Kommt der Lockdown? Kulturszene in "großer Sorge" und für Klarheit

WIENER HOLDING: SANIERUNG DES RAIMUND THEATERS
Der KURIER hat in allen Kultursparten nachgefragt, wie die Situation in der Coronavirus-Krise für die nächsten Wochen und Monate eingeschätzt wird.

Österreichs Kultureinrichtungen bleiben einstweilen offen. Im Gegensatz zu Deutschland will die Bundesregierung erst am Samstag bekanntgeben, welche weiteren Verschärfungen zur Eindämmung der Coronakrise umgesetzt werden. Zuvor wird die Regierung mit den Sozialpartnern, den Parlamentsparteien und den Landeshauptleuten Gespräche führen.

Der KURIER hat bereits in der Kulturszene nachgefragt, wie die Situation für die nächsten Wochen und Monate eingeschätzt wird.

Christian Kircher, Geschäftsführer der Bundestheaterholding (Staatsoper, Volksoper, Burgtheater), bereitet sich bereits darauf vor, dass die Theater kommende Woche geschlossen werden könnten. "Es hat keinen Sinn, die Augen zu verschließen." Sollte der Fall eintreten, würde der Großteil der Mitarbeiter erneut in Kurzarbeit geschickt. Wichtig wäre, dass zumindest der Probebetrieb aufrecht erhalten werden kann - um nach Ende der Restriktionen rasch wiedereröffnen zu können. Er gehe davon aus, dass der Staat als Eigentümer der Bundestheater notfalls Geld nachschießen werde. 

Das Kulturstaatssekretariat verweist auf die Maßnahmen, die am Samstag bekanntgegeben werden sollen. Bis dahin: "Kein Kommentar."  Die diversen Unterstützungsmaßnahmen laufen ohnedies und laufen weiter, heißt es.

In Deutschland ist bereits fix, dass am Montag ein Teil-Lockdown gilt. Theater, Opern- und Konzerthäuser sowie Kinos müssen im November für einen Monat schließen. Darauf hatten sich Bund und Länder angesichts der bundesweit steigenden Corona-Fallzahlen am Mittwoch geeinigt. Deutsche Branchenvertreter befürchten einen "kulturellen Kahlschlag".

Kinos: „Kaiserschmarrndrama“ verschoben

Erste Folgen hat die deutsche Entscheidung bereits für die österreichischen KinosDie bayerische Krimikomödie „Kaiserschmarrndrama“ wird auch in Österreich nicht am 12. November in den Kinos starten, wie Constantin Film am Nachmittag bekanntgab. Die Produktionsfirma bekräftigte aber die Absicht, weiterhin an einem Starttermin für 2020 festzuhalten. Ab der Wiedereröffnung der deutschen Kinos werde der Film auch in Österreich starten, hieß es in einer Aussendung. Der Start des Filmes im November war als Hoffnungssignal für die Kinobranche gewertet worden.

Christof Papousek, Geschäftsführender Gesellschafter der Cineplexx Kinobetriebe, sagt: "Es ist dramatisch, das kann ich jetzt schon sagen. Wir haben uns schon auf Kurzarbeit 3 angemeldet und entsprechende Rückgänge dokumentiert. Ich wünsche mir eine raschere Abwicklung der Instrumentarien, die als Hilfestellung eingerichtet wurden. Ganz dringend benötig wird der Fixkostenzuschuss 2, denn es braucht eine Unterstützung in Zusammenhang mit der Deckung der laufenden Kosten. Die Frage ist auch, wie lange der Fixkostenzuschuss gelten wird und ob er rückwirkend hineinrechenbar ist. Ganz wichtig wären auch unkomplizierte, unstrittige Staatsgarantien."

Michael Stejskal, Geschäftsführer des Filmverleihs Filmladen und Betreiber des Votivkinos. sagt: "Ich kann nur gebetsmühlenartig wiederholen: Es gibt keinen Grund zur Schließung, weil es weltweit keinen Nachweis dafür gibt, dass es im Kino oder in einem anderen Kulturbetrieb zu Infektionen gekommen ist. Es gibt also keine sachliche Grundlage, uns zuzudrehen." Wenn es zu einem Lockdown komme, wünsche er sich Klarheit: "Wie lange wird er dauern? Nicht so wie beim letzten Mal, wo er auf ungewisse Zeit angesetzt wurde."

