Ob es nun um strukturelle Fragen wie die Gestaltung des Eingangsbereichs, die Nutzung einzelner Räume in Abstimmung mit dem "Haus der Geschichte" oder die lang ersehnte Auferstellung des antiken "Heroon von Trysa" in der Neuen Burg ging: Die Bestellung des Uffizien-Chefs Eike Schmidt als Nachfolger Haags 2017 bremste zweifellos die Lust der Direktorin Sabine Haag, in solchen Fragen Fakten zu schaffen. Als Schmidt dann kurzfristig absagte und Haag doch wieder das Heft in die Hand bekam, war viel inaktive Zeit vergangen. Und die Pandemie stand vor der Tür.
Vielfalt statt Marken-Image
Der Vielfalt des KHM gegenüber steht die Außenwahrnehmung, die meist auf wenige Objekte oder gar nur einen signifikanten Bau verknappt ist. Anders als das Belvedere, das mit dem Klimt-Kuss ein Aushängeschild hat, ist das KHM weniger einfach zu vermitteln. Touristen kommen dennoch - im Vor-Pandemiejahr stellten sie 77% der Besucher. Unter den Österreicherinnen und Österreicherinnen gibt es einige, die eine intensive Beziehung zum Haus und seinen Objekten pflegen - und viele, die das nicht tun. Die Idee, man betrete das Haus in seinem Leben zweimal - einmal als Kind am Arm seiner Eltern, und einmal als Elternteil mit einem Kind am Arm - ist eine, gegen die das Team mit Sonderausstellungen und Vermittlungsangeboten seit vielen Jahren ankämpft.
Zu bieten hat das Museum überbordend viel - von Ritterrüstungen über ägyptische Mumien, Kronjuwelen und magische Kunstkammer-Objekte bis zu einer Gemäldesammlung mit Hauptwerken von Rubens, Tizian, Giorgione oder Johannes Vermeer. Als eine Sammlung, die auf der Kultur und Sammelleidenschaft der Habsburgermonarchie gründet, ist das KHM eine wichtige Stimme im Konzert der europäischen Museen, in punkto Besuchszahlen (2022: 1,3 Millionen) bleibt es aber hinter dem Louvre in Paris (2022: 7,7 Millionen), dem British Museum in London (2022: 4 Millionen), den Uffizien in Florenz (2,2 Millionen) oder dem Rijksmuseum in Amsterdam (1,7 Millionen) zurück.
Beziehungsarbeit
Sabine Haag war 2009 mit der Mission angetreten, die Kunstkammer wieder zum Strahlen zu bringen. Dieser zentrale Sammlungsbereich des Museums erzählt auch enorm viel über die Bestrebungen der Habsburger, die Welt gewissermaßen durch Objekte zu bannen und zu ordnen. Die Neueröffnung im Jahr 2013, für die Haag auch eine beispiellose Image- und Sponsoringkampagne gefahren hatte, war zweifellos ein Höhepunkt in der jüngeren Geschichte des Museums. Ausstellungen zu Rubens (2017) oder Bruegel (2018) schufen die Assoziation mit großen, zugkräftigen Namen. Ein Programm für Moderne und Zeitgenössische Kunst, angeführt vom hervorragend vernetzten Briten Jasper Sharp, schaffte es, die Brücke zwischen Alten und Neuen Meistern zu schlagen.
Akute Fragen
Zugleich verschärfte sich in der Kulturwelt die Debatte über Macht, Repräsentation, Geschlechterfragen. War das Erbe einer katholischen Dynastie noch der Maßstab, von dem man sich hier Anleitung erhoffen konnte? Was hatten Festkultur und Adel im Heute noch zu suchen? Wie würde das KHM mit seinen eigenen Objekten aus kolonialen Kontexten umgehen? Mit Ausstellungen wie "Tizians Frauenbild" oder zuletzt der Großen Schau des Malers Georg Baselitz vermisste man eine klare Stimme aus dem Museum zu solchen Fragen. Der neue Leiter wird sie deutlich erheben müssen - und zugleich die vielen Baustellen des "großen Museums" zu managen haben.
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