Auch Kinos warten auf einen Ketchup-Effekt
Mit dem angekündigten breiten Öffnungsschritt will die Regierung Perspektiven dafür geben, was ab Mitte Mai endlich wieder möglich sein soll. Was die österreichischen Kinos betrifft, könnte aber auch dieses Datum noch zu früh sein.
Branchensprecher Christian Dörfler vom Kinoverband sagt, dass ein Öffnen am 19. Mai aus seiner Sicht als Kinobetreiber (Wiener Haydn Kino) „wirtschaftlich nicht vertretbar erscheint, wenn sich davor an der Öffnungssituation in Deutschland nichts ändert.“
Keine Lieferung
In mehreren Ländern Europas - etwa Italien, demnächst Frankreich - sperren die Kinos wieder auf. Auch in den USA ist das bereits, nach Bundesstaaten gestaffelt, geschehen. Das ändert aber wenig an der Situation hierzulande. „Da geht es uns wie dem Gastronom, der seinen Gasthof öffnen darf, aber von seinem Lieferanten keine Getränke und Speisen geliefert bekommt“, meint Dörfler. „Solange Deutschland nicht aufmacht, kommen auch die großen US-Filme nicht nach Österreich.“
Zudem würden die Filme für den großen deutschen Markt synchronisiert, auch in dieser Hinsicht sei ein kleiner Markt wie Österreich stark von der deutschen Entwicklung abhängig.
In der deutschen Corona-Politik gilt derzeit, dass vergleichbare Öffnungsschritte erst ab der Unterschreitung eines 7-Tages-Inzidenzwertes von 100 bundesländerweise in Kraft treten. Das erfüllt im Moment nur Schleswig-Holstein, bundesweit hielt man am Donnerstag bei einem Wert von 155.
Viele Filme stehen bereit
Sobald im nördlichen Nachbarland die Kinos öffnen, ist aber - ähnlich ersehnt wie bei den Impfstoffen - mit einer Art „Ketchup-Effekt“ zu rechnen: Dass viele Filme, die vor und während der Pandemie produziert wurden, in relativ rascher Abfolge anlaufen. Im Sommer könnten dann US-Blockbuster wie „Fast & Furious 9“ und „Black Widow“ auch hierzulande als Zugpferde dienen.
Bei der größten heimischen Kinokette, Cineplexx, freut man sich über „die Aussicht auf Öffnungsschritte“, bleibt aber vorsichtig. Man arbeite „intensiv mit den Studios und Filmverleihern zusammen, um zu sehen, zu welchem Zeitpunkt die vielen bereitstehenden Filme gestartet werden“, sagt ein Sprecher und verweist auf „aktuelle regionale Entwicklungen und Entscheidungen in den Bundesländern.“ In Wien etwa ist eine breite Öffnung am 19. Mai noch keineswegs gewiss.
Fragile Situation
Auch die Modellregion Vorarlberg zeigt, wie fragil die Situation ist. Am Karfreitag startete etwa das Cineplexx Hohenems seinen Probebetrieb. Bereits nach Ostermontag war wieder Schluss. Der Zuschauerzuspruch war – auch in Ermangelung neuer Filme – nicht groß genug.
Optimistischer sind die kleineren Kinos. „Selbstverständlich werden die Programmkinos vom ersten Tag an öffnen“, sagt Votivkino- und Filmladen-Chef Michael Stejskal, "Bei einem Großteil der Sicherheitsauflagen können wir auf erprobte Konzepte aus dem letzten Jahr zurückgreifen. Es ist uns aber bewusst, dass die neu hinzugekommenen Maßnahmen wie Testpflicht, Sperrstunde, Registrierungspflicht für das Publikum zusätzliche Hürden aufbauen und ein Mehraufwand für uns sind."
Im Gegensatz zu den Multiplexen könnten die Programmkinos "einen Mangel an neuen Filmen für einen begrenzten Zeitraum mit Spezialprogrammen, Sonderveranstaltungen und Wiederaufführungen etwas leichter überbrücken. Aber auch uns werden im Mai neue Filme bitter fehlen", sagt Stejskal. Mit Arthouse-Zugpferden wie dem dreifachen Oscar-Gewinner „Nomadland“ ist frühestens im Juni zu rechnen.
Filmfestivals als "mobilisierender Faktor"
Die heimischen Filmfestivals Vienna Shorts (27. Mai bis 1. Juni), Crossing Europe (Linz, 1. bis 6. Juni) und die Diagonale (Graz. 8. bis 13. Juni), die kurz nach dem von der Regierung angepeilten Öffnungsdatum über die Bühne gehen sollen, haben jedenfalls jede Menge Österreich-Premieren und Uraufführungen eingeplant.
"Knapp nach dem Lockdown sind die Festivals für uns besonders hilfreich", sagt Stejskal, "sie tragen hoffentlich dazu bei, dass Kinobesuche möglichst schnell wieder selbstverständlicher Teil des Alltags sein werden."
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