Gedränge auf den Bühnen: So läuft der Neustart
Während es in den Publikumsrängen noch heißt: Nur jeder zweite Platz darf besetzt sein (Besuchergruppen dürfen zusammen sitzen), herrscht auf den Bühnenbrettern ab heute Gedränge. Viele Produktionen standen bereits in den Startlöchern und werden nun, da die Häuser wieder öffnen dürfen, gespielt.
Theater
Das Burgtheater bleibt zwar aufgrund von Renovierungsarbeiten geschlossen, aber auf seinen Nebenbühnen herrscht mit insgesamt acht Premieren Hochbetrieb. Das Akademietheater startet am 19. Mai, dem Tag der Wiedereröffnung, mit der Premiere von August Strindbergs „Fräulein Julie“ in der Regie von Mateja Koleznik. Auch in Kasino und Vestibül stehen Premieren an.
Neo-Intendant Kay Voges musste Monate lang darauf warten, das frisch sanierte Volkstheater zu eröffnen. Ab 26. Mai ist es soweit – mit Bernhards „Der Theatermacher“. Außerdem stehen Jandls „Der Raum“ (28. Mai), Becketts „Endspiel“ (2. Juni) und "Black Box“ von Stefan Kaegi/Rimini Protokoll (5. und 6.Juni) auf dem Programm.
„Voraufführungen“ nennt das Theater in der Josefstadt jene Neuproduktionen, die man in der restlichen Saison zeigt: gleich heute „Der Bockerer“ mit Johannes Krisch. Es folgen die Uraufführung „Die Stadt der Blinden“ (ab 27. Mai) und die Schnitzler-Dramatisierung „Der Weg ins Freie“ (ab 3. Juni). In den Kammerspielen wird „Die Dreigroschenoper“ mit Herbert Föttinger und Maria Bill gezeigt (ab 3. Juni).
Leider kein Wiedersehen mit dem großen Otto Schenk gibt es in Tschechows „Kirschgarten“. Die geplanten Abschiedsvorstellungen wurden nun – nach einer Probe mit dem 90-Jährigen – abgesagt.
Die Theater haben wieder offen – alleine sechs Premieren gibt es heute in Wien! – und wir Österreicher dürfen uns wieder mit dem beschäftigen, was uns angeblich das Zweitliebste nach dem Granteln ist: Ins Theater gehen und nachher darüber granteln.
Es ist ja auch wahr: Immer nur über das Wetter oder die Fußball-Nationalmannschaft schimpfen, das ist auf Dauer auch nicht abendfüllend.
Viel schöner ist es doch, sich darüber zu beklagen, dass der Regisseur X keine Ahnung von Nestroy hat, die Schauspielerin Y immer nuschelt, der Schauspieler Z aus Deutschland kommt, dass in der Inszenierung in der Dingsbums-Bühne jemand nackt ist, und im Sowieso-Theater jemand, wir wissen es nicht, haben es aber gehört, auf die Bühne wischerlt.
(Der Großvater Ihres Autors wusste sogar, dass es im Burgtheater echten Sex auf der Bühne gibt, dabei war er in seinem ganzen Leben nicht nur nicht im Burgtheater, sondern überhaupt in keinem Bühnenhaus. Die Empörung darüber versetzte ihn jahrelang in Hochstimmung.)
Und manchmal, manchmal, kann es sogar passieren, dass uns das Theater mit festem Griff am Krawattl und an der Seele packt, uns ergreift, erschüttert, begeistert, um große Emotionen und Erkenntnisse reicher macht. Trauen Sie sich ruhig wieder ins Theater: Es ist wie beim Radfahren – Theater besuchen verlernt man nicht.
Musiktheater
Die Staatsoper gestaltet den heutigen Auftakt mit Frank Castorfs neuer „Faust“-Inszenierung. Es folgen die Ballett-Wiederaufnahme „A Suite of Dances“, eine „Tosca“ mit Piotr Beczala und vor allem die Premiere von „L’incoronazione di Poppea“ (22. Mai). Ab 26. Mai geht es mit dem ursprünglichen Spielplan weiter. Es stehen noch einige Publikumspremieren der zuletzt aufgezeichneten Werke an.
Das Theater an der Wien kann nun wie geplant am 26. Mai in der Kammeroper mit dem „Tristan Experiment“ von Regiedebütant Günther Groissböck die letzte Saisonpremiere feiern. Im Haupthaus werden nun im Juni das Kabarett "Reif für die Insel" (in der Hölle) und das Kinderprojekt "Figaro und die Detektiv*innen" sowie die zwei konzertanten Opern „Armida“ und „Cajo Fabricio“ nachgeholt.
Die Volksoper hat bereits heute eine Premiere zu bieten: die Operettenrarität „Der Teufel auf Erden“ (siehe Infobox unten), gefolgt von Sondheims Broadway-Highlight „Into the Woods“ am 27. Mai.
Ab 26. Mai steht Andrew Lloyd-Webbers Erfolgsmusical „Cats“ wieder auf dem Spielplan des Wiener Ronacher.
Wenn Beelzebub nicht in der Hölle bleiben will
Premiere. Es war schon eine teuflische Gemeinheit. Alles war bereits angerichtet für die Aufführung am 5. Dezember 2020. Dann jedoch kam die Pandemie leider wieder stärker zurück. Alle Theater mussten schließen. Es folgte der nächste Lockdown. Und der Teufel in Franz von Suppès Operette „Der Teufel auf Erden“ aus dem Jahr 1878 saß im Lockdown und musste in seiner „Bühnenhölle“ schmoren.
