Kralicek geht essen: Der Gastgarten

Die natürlichen Feinde des Gastgartenbesuchers sind Insekten und Anrainer; die einen geben keine Ruh’, die anderen wollen ihre Ruh’.
Wolfgang Kralicek

Wolfgang Kralicek

Der Gastgarten ist das Cabrio unter den Gaststätten. Aber während das Cabrio ein Nischenprodukt blieb, ist der Gastgarten so selbstverständlich wie die Servolenkung, die Scheibenbremse oder das Handschuhfach. Hätten sich offene Autos so durchgesetzt wie Gastgärten, wäre uns der SUV-Boom möglicherweise erspart geblieben.

Warum sitzen die Menschen beim Essen und Trinken so gerne draußen? Weil sie den Himmel sehen wollen, und weil draußen fast alles besser ist: Tennis, Schwimmen und Geschlechtsverkehr zum Beispiel (wobei bei letzterem schon wirklich alles passen muss).

Die Menschen sitzen gern im Gastgarten, obwohl es dort oft noch wärmer ist als drinnen. Schattige Bäume, effektive Sonnenschirme und vielleicht sogar ein zartes Lüftchen – und wenn es nur der Fahrtwind eines vorbeiflitzenden Cabrios ist – lassen einen hohe Temperaturen einfach besser aushalten. Und dann sind da noch die Leute, denen Hitze anscheinend nichts ausmacht. Ungeschützt und ungerührt sitzen sie in der prallen Mittagshitze und führen ihren Körpern Schnitzel und Biere zu; sensiblere Naturen bekommen da schon vom Zuschauen ein Kreislaufproblem.

Die natürlichen Feinde des Gastgartenbesuchers sind Insekten und Anrainer; die einen geben keine Ruh’, die anderen wollen ihre Ruh’. Das Vergnügen am Open-air-Lokalbesuch ist also nicht ungetrübt. Drinnen zu sitzen ist im Sommer aber oft schon deshalb keine Option, weil dort die Luft „steht“ – und wir reden hier von einer Luft, die man eher nicht in Flacons abfüllen und als Raumspray zum Verkauf anbieten würde. Sprechen wir es offen aus: Manche Lokale sind dermaßen verstunken, dass daran nicht einmal das allgemeine Rauchverbot etwas ändern wird. Im Gegenteil: Erst wenn dort einmal nicht mehr getschickt wird, wird man merken, dass Zigarettenrauch nicht das einzige Problem war.

Stammgäste solcher Lokale – und das betrifft nicht nur wilde Tschocherln und üble Grindbeisln, sondern auch durchaus gutbürgerliche Betriebe – merken erst im Sommer, wie schlecht die Luft ist, in der sie große Teile ihres Lebens verbringen. Spätestens im September haben sie Angst davor, bald wieder drinnen sitzen zu müssen; sie sitzen deshalb auch dann noch draußen, wenn es dafür eigentlich schon entschieden zu frisch ist. Man sollte den umstrittenen „Heizschwammerln“ zugute halten, dass sie auch für diese tapferen und treuen Seelen erfunden wurden.

Übrigens ist meistens gar kein Garten gemeint, wenn wir Gastgarten sagen. Gästeterrasse oder Gästebalkon wäre oft treffender, aber man darf das nicht so wörtlich verstehen. Der Gastgarten ist ein weites Feld, das gastronomische Freiluftarenen wie das Schweizerhaus im Wiener Wurstelprater ebenso umfasst wie die zwei windschiefen Sessel, die vor dem Espresso Romy auf dem Gehsteig stehen.

Im Wort Gastgarten schwingt der Garten Eden mit, und man weiß ja, dass das Paradies viele Gesichter hat. Es gibt Sommertage, an denen gibt es keinen besseren Platz als einen Sessel vor dem Espresso Romy.

Kommentare