Raab geht essen: 360 Grad

Überwältigung sofort. Dieser Blick auf Wien ist wie ein Schweben. Mittendrin und doch darüber.
Thomas Raab

Thomas Raab

8:55 Uhr. Leichte Nervosität. Immer noch geschlossen. Für neun Uhr aber ist ein Tisch reserviert. Frühstück. Weitere Personen treffen ein. Warten gelassen an der Nebentüre. Wissen offenbar Bescheid.

Es folgt eine Schulklasse. Unterstufe. Allgemeines Bespaßungsprogramm. Das ganze Jahr über wenig zu lachen, nun sind alle ausgelaugt, müd, Lehrer, Schüler, Eltern, trotzdem heißt es die letzte Woche vor Ferienbeginn volles Programm. Ausflüge, Museumsbesuche, Aktion muss her. Unsere Kinder also irgendwo in der Hitze unterwegs, wir Oldies auch. Aber anders. Wie stets an diesem Tag.

Neun Uhr. Wie von Zauberhand öffnet sich linker Hand das Haus des Meeres, verschlingt die wartende Klasse. Vor uns aber kommt ein Lift zum Stillstand. Meine Frau und ich steigen ein. Allein. Gläsern die Zelle. Es geht los – und hört nicht auf. Vor uns zieht die Kuppel des Apollo-Kinos vorbei, Schwindelfreiheit wäre empfehlenswert. Die eigene Vorstellung von Höhe erreicht bald die Gewissheit: „Wir sollten doch längst oben sein?“ Ein kurzes Umdrehen, sicherheitshalber, nicht, dass da kein Haus des Meeres mehr steht, sondern der Mann im Mond. Und es geht weiter und weiter.

Dann endlich: Das Dach und somit 360° OCEAN SKY sind erreicht. Ambiente sehr gepflegt, modern, elegant, trotzdem zieht die Terrasse magisch an, lässt alles rundum verschwinden. Überwältigung sofort. Dieser Blick auf Wien ist wie ein Schweben. Mittendrin und doch darüber. Kann da ein Frühstück mithalten? Unsere Auswahl geht und kommt schnell. Das Egg Benedict ein Genuss. Optisch und geschmacklich. Wunderschön das Stunden-Ei mit zerfließendem Kern auf Roggen-Vollkorn, Beinschinken, Schnittlauch, Frischkäse, Sauce béarnaise. Vierzehn Euro. Die Hummus Bowl ansehnlich angerichtet, Mango-Hummus ausgesprochen fein, Taboulé-Salat, Paprika, Zucchini, Tomate, Oliven sehr erfrischend, das Naan-Brot könnte fluffiger sein. Vierzehn Euro. Höhepunkt der Breakfast Burger. Die dunkelrosarot schimmernde Pastrami zentimeterdick, unglaublich saftig, würzig, dazu Cheddarkäse, Bio-Rührei, Avocado, Tomate. Beglückend. Wieder vierzehn Euro.

Wir teilen und es reicht für zwei. Vor allem aber: Wir genießen. Blicken schallgeschützt umgeben von dickem Glas auf und über die Dächer. Eine Stadt ohne Lärm. Sehen Menschen in Bademänteln auf Balkonen, in Geschäftskleidung auf Terrassen, in Unterwäsche oder weniger in Dachgärten. Suchen weit mehr als die Wiener Dreifaltigkeit Riesenrad-AKH-Stephanspatz. Suchen die Orte unserer Kindheit, Stationen unseres Lebens, alles wirkt so nahe, so unmittelbar und doch so still. „Eigentlich der perfekte Platz für ein erstes Date.“ erklärt meine Frau.

Selbst jene, die schwer ins Reden kommen, finden sich da ein wohl Thema. Ergo auch der perfekte Platz für Paare, die schon lange beisammen sind. „Happy 21. Jahrestag!“ wünschen wir uns. 21! Ein Irrsinn eigentlich. Ausstellungsstücke für das Foltermuseum direkt vor dem Haus des Meeres sind wir einander aber trotzdem noch keine. Schön ist es hier. Der Besuch auf einem der wohl schönsten Dächer inmitten der Stadt lohnt,lässt dankbar, glücklich und beruhigt nach vorne blicken.

Fritz-Grünbaum-Platz 1, 1060 Wien                       
oceansky.at, Tel. 01 5871417450 
geöffnet:  täglich, So. – Mi. 9 bis 23 Uhr, 
Do. – Sa. 9 bis 2 Uhr.

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