Heute, Mittwoch, aber ist es endlich soweit: Satan persönlich darf in der Wiener Volksoper sein überaus komödiantisches Unwesen treiben und aus seinem dunklen Reich entweichen.
Nervige Dauergäste
Denn sein Job mit nervigen Dauergästen wie Donald Trump oder Elfriede Jelinek freut den Beelzebub gar nicht mehr. Er will auf der Erde etwas erleben. Doch das geht natürlich gar nicht.
Und so schickt die Hölle eben ihren Knecht Ruprecht (Robert Meyer) los, um den Abtrünnigen wieder an seinen Arbeitsplatz zu bringen.
Doch da man Ruprecht (aus diversen Gründen) diese Aufgabe allein nicht zutraut, bekommt er einen Helfer wider Willen: Rupert (Christian Graf), ein arbeitsloser Ex-Engel, soll bei dieser heiklen Mission helfen.
Der Beginn einer Art Zeitreise, die in der Tanzschule Höllmayer und dabei auf dem Wiener Opernball ihren Höhepunkt findet . . .
Das alles klingt wenig nach Suppès und seinen Librettisten? „Ja und nein“, erklärt Regisseur Hinrich Horstkotte im KURIER-Gespräch. Denn: „Die Musik – es gibt da viele Walzer und Märsche – haben wir streng nach Suppès Originalautograf revidiert. Doch es gibt auch einen Grund, weshalb das Stück selten Eingang in die Spielpläne gefunden hat – das ist der Text.“
Kabarett vom Feinsten
Denn Suppès und all seine Mitstreiter haben 1878 real existierende Personen persifliert, die wir heute nicht mehr kennen. „Das damalige Publikum aber muss gelacht haben, denn da ist Kabarett vom Feinsten drinnen. Also hat Alexander Kuchinka den damals gültigen Text ins Heute übertragen, damit auch unser Publikum hoffentlich lachen kann. Ich wiederum habe mich für eine Zeitreise entschieden. Ein Nonnenkloster im 17. Jahrhundert, eine Kaserne im 19. Jahrhundert und eine Tanzschule im Heute – das ist natürlich Wien geschuldet – sind unsere Schauplätze dieser Schnitzeljagd, bei der wir zusätzlich mit vielen optischen Attraktionen spielen können“, so Horstkotte, der wieder sein eigener Ausstatter ist.
Was das Publikum aus dieser Operette (eine Koproduktion mit Chemnitz) mitnehmen soll? Horstkotte: „Suppès tolle Musik, viele Lacher und die Freude darüber, dass wir endlich wieder spielen dürfen. Denn in Zeiten der Pandemie ist ein bisschen Unterhaltung mit Haltung kein Fehler. Und die Theater sind absolut sichere Orte für jede Form von Spaß.“
(Peter Jarolin)
Konzert
Am Sonntag, dem 23. Mai, präsentieren Ernst Molden und der Nino aus Wien ihr neues Album "Zirkus" live im Wiener Rabenhof. Es sind zunächst hauptsächlich heimische Popmusiker, wie etwa Voodoo Jürgens (Wienerlied-Festival Wean hean ab 19. Mai), die auf den Bühnen stehen.
Während im Popbereich noch kleinere Brötchen gebacken werden, weil man auf größere Stehplatzkonzerte angewiesen ist, schaltet das Wiener Konzerthaus gleich auf „Hochbetrieb“. Am 19. Mai beendet die Camerata Salzburg unter Andrew Manze und mit Andreas Haefliger am Klavier die Unterbrechung des Spielbetriebs im Großen Saal. Im Mozart-Saal sind am gleichen Abend drei "Great Talents" des Wiener Konzerthauses, Pianist Aaron Pilsan, Geiger Jevgēnijs Čepoveckis und Cellistin Julia Hagen, zu erleben.
Der Wiener Musikverein nimmt den Konzertbetrieb am selben Tag mit dem Gustav Mahler Jugendorchester unter Daniele Gatti und am 20. Mai mit einem Beethoven-Konzert Daniel Barenboims am Klavier wieder auf.
Kabarett
Auch die Kabarettszene startet wieder durch: Der Wiener Stadtsaal eröffnet gleich am 19. Mai mit der Premiere von Lukas Resetarits’ 28. Solo-Programm „Das Letzte – Kein Abschied“. Am 10. Juni folgt ein weiterer Kapazunder. Josef Hader präsentiert nach „Hader muss weg“ (2004) wieder ein neues Solo: „Hader on Ice“.
Das Theater im Park öffnet schon am 21. Mai seine Pforten, wenn Michael Niavarani Night-Talk-Legende Harald Schmidt zum Freiluftgespräch auf die Bühne bittet.
Kino
Die Multiplexe warten noch auf US-Blockbuster. In kleineren Lichtspielhäusern gibt es schon ab heute Reprisen und Arthouse-Filme wie "Was wir wollten" mit Lavinia Wilson und Elyas M'Barek. Der österreichische Film von Ulrike Kofler war bisher pandemiebedingt nur auf Netflix zu sehen, aber dort sehr erfolgreich.
Am 27. Mai startet der Oscar-Abräumer „Nomadland“ von Chloé Zhao. Ab 1. Juni machen dann Filmfestivals Lust auf mehr: Das Crossing Europe in Linz, dann ab 8. Juni die Diagonale in Graz.
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