Vorsicht, Männerhasserin! Wie der Vorwurf die Debatte vergiftet

Unbequeme Themen soll man beginnen wie einen Witz. Also:
Worin sind alle Feministinnen gleich?
Richtig: Ihnen wird Männerhass vorgeworfen.
Der Witz an dem “Witz”
Feminismus setzt sich für die Gleichstellung aller Menschen und das Ende der Benachteiligung von Frauen ein. Es geht nicht um Männerhass, sondern darum, das System zu kritisieren, das Frauen unterjocht.
Ok, ich gebe es zu: Dieser Witz würde es nicht ins Lustige Taschenbuch schaffen. Aber betrachten wir diesen Treppenwitz einen Moment. Entspannen wir unsere Lachmuskeln und versuchen mit feiner Klinge, den Mechanismus dahinter zu sezieren.
Hass-Gift
Erst vor einigen Tagen hat die Autorin und Podcasterin Beatrice Frasl auf Social Media ihre ständigen Männerhass-Vorwürfe thematisiert. Die werden ihr immer dann entgegengeschleudert, wenn sie öffentlich Kritik an Männern im Patriarchat äußert.
Hmm, kenn ich doch, dachte ich bei mir. Der Satz “Du hasst halt Männer” ist Fixstarter in fast jeder Kommentarsektion unter diesen Kolumnen und in den meisten Gesprächen über Sexismus. Und das hat zu meiner verheerenden Taubheit für den Hass-Vorwurf geführt. Sie sind so regelmäßig und so stetig, dass sie zum Hintergrund-Surren werden und ich sie kaum noch wahrnehme.
Aber wenig später sehe ich ein Video. Eine Frau, die dafür bekannt ist, öffentlich das Patriarchat und seine Auswirkungen zu hinterfragen, erzählt von Nachrichten, die sie bekommt. Sie habe doch eine Tochter, ob sie nicht besorgt sei, wenn das Kind herausfinde, dass ihre Mutter Männer hasse? Der Vorwurf schwirrt wie ein Schwarm Wespen um alle Frauen herum, die ins Wespennest Patriarchat stechen.
Das omnipräsente Hass-Etikett, das jede Person leichtfertig verpasst bekommt, die es “wagt”, Kritik am Gesellschaftssystem zu äußern, mag zwar so verbreitet sein, dass es kaum noch auffällt, aber die Wirkung ist wie geschmackloses Gift, das unbemerkt jede Debatte abtötet.
Gekränkte Frau, frigide Frau, böse Frau
Dafür dienen zweierlei fiktive Hassmotive: Einerseits das Narrativ der gekränkten Frau. In dieser Erzählung hasse die Frau, weil sie von einem Mann nicht gewollt wurde. In besonders vulgären Ausprägungen bekommt die Geschichte noch den billigen Frame, dass die Frau, die Kritik äußert, das nur tue, weil sie einfach “zu wenig” Sex habe.
Hinter der Kritik durch Frauen an bestehenden Strukturen steht also nicht mehr als ein persönlicher Rachefeldzug einer gekränkten Frau. Ergo: Die Botschaft der Frau sei nicht ernstzunehmen, die Kritik nicht valide.
Das zweite Motiv ist der Hass selbst. Durch die Hass-Keule nämlich wird jede Kritik durch Frauen am bestehenden System in eine radikale Ecke geschleudert. Das “Männerhasserin”-Label ist eine geschickte Masche, die jede Kritik am Patriarchat zum radikalen verschwörungstheoretischen Nischen-Thema entwertet.
Denn durch das Hass-Motiv wird der Gehalt der feministischen Botschaft zur radikalen Schwurbelei. Und mit Extremistinnen wird nicht geredet - und schon gar nicht verhandelt.
Feministinnen – auch wenn man das nicht verallgemeinern kann – stehen nicht auf der anderen Frontseite von Männern. Die Kritik ist keine Ablehnung des y-Chromosoms. Und lieber LeserInnen, Feminismus ist auch nicht der Aufruf zur kollektiven Kastration. Was als Grabenkampf stilisiert wird, ist die Bemühung, Männer, Frauen und Non-binäre zu einer Gruppe mit einem gemeinsamen Ziel zu vereinen: Nämlich gemeinsam das System zu überwinden, das uns allen schadet – auch Männern.
"Dauerzustand" ist die Kolumne von Newsdesk-Redakteurin Diana Dauer über die Lebenswelt als kinderlose Millennial-Frau, über das Älterwerden, Schablonen, die man ausfüllen muss und Alltags-Sexismus. diana.dauer@kurier.at
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