Beethoven 2020: Er war (auch) Superstar und Revolutionär

Beethoven 2020: Er war (auch) Superstar und Revolutionär
2020 wird der 250. Geburtstag des Komponisten gefeiert. Insbesondere in Wien, wo Ludwig van Beethoven zu einem der bis heute beliebtesten Musiker wurde.

Er hat einige der eingängigsten Ohrwürmer der Klassikgeschichte geschrieben, und man hat gleich mal etwas im Ohr: Wie wäre es etwa mit Tatata-taaaaa? Oder „Freude schöner Götterfunken“?

Das ist natürlich eine unerlaubte Verkürzung, aber Ludwig van Beethoven hält das aus. Er ist eine unantastbare Säule des gesamten Klassikbetriebs, und er war schon zu Lebzeiten in Wienobwohl Falco den anderen gemeint hat – ein Superstar.

Und Beethoven war auch, das wird man heuer noch öfters hören, ein Revolutionär. Nicht nur im Musikalischen, wo er begeisterte – und aneckte. Auch im Gesellschaftlichen: Im keinesfalls überaufgeklärten Wien der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert war er eine Stimme der Toleranz, der Brüderlichkeit, der Freiheit. Darauf stürzen sich nun auch die Wiener Feierlichkeiten.

Dabei ist Beethoven, natürlich, eine wesentlich komplexere Figur – und seine Beschwörung der Freiheit wurde später in vielerlei Hinsicht und von allen politischen Lagern missbraucht.

Von Bonn nach Wien

Zwei Städte feiern heuer besonders: Bonn, wo Beethoven 1770 geboren wurde, man glaubt am 16. Dezember, aber das ist nicht eindeutig belegt. Und seine Wahlheimat Wien, wo er ab 1792 bis zu seinem Tod 1827 lebte und wirkte. „Wien als Welthauptstadt der Musik ist ohne Beethoven schwer vorstellbar“, lässt man wissen – und versammelt mit einem eigenen Koordinationsbüro (Wien Beethoven 2020) all die Aktivitäten, die in den Kulturinstitutionen die 250-Jahr-Lorbeeren abholen.

Da gibt es schon im regulären Betrieb keinen Mangel. Heuer aber heißt es: Alles Beethoven.

Allein im ersten Halbjahr gibt es mehr als 200 Veranstaltungen, es startet mit dem heutigen Neujahrskonzert (siehe Außenseite) und geht über – natürlich – Konzerte und Opernaufführungen bis hin zu Ausstellungen und einem Schiff, das von Bonn nach Wien fährt und jungen Menschen für den Komponisten interessieren will.

Es wird 2020 alles andere als schwierig, mit Beethoven in Berührung zu kommen: So schnell kann man gar nicht schauen, steht schon eines seiner bekannten Werke auf dem Konzertprogramm.

Das Jahr ist für viele eine willkommene Gelegenheit, diese viel geliebten Werke Beethovens – von denen jeder mehr kennt, als ihm vielleicht bewusst ist – wieder zu besuchen. Es gibt viele spannende Neueinspielungen, die Konfrontation mit Beethoven auch an ungewöhnlichen Orten, Beethoven virtuell und im Fernsehen.

Übersetzung

Die größte Herausforderung wird aber für das Beethovenjahr die selbe sein, wie auch sonst in der klassischen Musik: Wie man nämlich das wunderbare Schaffen auch jenen präsentiert, die noch nicht bekehrt sind, also an jene, die Beethoven sonst weniger kümmert.

Eine interessante Herausforderung: Denn Beethoven ist ohnehin einer der meistgespielten Komponisten überhaupt. Über einen zusätzlichen Popularitätsschub wird hier kaum etwas zu bewegen sein. Als Person aber ist der Anecker und Frauenheld, der Innovator und Grantscherm nicht das leichtestgängige Identifikationsbild.

Dennoch haben die Feierlichkeiten einen gleichsam glücklichen Moment erwischt: Denn 2020 darf man Beethoven in einer Art ursprünglichem Kontext neu hören: Es stellen sich ähnlich gelagerte Herausforderungen, die mit Beethoven in Konnex stehen, wie zu dessen Lebzeiten.

Neu erobern

Der Komponist stellte etwa die Kunst über alles – denn diese eroberte zu seinen Lebzeiten im Adel und im aufkeimenden Bürgertum erst ihren herausragenden Stellenwert, eine Position, die sie auch heute wieder neu erkämpfen muss.

Und, so wird auf der Wiener Beethoven-Webseite festgehalten: Beethoven steht für den europäischen Aufbruch. Auch hier ist ein inzwischen bereits gewonnen gewesener Kontext neu zu erobern.

Natürlich droht wie in jedem Jubiläumsjahr auch die Überspanntheit: Beethovens Wahlwienertum und heutige Fragen der Migration will man zusammenbringen, Beethoven wird remixt und neu komponiert und wissenschaftlich erforscht und so weiter. Man wird dann auch wieder froh sein, wenn das Beethoven-Jahr vorbei ist.

Dazwischen aber sind viele Meter zu machen. Das allgemein bekannte Bild von Beethoven ist ein durchaus vages, das man ergänzen und bereichern kann. Und gerade die verdichtete Gelegenheit, Werke mehrmals – auf höchstem Niveau anders interpretiert – zu hören, kann neue Ohren für die klassische Musik öffnen.

