Rechtzeitig den Webshop fertig gehabt bzw. fix geplant
Was für ein Glück, dass die Juniorfirma „Fragaria“ gerade rechtzeitig ihren Webshop fertig hatte - vor dem – nachträglich gesehen - letzten möglichen Live-Event. Eine andere der von Schülerinnen und Schüler für ein Jahr gegründete Company, „Embracelet“, hatte über erst über dienen Online-Shop gesprochen, einen solchen ins Auge gefasst. Davon profitierten sie in den folgenden „gesperrten“ Wochen und Monaten. Was ihnen nun im österreichweiten Bundesfinale – diesmal „nur“ online abgehalten geholfen hat.
Blenden wir für einen Absatz zurück auf den 7. März, zur bei der Handelsmesse der von Jugendlichen betriebenen Unternehmen. Dort stellten gut zwei Dutzend solcher temporärer Schüler-Firmen aus ganz Österreich aber auch anderen Ländern ihre Produkte und Dienstleistungen vor. Das ist das Wesen des Projekts Junior Companys, die im Gegensatz den Übungsfirmen etwa in Handelsakademien eben mit echten Produkten und/oder Dienstleistungen handeln. Diese internationale Handelsmesse, für die einige schon aus Corona-Gründen absagten, war der letzte öffentliche analoge Live-Event in diesem Schuljahr. Knapp mehr als eine Woche danach: Alles zu. Shutdown. Home-Schooling, Distance-Learning. Also auch keine Verkaufs- und anderen Veranstaltungen.
Finale digital
Das Bundesfinale konnte diese Woche „nur“ online stattfinden, sogar der internationale Bewerb, der heuer im Juli in Portugal stattfinden sollte, wird digital ausgetragen.
Die beiden oben schon genannten vorübergehenden Unternehmen – aus der Steiermark sowie Wien - teilen sich beide gleichwertig den ersten Platz, weil sie von der Jury, die die Ergebnisse im Online-Stream bekanntgab, genau gleich viele Punkte in der Gesamtbewertung bekommen haben.
Feministische Unternehmensphilosophie
Das Unternehmen „Fragaria“ (lateinisch für Erdbeere) kommt aus dem Akademischen Gymnasium in Graz (Steiermark). Die elf Schülerinnen ließen sich als Geschäftsidee ein „Perioden-Management-System“ (PMS) einfallen – hat nichts mit dem Periodensystem der chemischen Elemente zu tun. Sie handeln mit praktischen kleinen Tascherln, in denen Mädchen und Frauen ihre Menstruations-Utensilien verstauen können und griffbereit haben. Für Tampons etwa haben die Jungunternehmerinnen Gummihalterungen in die Innenseite solcher Täschchen genäht – à la Patronengürtel.
„Nebenbei“ haben sie für ihre Produkte alte Stoffe up-gecyclet. Außerdem „spenden wir einen Teil der Einnahmen an ein Projekt für Frauen in Nepal, wo Menstruation ein noch viel größeres Tabu ist“, ergänzten „Fragaria“-Unternehmerinnen.
Vorproduziert
„Wir hatten zum Glück schon viele unserer Produkte für weitere Verkaufsevents vorbereitet“, freut sich Agnes Swaton, Geschäftsführerin von „Fragaria“, der Webshop war – siehe oben – grad fertig geworden – also konnte auch gleich mit dem Shutdown der Online-handel wirklich einsetzen. „Wir haben allerdings auch angefangen, Stoffmasken zu nähen. Das wollten wir eigentlich anfangs nicht, weil es mit unseren Produkten ja nichts zu tun hatte. Aber es sind so viele Anfragen gekommen, dass dann jede von uns zu Hause bei sich auch Nasen-Mund-Schutz genäht hat.“
Inhaltliches Marketing
Die Hauptprodukte waren da, der Webshop auch – aber wie sollten die Menschen davon erfahren? „Wir haben dann ein eigenes Online-Marketing aufgebaut“, so die Geschäftsführerin zum Kinder-KURIER. „Dafür haben wir uns zwei Sektoren ausgedacht. Zum einen haben wir unsere Produkte und die Firma auf Facebook, Instagram und TikTok beworben. Fast noch größer und wichtiger ist für uns, dass wir ein feministisches Unternehmen sind. So haben wir Kampagnen begonnen und verstärkt – den Menstruation-Monday und den Women’s-Wednesday.
