Die Salzburger Festspiele begannen mit der triumphalen Aufführung eines Werkes, das nicht zum Kanon der weltbesten gehört: „Jedermann“ in neuer Besetzung. Und sie werden am 31. August mit „Tosca“ und Anna Netrebko enden. Dazwischen lagen professionelles Corona-Management, hochkarätige Konzerte und im Opernbereich eine Neuproduktion, über die man noch lange diskutieren wird: Mozarts „Don Giovanni“ in der Inszenierung von Romeo Castellucci und mit Teodor Currentzis am Pult der MusicAeterna. So viel Rätselhaftes, gezielt Verrätseltes und dirigentisch Provokantes erlebt man selten an einem Abend.
Als Erfolge werden die Premiere von Luigi Nonos „Intolleranza 1960“, die Wiederaufnahme der „Elektra“ von Strauss (beide mit den fabelhaften Wiener Philharmonikern) sowie die Übernahme von Händels „Il trionfo“ von den Pfingstfestspielen der grandiosen Cecilia Bartoli in Erinnerung bleiben.
Eine Frage bleibt: Waren es wirklich die letzten Festspiele der Präsidentin?
Rückblick: Wie Helga Rabl-Stadler über die Jahre hinweg die Festspiele prägte
Der erste Präsident war Alexander Prinz Thurn und Taxis, danach kamen unter anderem Richard Strauss, Heinrich Baron Puthon (als längstdienender), Bernhard Paumgartner, Albert Moser, Heinrich Wiesmüller und ab 1995 Helga Rabl-Stadler als erste Frau.
Sie hat die Festspiele geprägt wie wenige zuvor. Sie hat mit sechs Intendanten zusammen gearbeitet. Und sie ist heute für die breite Öffentlichkeit das Gesicht der Festspiele, obwohl sie für künstlerische Entscheidungen gar nicht zuständig ist.
Ihr Vertrag läuft bis Ende des Jahres. Und obwohl sie mehrfach betont hatte, keine weitere Verlängerung anzustreben, kann man sich Festspiele ohne sie kaum vorstellen. Wer weiß, vielleicht dreht sie ja doch noch eine Ehrenrunde, bis dann ein anderer Salzburger Politiker, etwa der amtierende Landeshauptmann Wilfried Haslauer, übernimmt.
Rabl-Stadler, geboren 1948 als Tochter des langjährigen ORF-Chefs Gerd Bacher, war Journalistin (u. a. beim KURIER), Politikerin (bei der ÖVP), Wirtschaftskammer-Chefin und Unternehmerin in Salzburg. All das hat sie für den Job der Präsidentin qualifiziert. Dennoch hatte sie anfangs mit starkem Gegenwind zu kämpfen.
Als Journalistin wusste sie um die Bedeutung der Medienarbeit und Positionierung bescheid und nahm all das selbst in die Hand. Als Wirtschaftsexpertin kann sie mit Geld und mit Menschen, die viel davon haben, umgehen und ist eine erstklassige Finderin und Betreuerin von Sponsoren (zwischendurch war sie sogar kaufmännische Leiterin). Und als Politikerin wusste sie die Festspiele durch turbulente Zeiten zu führen, mit ihrem (politisch besetzten) Kuratorium raffiniert umzugehen und verschiedene Bundesregierungen an Bord zu halten. Dass die Festspiele 2020 trotz Corona stattfanden, war vor allem ihr Verdienst.
Die Geschichte Rabl-Stadlers ist aber nur durch die Beziehungen zu ihren jeweiligen Intendanten zu verstehen. Unter Karajan-Nachfolger Gérard Mortier gab es legendäre Auseinandersetzungen, vor allem mit Schauspieldirektoren, Beleidigungen inklusive. Mit Jürgen Flimm beruhigte es sich etwas, wurde aber fader, was ihre Macht zementierte. Peter Ruzicka wiederum ging es fast ausschließlich um die Kunst, was ihren Einfluss im Hintergrund festigte. Unter Neueinsteiger Sven-Eric Bechtolf konnte sie bereits wie ein Superprofi auftreten. Mit Alexander Pereira war es extrem kompliziert, weil dieser alle Macht an sich reißen wollte. Davor ist sie unter Markus Hinterhäuser gefeit. Der hält sich am liebsten im Hintergrund, überlässt ihr das Podium, sogar künstlerische Analysen und Kontakte mit Politik und Öffentlichkeit. Heute ist sie als Präsidentin gleichzeitig Innen- und Außenministerin.
Sie hat aus einem Job, der davor ein Repräsentationsamt war, einen hochkarätigen (und auch gut bezahlten) gemacht, ist in der Kulturszene nach anfänglichen Zynismen mittlerweile enorm geschätzt und die eigentliche Regisseurin der Festspiele. Helga Rabl-Stadler, eine der erfolgreichsten Inszenierungen in Salzburg. Wiederaufnahme gar nicht ausgeschlossen. (geko)
Salzburgs Schauspielbilanz: Starke Jederfrauen und ein mächtiger Tod
Ein sehr interessanter neuer „Jedermann“, eine wilde Shakespeare-Bearbeitung, eine Ausstellung von Schillers Sprache und eine unspektakuläre Ausgrabung – vor allem aber viele starke Frauen: Das ist die Bilanz des Schauspiels in der abgelaufenen Salzburger Festspielsaison.
„Jedermann“ ist diesmal ein Jederpaar: Die famose Verena Altenberger spielt sich als Lars Eidingers Buhlschaft in den Mittelpunkt, stiehlt ihrem Jedermann sogar ein paar Verse und macht deutlich, dass es in diesem Text um alle geht, nicht nur um die Männer.
Auch Mavie Hörbiger als Gott/Teufel und Edith Clever als eisiger, greisenhafter Tod zeigen in Michael Sturmingers gründlich überarbeiteter, sehr körperbetonter, viel bejubelter Inszenierung Frauen-Power.
Auch in Karin Henkels Shakespeare-Bearbeitung „Richard The Kid & The King“ und in Martin Kušejs Schiller-Inszenierung „Maria Stuart“ (beides auf der Perner-Insel) hat der Tod viel zu tun. Auch hier dominieren großartige Darstellerinnen, Lina Beckmann als Richard, Birgit Minichmayr als Maria und Bibiana Beglau als Elisabeth sind beeindruckend gut. Hoch interessant ist der unterschiedliche Umgang mit Sprache: Shakespeares Geschichte wird sprachlich in die Gegenwart geholt und betont rüde erzählt, Schillers Verse werden wie kostbare Ausstellungsstücke behandelt.
Bleibt noch „Das Bergwerk zu Falun“. Wie so oft stellt man fest: Es hat meist einen Grund, warum unbekannte Texte unbekannt sind. Das frühe Stück von Hugo von Hofmannsthal erwachte auch in Jossi Wielers Bearbeitung und Inszenierung am Landestheater nicht zu neuem Leben. (guitar)
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