Verena Altenberger über #MeToo: „Es bestehen ganz klare Abhängigkeiten“

Verena Altenberger und Arash T. Riahi sind Präsidenten der Akademie des österreichischen Films
Die profilierte Schauspielerin Verena Altenberger über #MeToo, sexualisierte Gewalt und die kleine österreichische Filmbranche

Verena Altenberger, Co-Präsidentin der Akademie des österreichischen Filmes, will  #MeToo bei der Filmpreisverleihung thematisieren.

KURIER: Worin sehen Sie die spezifische Problematik für sexualisierte Gewalt innerhalb der Filmbranche?

Verena Altenberger: Machtmissbrauch und sexualisierter Machtmissbrauch sind ein recht gut erforschtes Phänomen und man weiß, welche Situationen für sexualisierten Machtmissbrauch förderlich sein können. Davon treffen viele auf die Film- und Theaterlandschaft zu, wie beispielsweise das familiäre Arbeitsumfeld: Einerseits ist das sehr schön, andererseits aber führen diese „Verbandelungen“ dazu, dass sich Grenzen vermeintlich leichter verwischen.

In unserem Beruf ist es einfach normaler als beispielsweise in einer Bürosituation, dass man etwa Texte in einem Hotelzimmer bespricht. Wenn man zum Beispiel irgendwo in den Bergen dreht, kann es schnell einmal vorkommen, dass eine Besprechung im Hotelzimmer stattfindet, weil es sonst keine andere Möglichkeit gibt. Wenn man einen späten Drehschluss hat und noch etwas besprechen muss, ist es ebenfalls normal, sich noch ins Hotelzimmer zu setzen, zumal dann, wenn alle anderen Orte schon geschlossen haben.

In unserem Beruf arbeiten wir auch immer wieder auf sehr persönlichen Ebenen miteinander, teilen zum Beispiel auch Geschichten aus unserem privaten Umfeld. Auch dieses Eindringen in die Privatsphäre des Gegenübers, kann ein begünstigender Faktor sein.

Es werden vermeintlich Grenzen abgebaut, wenn man sich viel aus dem eigenen Leben erzählt. Wenn plötzlich mein Zahnarzt darüber redet, was mit seiner Ex-Ehefrau schiefgelaufen ist, wird mir das seltsam vorkommen und ich werde das Gespräch gegebenenfalls abbrechen, wenn ich mich unwohl fühle. Aber im Rahmen der künstlerischen Arbeit, etwa mit dem Regisseur, erzählt man sich manchmal persönliche Dinge, weil sie vielleicht hilfreich für die Erarbeitung der Rolle sind, die sich aus Erfahrungen aus unserem eigenen Leben speist. Ich will damit sagen, dass einfach mehr Situationen entstehen, die übergriffiges Verhalten vereinfachen. Deswegen passieren diese Dinge vielleicht im Film- und Theaterbereich auch ein bisschen öfter als im klassischen Büro.

Dann gibt es so etwas wie den „Klassenfahrteffekt“: Wenn ein Filmteam wochenlang miteinander unterwegs ist, dann werden abends auch einmal alle zusammen in der Bar etwas trinken und am nächsten Tag wieder zusammenarbeiten. Das ist vergleichbar mit der klassischen Weihnachtsfeier, kommt beim Film aber tendenziell öfter vor. Auch das ist einerseits sehr schön, eröffnet aber ebenfalls mehr Möglichkeiten für vermeintlich verschwimmende Grenzen und Übergriffe.

Wahrscheinlich ist auch der Umstand nicht hilfreich, dass die österreichische Filmbranche sehr klein und sehr hierarchisch aufgebaut ist?

In vielen Bereichen der Gesellschaft, aber auch in der Filmwirtschaft, bestehen starke Hierarchien und Abhängigkeiten. Gerade Österreich ist ein relativ kleiner Markt. Und gerade, wenn man als Jungschauspielerin anfängt, ist man darauf angewiesen, Rollen zu bekommen, sich zu beweisen, Folgeprojekte zu ergattern. Man muss weiterempfohlen werden, man muss sich bewähren, leider muss man oft immer noch als „unkompliziert“ gelten. Und man muss auch einfach Geld verdienen, um die Miete zu bezahlen. Es bestehen einfach ganz klare Abhängigkeiten – auch von persönlichen Empfehlungen.

Welche Schwierigkeiten sehen Sie für Betroffene, auf Missbrauch aufmerksam zu machen?

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