Jeden Montag posten wir via Insta und Facebook Fakten über Menstruation. Und jeden Mittwoch stellen wir eine inspirierende Frau – eine historische Persönlichkeit aus der Geschichte oder aus der Gegenwart und unserem Umfeld – vor. Sozusagen ein feministischer Geschichtsunterricht auf Facebook und Insta.“
Botschaft ist fast wichtiger als Geschäft
Die inhaltlichen Ziele, so die jungen Unternehmerinnen, „sind uns sehr wichtig. Wir haben uns dann Produkte gesucht, die gut zu unseren Messages passen“. Trotzdem haben sich die Grazer Schülerinnen „unglaublich gefreut, dass wir auf den ersten Platz gekommen sind“.
Was ihnen verwehrt bleibt, die Teilnahme am europäischen Bewerb. Da immer nur eine Junior-Firma das eigene Land vertreten kann, hat die Jury sich für die ex-aequo-Sieger-Firma „Embracelet“ entschieden.
Sonderpreise
„Sicher hätten wir Österreich auch sehr gerne vertreten, andererseits wäre es noch einmal unglaublich viel Arbeit gewesen, sich darauf vorzubereiten, alles auf Englisch zu übersetzen. Trotzdem hätten wir das unglaublich gern gemacht, aber ich denke, Embracelet wird das super machen und Österreich gut vertrete“, so „Fragaria“-Geschäftsführerin Agnes Swaton zum KiKu.
Außerdem hatte „Fragaria“ von der Jury im Finale den Sonderpreis für das beste Online-Marketing zugesprochen bekommen und wurde schon bei der mehrfach erwähnten Handelsmesse vor der „Quarantäne“ als innovativstes Angebot ausgezeichnet.
Armbänder mit Botschaft und Spenden
Gleichwertige Sieger beim diesjährigen Online-Bundesfinale der – heuer 400 - Juniorfirmen wurde „Embracelet“. Ein Jungunternehmen, das ebenfalls Botschaften mit Geschäft verband. Zwölf Jugendliche aus dem GRG 19 Billrothstraße 26 – 30 (Wien) produzierten Armbänder – die Hälfte des Gewinns geht an soziale oder Umwelteinrichtungen. Beispielsweise an die „Wiener Tafel“ (verteilt übriggebliebenes Essen an Bedürftige) oder an den „Regenwald der Österreicher“ (in Costa Rica).
Und noch ein drittes grundlegendes Element verbindet die zwei diesjährigen ex-aequo-Sieger_innen: Nachhaltigkeit. Die kleinen Edelstahl-Plättchen, die die Armbänder zieren – und die jeweils symbolhaft für verschiedene Spendenbereiche stehen – sind aus Recyclingmaterial.
Online-Shop war schon in Planung
Flora Fuchs, die stellvertretende Geschäftsführerin und Marketingleiter Per Rabe erzählen dem Kinder-KURIER nach der Preisverleihung am Telefon, dass sie am Tag der Handelsmesse, also eine Woche vor dem Shut-Down eine Homepage in Planung hatten „und ein Online-Shop war im Gespräch“.
Während des Home-Schoolings „waren wir auch als Firma sehr aktiv, wir haben uns jede Woche zu Videokonferenzen getroffen und die nächsten Arbeitsschritte besprochen.“ Dazu zählte die Herstellung weiterer Armbänder in Heimarbeit, der Aufbau und schließlich das Launchen des Online-Shops, „dadurch haben wir dann sogar Kunden aus dem Ausland bekommen“, freuen sich die beiden Vertreter_innen der „helfenden“ Armbänder.
Schwierig war’s, weil der Versand so manches Mal länger gedauert hat als in Normalzeiten, in Wien haben die Mitarbeiter_innen mitunter Online-Bestellungen gleich direkt – natürlich kontaktlos – zugestellt.
Wollen aber weiter arbeiten
„Wir sind fast ausverkauft, nur mehr drei Armbänder sind übrig“, so die Embracelet-Sprecher_innen. Aber sie wollen gern weiterarbeiten. Eigentlich müssten Junior-Firmen – im Normalfall – Ende Mai aufgelöst werden. Heuer läuft die Frist Ende Juni ab. „Aber wir würden mit unserer Idee und unseren Produkten in anderer Form schon gerne weitermachen“, kündigen die beiden eine mögliche Fortsetzung in anderer Konstruktion an.
Dann erfinden wir halt Kuchen im Glas
Platz 3 im diesjährigen Juniorfirmen-Bewerb ging an „imGlas“ aus der HBLA Ursprung (Salzburg). Ihr Produkt: Biologische Backmischungen im Löffelglas.
