber relativ immun. Wir haben als Gesellschaft das Streiten verlernt, unterschiedliche Meinungen zuzulassen, zuzuhören und Unterschiedlichkeiten mit Argumenten auszutragen. Wir halten uns oft die Ohren zu und rufen „Lalala!“. Das wird uns nicht weiterbringen.

Im Vorjahr gab es tatsächlich heftige Debatten wegen Ihrer kurzen Haare. Heuer sind die Haare länger – werden die Aufgeregten etwas Neues finden?
Solche Menschen finden immer etwas Neues. Das liegt aber an diesen Menschen, nicht an der Kunst. Der Zustand der Welt hat sich inzwischen so drastisch zugespitzt, dass ich es noch verwerflicher fände, über Haarlängen zu diskutieren.

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