Raab geht essen: Schwein gehabt

Jetzt ist mir schlecht obendrein – was wiederum nicht so übel zum Thema "Essengehen" passt.
Thomas Raab

Thomas Raab

Der herrliche Surbraten der Heurigenschenke „Zur Wildsau“, darüber will ich schreiben. Parallel auf meinem Bildschirm geöffnet die Onlinezeitung XY. Eine Unart dieses mehrfache Fensterln, ich weiß – und die Strafe folgt auf den Fuß. Denn weg ist meine Aufmerksamkeit. Zu unwiderstehlich die Schlagzeile: Japan erlaubt ... Kurz zusammengefasst: Hiromitsu Nakauchi darf von nun an der Papa einer Sepperl-Sau oder Kathi-Kuh werden, sprich Mensch mit Tier kreuzen – und mir vergeht der Appetit. Bitter ist das, wenn die schlimmsten Fantasien unsere Wirklichkeit übertrumpft. Und nein, das hat jetzt nichts mit dem aktuellen Wahlkampf und möglichen Wiederholungs-Konstellationen nach dem Urnengang zu tun ... Na bravo! Jetzt ist mir schlecht obendrein – was wiederum nicht so übel zum Thema „Essengehen“ passt. Ergo: Kürzlich wollten meine Frau und ich nach einem Termin in der Stadt ganz spontan zu Abend speisen. Die Kinder daheim. Nur wir. Kommt selten vor, wie beispielsweise während der Berlinale. Da lieben wir es, von unserem Quartier aus gemütlich über den Gendarmenmarkt zu schlendernd, um uns in dem zwanglosen mexikanischen Restaurant Chupenga eine würzige Burrito-Bowl zu gönnen. Man stellt sich an, begutachtet in einer Vitrine die frischen Zutaten, wählt aus, und setzt sich irgendwie unter Seinesgleichen. Ein ruhiges, helles Lokal. Herrlich. Unser Plan also: So etwas wie in der Mohrenstraße 42 muss es doch auch in Wien geben. Als wäre es ein Zeichen, fanden wir schräg gegenüber der Mohrenapotheke in die Wipplingerstraße 42:2, sprich 21 – und schon beim Eintreten wurde mir klar: Verdammt, bin ich alt geworden, keine 21 mehr. Weil Schaukeln? Gern. Essen? Noch lieber. Aber Schaukeln und Essen gleichzeitig. Maximal im Sessellift, oder auf der Bootsfahrt durch den Canale Canadare. Draußen vor der Türe noch die Hitze und das laue Lüftchen, drinnen nur mehr die Hitze, der leichte Dunst, aromatisiert durch die vielen verschwitzen, wartenden Menschen, kulinarisch an sich kein schlechtes Zeichen. Bald mitten drin in der Reihe meine Frau und ich. Anfangs wortlos. Dann sie zu mir: „Und?“ Ich zu ihr: „Mhm!“ Spannend war das, wir wussten haargenau, „Schnell wieder raus!“ aber leider nur jeder für sich. Verheerend. Wie Zwei, die mit flauen Magen vor den Traualtar schreiten, die ganze Verwandtschaft im Nacken, jedem der beiden längst klar: Das wird nix mit uns, und Abrakadabra bist du eine Stunde später trotzdem verheiratet. Immer näher kam die Vitrine, der Lärm zu groß, der einzig noch freie Platz hing an Tauen von der Decke. Eine der großen Holzschaukeln. Daneben ein wild schwingender: „Mama, schau was ich kann!“, „Toll, Sebastian, ganz toll, Bravo!“ Alles möglich: Ich Hörsturz, er nur Sturz. „Und, was darf es sein!“ Wirklich freundlich, bemüht die hinter der Vitrine stehende Angestellte. „Ein andermal!“ lag es mir leider nur auf der Zunge, und dann die Hand meiner Frau in der meinen. Rausgezogen hat sie uns. Rechtzeitig. „Gehen wir doch zum Würstelstand am Hohen Markt!“ ihr Vorschlag. Meine Frau. Die Richtige eben. Die Käsekrainer, das Scherzerl, die scharfe Pfefferoni, was soll ich sagen! Echt Schwein gehabt. Wobei echt! Hoffentlich nicht den Sepperl aus Japan ...

Zur Wildsau Slatingasse 22, 1130 Wien
Chupenga Mohrenstraße 42, 10177 Berlin
Wiki Wiki Poke Wipplingerstr. 21, 1010 Wien
Würstelstand Hoher Markt 1010 Wien

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