Weiters sollte es Klarheit in Bezug auf finanzielle Hilfe geben, sonst werde die Luft sehr dünn, sagt Stejskal, "Für die Zeit des Lockdowns brauchen wir Soforthilfe. Es müsste ein Teil des entgangenen Umsatzes ersetzt werden. In Deutschland beispielsweise bekommt man  den entgangenen Umsatz mehr oder weniger ersetzt. Die Hilfe muss schnell, sofort und einfach sein, und nicht ein Bündel an kompliziert gestrickten Maßnahmen, wie das bisher der Fall war"

Bundesmuseen: So lange wie möglich offen

Seitens der Bundesmuseen verfolgt man das Anliegen, so lange wie möglich offen zu halten - solange sich Menschen frei bewegen dürfen, sieht man keinen Grund zuzusperren. "Die Museen können das auch gut handhaben", heißt es etwa aus dem KHM - man sei in Punkto Abstandsregelungen und Hygiene etc. gut eingespielt, der Andrang sei im Vergleich zum Normalbetrieb vor der Pandemie gering. Ob die Museen sich wie Parks als "öffentliche Orte ohne Konsumzwang" positionieren könnten, wie es der unabhängige Kulturberater Martin Fritz in einem Facebook-Posting fordert, müsse freilich die Politik entscheiden - gelte es doch auch, freien Eintritt anzubieten.

Peter Aufreiter, Direktor des Technischen Museum Wien (TMW) und derzeit Vorsitzender der Bundesmuseen-DirektorInnenkonferenz, erklärt: "Die Bundesmuseen haben in den letzten Monaten alle Bemühungen unternommen, um eine sichere kulturelle Teilhabe zu ermöglichen und als wichtiger außerschulischer Lernort Raum für Reflexion und Diskurs zu bieten. Außerdem ist das Museumspublikum grundsätzlich sehr diszipliniert und die Schutzmaßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen werden konsequent und routiniert umgesetzt. Besonders in dieser Ausnahmesituation ist der Zugang zu Museen auch ein wichtiges Zeichen der Stabilität und Offenheit für die in Österreich lebenden Menschen."

Karola Kraus, Direktorin des mumok, schlägt in die selbe Kerbe: „Meine Hoffnung ist, dass die Museen in Österreich im Fall eines neuerlichen Lockdowns – anders als in Deutschland - geöffnet bleiben können, als Angebot an Alle, die auch auf Grund der Jahreszeit sichere, inspirierende Orte suchen, um den eigenen vier Wänden zumindest zeitweise entfliehen zu können…...“

"Große Sorgen" in der Josefstadt

Beim Theater in der Josefstadt macht man sich "natürlich große Sorgen".  Man sei "stolz darauf, dass unser Präventionskonzept in Josefstadt und Kammerspielen, in das wir viel Geld und Mühe investiert haben, sehr gut funktioniert und wir bekommen dafür auch viel positives Feedback von unserem Publikum."

Ein weiteres Schließen würde für die Künstlerinnen und Künstler "sicherlich größte Frustration" bedeuten. Eine Entscheidung wie in Deutschland, den gesamten November nicht zu spielen, würde für die Josefstadt bedeuten:  "Dann würden 81 Vorstellungen entfallen. Damit wären zum heutigen Stand Einnahmen aus Kartenerlösen von rund 700.000 Euro rückzuerstatten oder in Gutscheine umzuwandeln. Dafür müssten die MitarbeiterInnen vom Vertrieb mit rund 17.000 Ticketkäufern in Kontakt treten und sich abstimmen."

Beunruhigt zeige man sich auch darüber, "dass je öfter wir Vorstellungen ausfallen lassen müssen, wir das Vertrauen unseres Publikums verlieren, die mit Abokäufen, Ticketkäufen immer zurückhaltender werden dürften." 

Nachsatz aus der Josefstadt: "Aber wenn wir damit wirklich Covid-19 einschränken können, dann muss das eben sein."

Obonya für Sperre: "Vernünftig und durchhaltbar"

Im Rahmen eines Interviews befragte der KURIER auch den Theater- und Filmschauspieler Cornelius Obonya, zu möglichen Schließungen im Kulturbereich. "Ich finde es richtig, was man in Deutschland und Frankreich derzeit macht. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das in Österreich aufgrund der steigenden Zahlen demnächst auch so sein wird. Ich halte diese Einschränkungen für sehr vernünftig, es muss sein. Fürs Erste ist das auch wirklich durchhaltbar, die Regierungen werden Geld in die Hand nehmen, wir müssen da alle gemeinsam durch."

