Paaradox: Hufi-Schatzis
Sie
Unlängst wurde ich Zeugin einer ehelichen Kernspaltung, nämlich als das weibliche Gegenüber ihren Mann mit „Das ist meine bessere Hälfte…“ vorstellte. Zwei Fragen tauchten in mir auf: Fühlt sie sich als schlechtere Hälfte und warum? Und: Wie spreche ich diesen Mann nun an, etwa so: „Hey, bessere Hälfte, könntest du mir bitte den Wein reichen?“ Da vernahm ich, wie die Frau flötete: „Sekunde, der Burli wird dir gleich nachschenken.“ Als er das tat, wagte ich es nicht, „Danke, Burli“ zu entgegnen. Ich würde auch nicht wollen, dass zu meinem Schatzi jeder „Schatzi“ sagt. Abgesehen davon: Warum heißt ein Mann wie ein Kanarienvogel? Und wie heißt er wirklich?
Gaby mit Y
Womit wir beim seltsamen Phänomen der Kosenamen wären, ein Thema, über das wir bereits philosophiert haben. Ich zum Beispiel bin überzeugt, dass mir ja eher ein „Schatz“ zustehen würde, und weniger das Diminutiv „Schatzi“. Ich bin schon groß. Auffällig ist auch, dass sich die Lippen des Mannes gegenüber immer dann zu einem „Schatzi“ formen, wenn er was von mir braucht oder ein schlechtes Gewissen hat und in den Modus „tarnen, täuschen, beschwichtigen“ switcht. Sonst verwendet er meist die alltagstaugliche Verkleinerung von Gabriele, also Gaby mit Y. Gabriele nur, wenn er tief in den Sprachtopf mit der Aufschrift „Dramatischer Imperativ“ greift und akut ein alarmistisches Gabriele!!! erklingt. Ich weiß dann: Es ist was passiert. Vielleicht ist das Staubsaugersackerl voll und er weiß nicht, wie er es wechseln soll. Oder ich habe mir erlaubt, von ihm etwas radikaler einzufordern, dass er die Tennisoutfits aus den späten 1980-ern endlich entsorgt – weniger, weil sie wirklich hässlich sind, sondern weil er ihnen entwachsen ist. Dann streiten wir ein bisschen. In so einem Fall greift er irgendwann zum lässigen „Hey!“ als verbale Kosenamen-Übersprungshandlung und ich kriege dann eine WhatsApp-Botschaft mit Hey, simmawiedagut? Ja, Schatzi, simma.
gabriele.kuhn@kurier.at / facebook.com/GabrieleKuhn60
Er
Ich war in meinem Leben ein Michel, Michale, Michilein, Mike, ein Hufi, Huffington, Hufbert, Hüftnadel sowie ein Juhu (für Jung-Hufnagl). Und ich reagiere heute noch auf alle Zurufe. Interessant dabei ist das Phänomen, dass es kaum Menschen gibt, die mich nennen, wie ich heiße, nämlich Michael. Vielleicht sollte ich einmal darüber nachdenken. Oder auch nicht. Meine Frau hat sich irgendwann auf Schatzi eingependelt, allerdings nur, wenn das Leben einigermaßen stringent verläuft. Wenn sie mir also beispielsweise ein Buch zum Mitnehmen offenbart, sagt sie: Lies das, Schatzi, das wird dich inspirieren. Ich antworte dann: „Sehr gerne“. Und lass’ es liegen. Natürlich nicht absichtlich, aber wer permanent so voller bedeutender Gedanken ist wie ich, der scheitert eben gelegentlich an den scheinbar simpelsten Erledigungen. Diese Vergesslichkeit ist für sie das Signal, in der direkten Kommunikation die nächste Zündstufe zu aktivieren. Dafür denkt sie sich dann mit Vorliebe besonders verniedlichende Namen aus und kombiniert sie mit süffisanten Erinnerungen.
Strategie
Und schon bin ich konfrontiert mit augenzwinkernden Aussagen wie: Schlumpfibär, magst vielleicht diesmal das Buch einpacken, oder sind dir die vielen Buchstaben zu schwer? Oder auch: Pipsibub, wirst du dir eigentlich das Buch schnappen, bevor die Seiten vergilbt sind? Damit bringt gnä Kuhn ihre leise Gereiztheit zum Ausdruck. Weil: Wer ein Schnurzischnurz, ein Einstein für Arme oder auch (je nach Wert auf der Genervtsein-Skala) ein Katastrophski ist, der greift sich mit Sicherheit auf frischer Nichttat ertappt auf den Kopf. Möglicherweise ist das aber auch nur eine Strategie, die sich das Unbewusste ausdenkt. Um nach erfolgreicher Buchmitnahmemission zu hören: Ich bin so sagenhaft stolz auf dich, Michael. Mein Name, wie schön! Wiewohl es garantiert nicht lange dauern wird, ehe die Frage erklingt: Und, Herr Ahjössas, hast du das Buch schon gelesen?
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