Rabinowich geht essen: Ehe und Dessert

Ich weiß, ich weiß, Liebe geht durch den Magen, aber leider nicht garantiert und auch nicht immer.
Julya Rabinowich

Julya Rabinowich

Mit israelischer Küche verbindet mich neben den Verwandten in Israel – die eine schmelztiegelhafte Mischkulanz zwischen jiddischer Leber, Kartoffel-Pilz-Pierogen und Hamshuka zelebrieren – auch noch meine ehemalige Ehe. Ich weiß, ich weiß, Liebe geht durch den Magen, aber leider nicht garantiert und auch nicht immer.

Ich war mit dem Angelobten auf eine Art Flitterwochen nach Israel gefahren – allerdings hielten Flitter und Ehe nicht. Somit war diese Reise für einige Zeit verdrängt, und mit ihr auch die lustigen und genussvollen Momente. Dabei war auch einiges schön gewesen. Zum Beispiel die Vorstellung meines Partners bei den israelischen Verwandten. Er trug eine lila Glockenhose seiner Schwester (vermutlich aus bewusstem Widerstand zu meinen modischen Ansprüchen, eine zarte Ahnung des Eheungelingens hätte mir spätestens da aufkeimen können, aber man will ja glauben und nicht ahnen) und hatte Brechdurchfall. Beides führte zu allerlei originellen Begegnungen in Tel Aviv, aber da wir hier eine Genusskolumne betreiben und weder ein medizinisches Journal noch eine Zeitschrift, die auf Familienhorror spezialisiert ist, werden wir einen kuscheligen Mantel der Gnade über diese Aspekte der Reise breiten und uns nur den schönen Dingen des Lebens widmen (wobei hier an Ort und Stelle festgehalten werden muss, dass der Mann ohne lila Frauenglockenhose und sogar noch mit Magen-Darm-Erkrankung durchaus auch ein schöner gewesen ist). Nicht nur die Liebe geht durch den Magen, sondern auch die legendäre russisch-jüdische Gastfreundschaft. Was meine Verwandten uns auftischten, brachte jeden noch so stabilen Tisch zum Biegen. Ein overload israelischen und russischen Schlemmhintergrundes. Und vor Kurzem kehrte ich im luftigen Holzglashäuschen bei Neni der Familie Molcho am Naschmarkt ein, zuerst einmal mit Geiger Aliosha Biz als Flankenabdeckung, um dort gemeinsam über unsere jüdischen Wurzeln zu sinnieren. Aliosha ging, das Sinnieren blieb. Dann kam ich wieder. Und noch mal. Und noch mal. Mindestens zwei der hier gebotenen Speisen hatten sich auch auf dem Tisch der neuisraelischen Verwandten wiedergefunden: knusprige, saftige Teigröllchen mit Lauch, Spinat, Zitronenzeste und Schafkäse (ja, das alles schmeckt so gut, wie es klingt) und bei Neni als Draufgabe mit herrlich scharffrischer Shifka-Sauce (als Tsatsiki mit originellem Einschlag). Die eingangs erwähnte Hamshuka ebenfalls: saftig, fleischig, würzig, von Sesampaste mit Zitrone namens Har Bracha Tahina sexy begleitet. Die Küche Nenis ist nun aber um einiges experimentierfreudiger als meine eher konservativ angehauchten Tante und Cousinen (Sie ahnen es, die Männer kochen da leider nicht, im Unterschied zu Neni, wo auch Haya Molchos Söhne werken). Auf der Menükarte steht neben Klassikern auch Experimentelleres, doch dazu später.

Als Nachspeise wählte ich bei Neni übrigens etwas, das in seinem Draufgängertum von meinen eher konservativen Verwandten vermutlich mit größtem Respekt beäugt worden wäre – und das absolut eines meiner Lieblingsdesserts werden könnte. Knafeh, materialisiert auf magische Art und Weise mitten aus der Altstadt Jerusalems auf meinen Wiener Teller: gebackene Teigfäden mit – Überraschung! – Mozzarella, Ricotta, Orangenblüten, hausgemachtem Eis und Pistazien. Man kann einfach nicht gut leben ohne Orangenblüten, Eis und Pistazien! Wem das gar zu abenteuerlich erscheint, der möge bedenken: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Das gilt für Ehen ebenso wie für Desserts. Immerhin hat das Letztere bei mir gut geklappt. Nur Mut.

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