Obonya, der am Samstag, 31.10. im ersten Ausseerland-Krimi auf ServusTV zu sehen ist, richtet noch einen dringenden Appell an die Menschen: "Was noch dringend in die Köpfe rein muss: Der Sommer hat gezeigt, wie leicht das alles wieder verschwindet, wenn man etwas nicht anweist. Wenn man tatsächlich auf die Freiwilligkeit setzt, dann tun alle so, als ob es nicht wäre. Die Pandemie war nie weg, sie war immer da. Es ist jetzt an uns allen gelegen, Vernunft walten zu lassen. Das haben sehr, sehr viele nicht getan, man hat auch viele Warnungen nicht gehört.

Jenen, die Verschwörungstheorien verbreiten, erklärt Obonya: "Haltet einfach einmal den Mund, hört endlich auf, euren Blödsinn durchs Netz zu blasen. Wir brauchen jetzt Zusammenhalt in Europa und weltweit, um die Situation in den Griff zu bekommen."

Rabenhof fordert Klarheit: "Kein No-Na-Net"

Beim Theater im Rabenhof zeigt sich Intendant Thomas Gratzer angriffig: "Der Kanzler und sein Regierungsteam sollten uns nicht permanent mit 'Jo, eh' und 'No-Na-Net'-Pressekonferenzen, wo irgendetwas in Aussicht gestellt wirdbelästigen." Das helfe weder den verunsicherten Zusehern, noch den Künstlern und auch den Theaterdirektorrn "keinen Millimeter" weiter. "Was wir jetzt brauchen, sind klare Aussagen und Vorgaben, die auch halten.“

"In der Tat ist es so, dass die Herbstsaison im Rabenhof wirklich sehr, sehr gut angelaufen ist und ein erneuter Lockdown wäre natürlich eine abermalige Katastrophe für alle Beteiligten. Hilfe gab’s bis jetzt noch keine - nur Ankündigungen. Ausnahme ist natürlich die Kurzarbeit. Wie lange wir es durchhalten? Keine Ahnung! Fakt ist, die Künstlerinnen, Künstler und wir haben natürlich den Wunsch und Willen, das Publikum nicht im Stich zu lassen."

Für Andreas Fuderer, den Geschäftsführer des Wiener Stadtsaals, "richtet jeder einzelne Spieltag, jede einzelne Veranstaltung, die nicht uneingeschränkt durchgeführt werden kann, einen gewissen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schaden an. Ohne entsprechender Unterstützung ist bei einer Schließung logischerweise kein einziger Tag durchzustehen. Die bisher definierten Hilfsmaßnahmen Fixkostenzuschuss und Kurzarbeitsförderung sind sinnvoll, reichen aber nicht aus, den zu erwartenden Schaden abzudecken. In Aussicht gestellt, aber bisher noch nicht vorgelegt, wurde eine Art von Ausfallsversicherung für geplante Veranstaltungen, die als weiterer Baustein zur finanziellen Abdeckung der eventuell frustrierten Planungsarbeiten sinnvoll erscheint. Insgesamt ist der bürokratische Aufwand zur Erlangung dieser Förderungen beträchtlich und eine Vereinfachung wäre wünschenswert."

WUK braucht Spender

Ohnehin schon äußerst angespannt ist die Situation in der Konzertbranche. "Wir werden die mühsam unter neuen Coronabedingungen konzipierten Shows voraussichtlich wieder absagen oder verschieben müssen. Hinzu kommt zusätzlicher organisatorischer Aufwand für die bereits vor der Pandemie geplanten, teilweise schon mehrmals verschobenen Veranstaltungen“, sagt Hannes Cistota, Musikchef im WUK.

„Im Vergleich zum Normalzustand rechnen wir mit einem neu dazukommenden Verlust von mindestens 50.000 EUR pro Monat. Das WUK ist als soziokulturelles Zentrum teilsubventioniert, doch um den Einnahmenentfall im Veranstaltungsbereich zu kompensieren, sind wir auf die Unterstützung unserer Spender angewiesen", sagt Astrix Exner, Leitung der Kommunikation im WUK.

Ruiss sieht "irreparable Schäden"

Die IG Autorinnen und Autoren sehen weitere Maßnahmen kritisch. Sprecher Gerhard Ruiss sagt: "Kunst- und Kulturveranstaltungen finden bereits jetzt streng reglementiert und ohne gastronomische Begleiterscheinungen statt, das Geschehen ist kontrollierbar und nachverfolgbar, neuerliche Beschränkungen in diesem Bereich würden den Betrieb zahlreicher Einrichtungen auf Jahre hinaus nachhaltig irreparabel beschädigen. Aus allen diesen Gründen appellieren wir dringend an die österreichische Bundesregierung, den für Österreich als Kulturnation zentralen Kunst- und Kulturbereich den Rücken zu stärken und von weiteren Belastungsproben abzusehen, die ihm auf Jahre hinaus großen Schaden zufügen würden."

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