Christoph Waltz' "Fidelio": Stehtheater im Fernsehen
Es hätte die Premiere schlechthin zum Beethoven-Jahr (250. Geburtstag des Komponisten) werden sollen. Dessen einzige Oper „Fidelio“ in der selten gespielten zweiten Fassung im Theater an der Wien und in der Regie des zweifachen Oscarpreisträgers Christoph Waltz, der sich bereits zum dritten Mal an einer Operninszenierung versuchen wollte.
Dann aber kam Corona – die Folgen sind bekannt. Keine Premiere, kein Publikum, aber immerhin ein „Fidelio“. Denn ORF 2 brachte das Probenmaterial in einer Art Fernsehpremiere dennoch unter das Volk; in der gewohnt professionell-guten Regie von Felix Breisach. Der wiederum arbeitet bekanntlich filmisch, was auch für Christoph Waltz ein Glücksfall war.
Denn dieser Treppenwitz einer Inszenierung hätte wie die zurecht mit einem Buhorkan bedachte Interpretation der ersten „Fidelio“-Fassung von Amelie Niermeyer an der Wiener Staatsoper live wohl auch Widerspruch erfahren. Dabei beginnt alles sehr gut. Waltz verzichtete auf eine Bebilderung der Ouvertüre, danach zeigt sich eine imposante, auch an James-Bond-Signations gemahnende Treppenlandschaft. Immerhin ist Waltz ja der amtierende Blofeld und somit Bonds ewiger Gegenspieler.
Doch das war es dann auch schon mit Action! Denn das Bühnenbild – entworfen vom amerikanisch-deutschen Architekturbüro Barkow Leibinger – macht danach, was ein Bühnenbild so machen kann: Es ist einfach da. Und es ermöglicht durchaus den einen oder anderen interessanten Auftritt oder Abgang. Mehr nicht.
Es wird von der Lichtregie (Henry Braham) her dunkel, wenn Florestan über Dunkelheit singt. Es wird hell, wenn am Ende die „eheliche Liebe“ triumphiert.
Dazwischen stehen Menschen in seltsamen Mao,-oder Blofeld-Uniformen (Kostüme: Judith Holste) herum und singen. Abstraktion pur, die trotz viel treppauf und treppab auf jede Erzählung oder gar Interpretation (bewusst?) verzichtet und sich in absoluter Statik erschöpft. Dank der Fernsehregie sieht man immerhin schöne Close-ups.
Was man hört? Die Wiener Symphoniker, die unter der Leitung von Manfred Honeck einen sehr präzise ausgearbeiteten „Fidelio“ realisieren. Spannung mag aber dennoch nicht recht aufkommen. Trotz der Tatsache, dass mit Honecks Bruder Rainer der Konzertmeister der Wiener Philharmoniker als prominent-gute Leihgabe gewonnen werden konnte.
Ja, der Arnold Schoenberg Chor ist auch im Stehtheater vokal wie immer exzellent. Die Solisten agieren tapfer. So müht sich Nicole Chevalier redlich mit der anspruchsvollen Partie der Leonore; viel zu tun hat sie szenisch nicht. Eric Cutler als Florestan klingt hingegen gefährlich ausgesungen. Christof Fischesser ist ein biederer Rocco; Gábor Bretz ein sicherer Don Pizarro.
Wirklich aufhorchen lässt Mélissa Petit als auch darstellerisch eigeninitiativ tätige Marzelline, die in Benjamin Hulett eine braven Jaquino findet. Der letztlich alle rettende Minister Don Fernando findet bei Károly Szemerédy szenisch bedingt kaum statt.
Am Ende bejubelten mangels Publikum alle Beteiligten einander gegenseitig. Vor den Bildschirmen war man da jedoch schon auf Schlafmodus programmiert.
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