Was gerade bei ihm auffiel: Dass er völlig aus sich herausging und in seine Rolle kippte. „Es gibt ein tolles Gedicht von Thomas Brasch: Es geht darum, mich zu finden, indem ich mich verliere“, sagt Eidinger. „Durch die Entäußerung und das Expressive bin ich mehr bei mir als im Alltag – beispielsweise, wenn ich jetzt hier vor Ihnen sitze.“
Das habe aber nichts explizit mit dieser einen Rolle zu tun; Eidinger stellt den Jedermann in eine Reihe mit den großen Shakespeare-Figuren Hamlet und Richard III. Ihm geht es um Glaubwürdigkeit: „Sie herrscht, wenn es eine Übereinstimmung gibt zwischen dem, was ich denke, und dem, was ich sage.“
Auf der Bühne habe er, sagt Eidinger, eine Hypersensibilität für alles rund um ihn. Und das sei auf dem Domplatz von Salzburg natürlich verstärkt: Wenn die Wolken vorbeiziehen, der Wind geht. „Öffnen statt Eng-Werden“ sei das intuitive Konzept.
Von 2008 an spielte Eidinger in der Schaubühne am Lehniner Platz von Berlin den Hamlet, 2015 kam Richard III. hinzu. „Ich wollte immer schon den Richard spielen“, sagt Eidinger. „Er gilt als die Inkarnation des Bösen. Aber es ist vielmehr ein Stück darüber, wie jemand förmlich davor erschrickt, wie spielend leicht es ist, die Gesellschaft zu manipulieren und für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Das macht es so brisant und aktuell.“
Eidinger muss nicht lange nachdenken, ob er lieber Hamlet, Richard oder Jedermann verkörpert: „Hamlet. Wenn ich ganz ehrlich bin: Ich bräuchte außer William Shakespeare keinen anderen Autor. Wahrscheinlich würde auch nur dieses eine Stück, eben ,Hamlet‘, reichen. Denn eine elementarere Frage als ,Sein oder Nichtsein‘ kann man sich nicht stellen.“ Zudem habe er, sagt Eidinger, gelernt, dass bereits der allererste Satz einer Figur das Motiv, die Überschrift, das Thema beinhalte. Bei „Hamlet“ lautet er: „Wer da?“ Und dann stellt sich die Figur infrage …
Aber der Berliner ist nicht nur Schauspieler. Und er will auch nicht als ein solcher eingeordnet werden: „Das empfände ich als extreme Einschränkung. Ich möchte nicht DER Schauspieler sein. Ich bin ja nicht als Schauspieler geboren.“ Er verstehe, dass es die Sehnsucht gibt, jemanden zu kategorisieren. „Aber ich glaube, dass es nahezu fatal ist, Menschen über ihre Berufe zu definieren. Das ist ein Kriterium der Leistungsgesellschaft. Ich möchte frei sein in meinem Ausdruck – und da ist es völlig egal, ob ich das mit einer Kamera mache, mit einem Pinsel, dem Fotoapparat oder mit meinem Körper auf der Bühne.“
Eidinger ist – unter anderem – auch DJ. Und er musste feststellen: „Es ist richtiggehend irritierend, wie schwer es den Leuten fällt zu akzeptieren, dass die Person, die sie mit einem bestimmten Beruf in Verbindung bringen, noch etwas anderes macht.“ Manche hätten sich gefragt: „Er ist doch ein bekannter Schauspieler, was muss der jetzt auch noch Platten auflegen?“ Aber Eidinger kontert: „Ich lege Platten auf, seit ich zwölf Jahre alt bin. Und ich habe bereits 1998 eine Schallplatte veröffentlicht.“ Später begann er, seine Fotos auszustellen, die zumeist auf Reisen entstehen. Und wieder hieß es: „Ich dachte, er ist Schauspieler. Warum macht der jetzt eine Ausstellung?“
Tja, damit wird man leben müssen. Während der Festspiele gibt es gleich zwei Ausstellungen in Salzburg: Bis 26. August zeigt Eidinger seine Fotos unter dem Titel „Good Gosh“ in der Dependance der Galerie Alba (Imbergstraße 51–55, tägl. 13 bis 19 Uhr). Und am 21. Juli wird um 18.30 Uhr in der Leica Galerie (Gaisbergstr. 12, bis 10. 9., Di – Fr 14 – 18 und Sa 10 – 14 Uhr) die Schau „Black & White Thinking“ eröffnet. Es geht in den Fotografien zentral um eine Frage, die eng mit der Jedermann-Thematik verknüpft ist: Woran glauben wir? An das Geld?
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