Die – von den Schülerinnen eigenhändig - fertige ins Glas gepackte Backmischung muss die Kundin/der Kunde nur mehr schütteln, öffnen, zwei Esslöffel Milch, einen Esslöffel Öl und 1 Ei direkt dazugeben, verrühren (vorsichtig) bis sich die Backmischung auflöst. Dann ab in die Mikrowelle (2 Minuten bei 600 Watt) oder ins Backrohr (25 Minuten, 180° Umluft).
Die Jungunternehmerinnen aus der höheren landwirtschaftlichen Schulen haben aber auch Varianten für vegane oder allergische Kund_innen. Von der laktosefreien bis zur Pflanzenmilch sowie Apfelmus (60 Gramm) oder eine halbe reife Banane statt ein Ei zu verwenden.
Träume verwirklicht
Auf die Idee der fertigen Backmischungen seien sie sozusagen aus eigenen Bedürfnissen gekommen, so Florentina Jenewein, „imGlas“-Geschäftsführerin, zum KiKu. „Wir sind fünf Internatsschülerinnen, die von Kuchen geträumt haben, aber dort keinen backen konnten. Es gibt zwar fertige Backmischung, aber die sind alle zu chemisch und so haben wir nach Alternativen gesucht.“
Am Anfang „haben wir richtig viel herumprobiert, vieles ist schiefgegangen, aber dann haben wir zwei Sorten gehabt“. Insgesamt entstanden im Laufe der ersten paar Schulwochen „sieben Sorte, fünf im dauerhaften Angebot und immer wieder saisonale Specials zum Beispiel für Weihnachten“.
Produziert wurde oft haarscharf nach Bedarf, „bei Veranstaltungen waren wir meistens grad ausverkauft, beim Weihnachtsstand sind in den letzten Minuten die letzten Gläser weggegangen“.
Balkon-Gärtnern
Mit Unterrichtsschluss Mitte März „hat auch das Internat komplett zugemacht, wir sind alle heimgefahren – ins Land Salzburg und nach Tirol. Da ist unsere Produktion nochmal erschwert gewesen. Auch das Distance-Learning war bei uns in einigen Fächern natürlich viel schwieriger. Klar, in vielen Gegenständen gab’s die Arbeitsaufträge, aber wir mit unseren landwirtschaftlichen Schwerpunkten haben müssen dann teilweise Sachen zu Hause anbauen – in Balkonkistln zum Beispiel.“
Insgesamt haben die fünf Kuchen-Träumerinnen 700 „imGlas“-Mischungen hergestellt. „Verkauft haben wir vor Corona 500, dann ist es schwierig geworden, weil wir für den möglichen Versand keine passenden Kartongrößen gefunden haben.“
Im Verwandten- und Bekanntenkreis hätten sie dann – kontaktlos – zugestellt, „Veranstaltungen sind natürlich verschoben, aber nächste Woche können wir in einem Einkaufszentrum in der Stadt Salzburg verkaufen und im Sommer am Bauernmarkt in Innsbruck.“
Klima- und Menschenschutz
Übrigens – wie die beiden 1.-Platzierten – und in diesem Jahr besonders viele Juniorfirmen auch bei der Handelsmesse – achten auch die imGlas-Unternehmerinnen auf Nachhaltigkeit, Klima-, Menschenschutz und soziales Engagement (Recycling-Hanfpapier für die Etiketten, regionale und Fair-Trade-Zutaten) – ein Teil des Erlöses geht an „Sonneninsel“, ein regionaler Verein, der krebskranke Kinder während und nach ihrer Krankheit begleitet.
Sonderpreis für Lehrerin
„Weil sie immer für uns da war, egal zu welcher Uhrzeit und waun’s zehne auf d’Nacht war“, so begründete Schüler Fabian Birklbauer, weshalb der Sonderpreis für die beste Lehrkraft heuer an eine aus der HAK/HTL Freistadt (Oberösterreich) ging. Bettina Gahleitner „hat sich mit uns abgearbeitet mit vollem Elan“, ergänzte der stellvertretende Geschäftsleiter der Juniorfirma bee@home während der Online-Preisverleihung. Die Company stellt(e) Bienenhotels her und hielt Workshops für Mittelschüler_innen zum Thema Klimaschutz und Bienensterben ab – solange das noch möglich war. Teil der Workshops war auch gleich gemeinsames Bauen eines kleinen Bienenhotels.
Die ausgezeichnete Lehrerin hätte die Schüler-Unternehmer in der Corona-Zeit in Phasen „wo die Motivation schon im Keller war, mitgeholfen sie wieder nach oben zu bringen.
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