Kralicek geht essen: Die Aïda

Eine Konditorei, die gleichzeitig eine Art Kaffeehaus ist und so heißt wie eine Verdi-Oper: Wienerischer als die Aïda geht’s nicht.

Die Filialen der Café-Konditorei-Kette Aïda haben sowohl das Stadtbild als auch das Lebensgefühl von Wien jahrzehntelang entscheidend mitgeprägt. Besonders die frühen, in den 1950er- und 1960er-Jahren eröffneten Filialen waren architektonisch äußerst ambitioniert gestaltet: elegante, spezifisch wienerische Interpretationen von Nachkriegsmoderne. Nirgends war man einer italienischen Café-Bar näher als bei der Aïda. Wer wollte, konnte einen schnellen Espresso an der Bar nehmen; angeblich gab es in der wunderschönen Aïda-Filiale in der Wollzeile überhaupt die erste Espressomaschine Wiens. Die meisten Gäste aber zogen es, ganz unitalienisch, dann doch vor, sich zumindest „auf einen Sprung“ an einen Tisch zu setzen und zur Melange eine Kardinalschnitte oder eine Topfengolatsche – für beides ist die Aïda berühmt – zu verzehren.

Überhaupt sind schon die Mehlspeisen allein ein gutes Argument, die Aïda aufzusuchen; das unterscheidet sie von einem italienischen Café. Und anders als in den klassischen Wiener Kaffeehäusern wurde in der Aïda schon immer großer Wert auf guten Kaffee gelegt. Der Aïda-Kaffee (100 Prozent Arabica, daher eher mild) wird selbst importiert, selbst gemischt und selbst geröstet, er hat ein ganz spezielles Aroma. Dieses hat interessanterweise eine starke Affinität zu Schlagobers. Auch Kaffeepuristen, für die das normalerweise ein Sakrileg ist, lassen sich die Aïda-Melange mit Schlag servieren. Weil das dort irgendwie zusammengehört. Geheimwissen wie dieses hatte man als Wiener früher in der DNA. Die Generation Hafermilch aber findet es möglicher- weise einfach nur befremdlich, Schlagobers in den Kaffee zu tun.

Aïda
26 Filialen in Wien, zwei in Innsbruck, je eine in Graz, Groß-Enzersdorf und am Flughafen Wien. Öffnungszeiten auf aida.at,
Tel. 01/258 26 11-0, eMail: info@aida.at

Der Generationswechsel ist auch der Grund, warum man sich Sorgen um die Aïda machen kann. Dass das Unternehmen unter der Corona-Pandemie besonders zu leiden hat, ist schon seit Längerem bekannt und ja auch nicht zu übersehen: Einige Filialen sind derzeit „vorübergehend geschlossen“. Aber Corona ist nicht das einzige Problem. Die Zeiten, als sich wirklich alle – Studentinnen und Hackler, Geschäftsleute und Kreative, Touris und Pensis – auf die Aïda einigen konnten, scheinen vorbei. Ein paar kleinere Filialen – etwa die in der Kaiserstraße oder die in der Rotenturmstraße – sind ganz verschwunden; andere sind nach ihrer Renovierung kaum noch wiederzuerkennen. Die allerzentralste Filiale etwa, jene beim Stephansdom, ist neuerdings eine kitschige Orgie in Pink. Ja, der Aïda-Schriftzug war immer schon rosa, aber man kann es mit dem Branding auch übertreiben. Musste tatsächlich auch der Terrazzoboden rosa eingefärbt werden? „Die jüngsten Aïdas sind keine wirklichen Aïdas mehr“, hat Thomas Trenkler, heute KURIER-Kulturredakteur, einst geschrieben. „Aber vielleicht gefallen sie uns, wenn sie einmal unmodern geworden sind.“ Das war vor fast dreißig Jahren und bezog sich auf die Filialen aus den 1990er-Jahren. Sie gefallen uns noch immer nicht. Und die Aïda-Filialen von heute können gar nicht unmodern werden, weil sie nie modern waren. Immerhin: Auch dort schmecken der Kaffee (natürlich mit Schlag!) und die Topfengolatsche noch wie früher.

Kommentare