Rabinowich geht essen: Die Eier von Benedict

Das Frühstück selbst war ein Kunstwerk für sich: aus einer feinen, Karte konnte man Häppchen um Häppchen reine Freude ordern.
Julya Rabinowich

Julya Rabinowich

Es ist so weit: ich bin öffentlich fremdgegangen. Vor aller Menschen Augen. Absolut schamlos. Lustvoll und ohne Reue. Sogar mit Begleitung! Und das kam so: Jahr um Jahr darf ich das großartige Hotel Wiesler heimsuchen, wenn das Literaturhaus in Graz nach mir ruft (und ich immer, wirklich immer mit heraushängender Zunge herbeieile). Und Jahr um Jahr bin ich dort glücklich. Aber dann geschah es: es rief der Steirische Herbst. Und dieser verortete mich woanders. Und das Unbekannte hieß Kai 36, es atmete Kunst und Sinnlichkeit und es war schön und verführerisch. Und mit einem Pool in einer der andenartig übereinandergetürmten Terrassen in Grazer Felsen ausgestattet, aus diesem man wellenschlagend über die Stadt sah und das absolut verruchte Gefühl von exquisitem Luxus verspürte.

Dabei hatte man noch gar nicht unter den sehr divers und sehr gekonnt gemischten Kunstwerken, die hier Gänge und Zimmer zu Kunsterlebnis metamorphen, gefrühstückt. Das Frühstück selbst war ein Kunstwerk für sich: aus einer feinen, mit regionalen Produkten ausgestatteten Karte konnte man Häppchen um Häppchen reine Freude ordern, aber die ersten unter gleichen waren und blieben die umwerfenden Eggs Benedict: Mit zartrosa Beinschinken von Thum, mit feinem Brioche, mit einer unfasslich samtigen Sauce Hollandaise, die dem aufgetürmten Genuss noch die richtige Würze verlieh – und mit den perfekt auf den Punkt im Gleichgewicht zubereiteten Eiern, deren Dotter sich in goldenen Flüssen über das weiche Innere des Teiges ergossen, während die weiße Hülle leicht nachgiebig aber in der Konsistenz fest blieb. Dicht gefolgt von ihrem Geschwister, Eggs Florentine, wo der Schinken dem zart sautierten Spinat wich.

Verführung

Aber das war längst nicht alles – die Karte spielte virtuos weiter und weiter, ein Konzert zwischen alternativ und klassisch. Gesund und nachhaltig ging hier leicht – es war quasi eine Verführung zu beiden. Zusätzlich verlieh der Vorgang des à la carte, der hereinsegelnden Häppchen, das Gefühl von etwas sehr Besonderem. Es gab knusprig berindetes Brot mit Fisch, mit Nüssen und Käse, es gab Gemüsetellerchen. Es gab Shakshuka und Porridge. Und Fruchtsalat. Für die Süßwütigen gab es unter anderem Panna Cotta – jedoch vegan. Ich war recht skeptisch – aber zu Unrecht. Nie im Leben hätte ich erwartet, dass mir eine jahrelang als nicht vegan in meine Geschmackserinnerung eingeschriebene Speise in ihrer alterativen Art so wunderbar schmecken würde. Kurz zusammengefasst, ich liebe das Wiesler, aber ich bin auch neu verliebt. In die kunstsinnige, wagemutige und so formschöne Alternative. Zwischen Fels und Fluss, sagt das Hotel. Zwischen Schönheit und Völlerei, sage ich.

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