Die Wiener Jahre

Inzwischen lohnt es sich aber, kurz nachzublättern: Beethovens Wien-Zeit war geprägt von Geldgebern (und Streit mit diesen), hier entstanden in nur zehn Jahren viele der wichtigsten Werke, hier führte er die Musik von Mozart und Haydn an die Romantik heran, hier bezeugte er im „Heiligenstädter Testament“ (1802) seine tiefe Lebenskrise angesichts der fortschreitenden Ertaubung. In dieser Zeit schrieb Beethoven den Brief an seine „Unsterbliche Geliebte“, wobei bis heute unklar ist, wen wer meinte.

In Wien erkrankte Beethoven schwer, woran, darüber gibt es sicher 2020 noch viel Neues zu sagen.

Hier starb er, auch und von hier aus warf er einen überlebensgroßen Schatten auf seine Nachfolger.

2020 nun wird er hier wieder gefeiert.

Beethoven 2020: Er war (auch) Superstar und Revolutionär

Höhepunkte im Beethoven-Jahr

Ein spannender Vergleich: In der Staatsoper steht Beethovens „Fidelio“ in der Urfassung fünf Mal von 1. bis 14. 2. und in der jüngsten Fassung aus 1814 vier Mal von 22. 4. bis 2. 5. auf dem Spielplan.

Mit Spannung erwartet wird unter vielen Veranstaltungen im Theater an der Wien „Fidelio oder Die eheliche Liebe“ in der Inszenierung des zweifachen Oscar-Preisträgers Christoph Waltz (16. bis 27.3). Diese zweite „Fidelio“-Fassung aus dem Jahr 1806 wird von Manfred Honeck dirigiert, es spielen die Wiener Symphoniker.

Höhepunkte im Wiener Konzerthaus sind die Rekonstruktion eines berühmten Konzerts, der „Großen Beethoven Akademie“ von 1808 am 11. 1. und die Konzerte mit dem Pianisten Igor Levit (5. und 7. 6.). Und mit dem Beethoven Orchester Bonn spielen die Wiener Symphoniker am 15. 5. ein Open-Air-Simultankonzert.

Im Musikverein spielt Rudolf Buchbinder einen eigenen Beethoven-Zyklus. Die Wiener Philharmoniker führen unter Andris Nelsons die Symphonien auf. Und die Kammermusik Beethovens wird im Zyklus „Beethoven heute“ Werken der Gegenwart gegenübergestellt.

Auch die Salzburger Festspiele (18. 7. bis 30. 8.) feiern nicht nur ihr 100-Jahr-Jubiläum, sondern auch Beethoven, u.a. mit Igor Levit.

Die Österreichische Nationalbibliothek zeigt im Prunksaal die Sonderausstellung „Beethoven. Menschwelt und Götterfunken“ (bis 19. 4.), das Kunsthistorische Museum mit „Beethoven bewegt“ (ab 25. 3.) eine ungewöhnliche Hommage in Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen, in Film, Video und Performance – und das Leopold Museum „Inspiration Beethoven: Eine Symphonie in Bildern aus Wien 1900“ (ab 30.5.). Das Mozarthaus Vienna präsentiert die Schau „Die Trias der Wiener Klassik: Haydn – Mozart – Beethoven“ (ab 13. 2.) und das Haus der Musik die Klanginstallation „Inside Beethoven – das begehbare Ensemble“ (ab 10.6.) und zwei Sonderausstellungen im Innenhof (ab Mitte April).

Das Beethoven Museum (19., Probusgasse 6) präsentiert den Komponisten in einem Ausstellungsparcours durch 14 Räume und mit einem Sonderprogramm: Festival (16. - 28.6.), Ausstellung von Beethovens Hörrohr (Frühjahr 2020) und Happy Birthday-Event (Dezember).

In einer deutsch-österreichische Koproduktion wird Beethovens Leben verfilmt (Drehbuch und Regie: Niki Stein): u. a. mit Tobias Moretti in der Titelrolle. Für „Louis van Beethoven verkörpern auch Colin Pütz und Anselm Bresgott Beethoven. Seine Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, vom jungen Genie bis zum tauben und einsamen Musiker.

Heute 24 Stunden Beethoven bei 3Sat

Ab 7.55 Uhr interpretiert Starpianist Rudolf Buchbinder mit den Wiener Philharmonikern Beethovens fünf Klavierkonzerte – eine Aufzeichnung aus dem Wiener Musikverein. Ab 11.05 Uhr, folgt mit „Mythos Beethoven“ eine Dokumentationsreihe über das Leben Beethovens. Um 12.05 Uhr ist eine Aufzeichnung „Missa solemnis“ aus der Berliner Philharmonie 1985 unter der Leitung von Herbert Karajan zu sehen.

Ab 14.25 Uhr zeigt 3sat fünf von Beethovens neun Sinfonien: Andrés Orozco-Estrada dirigiert die erste (14.20 Uhr) und die siebte (16.15 Uhr), Herbert von Karajan die dritte (14.50 Uhr) und die fünfte Sinfonie (15.40 Uhr). Um 22.55 Uhr ist die neunte Symphonie mit den Berliner Philharmonikern und Dirigent Kirill Petrenko zu erleben.

Um 18.00 Uhr ist die Oper „Fidelio“ in der Regie von Claus Guth (Salzburger Festspiele 2015) mit Jonas Kaufmann, den Wiener Philharmonikern und Dirigent Franz Welser-Möst zu sehen.

Es folgt um 20.15 Uhr die Doku „Diesen Kuss der ganzen Welt – Beethoven heute“. Um 21.15 Uhr, folgt mit „Klang der Stille“ die Verfilmung von Beethovens Leben, mit Ed Harris als Beethoven. Die Doku „Die Akte Beethoven“ ergründet ab 00.05 Uhr die Zusammenhänge zwischen Krankheit und Werk des Genies.

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