Poetisch-musikalisches Programm: Rilke und Lou Andreas-Salomé

Proben-Szenenfoto aus "Wie ist es möglich, da zu sein" von Theater Arche
Theater Arche arbeitet an einer szenischen Collage aus Rilkes einzigem Roman, einigen Gedichten und dem Briefwechsel mit Freundin und Freud Schülerin.

Kleine, große Fragen und das in poetischer und musikalischer Fassung bringt Theater Arche mit dem Programm „Wie ist es möglich, da zu sein“ auf die Bühne. Wann und unter welchen Bedingungen die Collage aus Texten von Rainer Maria Rilke und Lou Andreas-Salomé tatsächlich „da sein“ werden steht noch nicht einmal in den Plänen der Bundesregierung.

Natürlich musste aber längst geprobt werden, stand doch noch vor Kurzem der 18. Jänner – mit negativem Test der Besucher_innen – auf dem Plan. Zwar nur am Nachmittag, denn 20 Uhr hätten alle zu Hause sein müssen, aber immerhin „möglich“. Dann fiel dieser Termin, aber der 25. Jänner … oder doch wieder nix.

„Das ist für uns auch eine Schwierigkeit. Wann und wie viel probst du?“, so der Co-Direktor und Gründer des kleinen, engagierten Theaters in der Münzwardeingasse (Wien-Mariahilf, vormals Theaterbrett), Jakub Kavin.

Probenbesuch

Stücke können auch überprobt werden. Dann würde bei der Premiere und den ersten Aufführungen vielleicht nicht mehr die richtige Energie da sein. Bei einer kürzlich durchgeführten Probe – noch ohne die Kostüme – durfte der Kinder-KURIER dabei sein.

Rund um Auszüge aus Rilkes einzigem (Tagebuch-)Roman „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ gruppierte der Prinzipal, der in diesem Stück auch selber mitspielt, Gedichte von Rilke und Texte aus dem Briefwechsel von ihm mit Lou Andreas-Salomé. Die beiden hatten eine intensive Liebesbeziehung und blieben nach der Trennung sehr freundschaftlich verbunden.

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Rilke sozusagen auf der Couch

Wobei sie – zumindest in den gebrachten Auszügen – ihn immer wieder helfend analysiert. Sie war eine Schülerin von Sigmund Freud. Der Vater der Psychoanalyse wird im Wikipedia-Beitrag über Rilke mit dem Halbsatz zitiert, „daß sie dem großen, im Leben ziemlich hilflosen Dichter Rainer Maria Rilke zugleich Muse und sorgsame Mutter gewesen war“ (Gedenkworte zum Tode Lou Andreas-Salomés, 1937).

Aus dem Roman in Tagebuchform, in dem der vor allem als Dichter bekannte Schriftsteller auch so manches aus seinem Leben verarbeitete, wird in einer der ersten Szenen jene Passage zitiert, die zeigt, Rilkes Mutter hätte lieber eine Tochter gehabt.

Tatsächlich wurde Rilke bis zu seinem sechsten Lebensjahr sozusagen als Mädchen aufgezogen – möglicherweise eine Folge davon, dass seine ältere Schwester die Frühgeburt nur ungefähr eine Woche überlebt hatte. Und Sophie, wie der Dichter den kleinen Jungen nennt, wenn er in die Rolle des Mädchens als Mutters Liebling schlüpft, war übrigens der Vorname von Rilkes Mutter.

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Ambivalente Gefühle – und Gedichte

Dieser Zwiespalt führt vielleicht auch zu zarten, gefühlsbetonten, und doch immer wieder widersprüchlichen, schwankenden, pendelnden Gedanken und vielen offenen Fragen.

Dieses Gefühl vermittelt vor allem das Spiel von und zwischen Michaela Khom und Bernhardt Jammernegg. Letzterer ein langjähriger Weggefährte von Kavin. Dieser wiederum übernimmt hier einen eher distanzierteren, fast erzählenden Part.

Bis März Künstlerin

Michaela Khom ist erstmals in der Theater Arche auf der Bühne. „Bis März 2020 war ich Musikerin – bei „Die Duetten“ (Dialekt-Chansons). Dann war’s ja bekanntlich aus. Zum Glück hatte ich schon vorher nebenbei auf Lehramt studiert. Seit September unterrichte ich Musik, was im Distance-Learning nicht so einfach ist.“ Eine Freundin von ihr sah auf Facebook, das TheaterArche für diesen poetischen Collage-Abend noch eine Mitwirkende sucht, sagte das Khom, die kam zum Casting und … Hier spielt sie auch – neben berührenden Textpassagen - am Keyboard und der Querflöte eigene Kompositionen, die diese Breite und Weite der fragenden Gefühle wiedergeben. Sie sowie Jammernegg singen darüberhinaus einige Passagen.

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Homage an Nika Brettschneider

Den Abend – oder wenn’s denn sein muss auch Nachmittag – konzipierte der „Hausherr“ auch als Gedenken an seine vor rund 2 1/2- Jahren verstorbene Mutter, Nika Brettschneider. Sie hatte das Theaterbrett mit ihrem Mann Ludvik Kavin gegründet, nachdem beide aus der Tschechoslowakei als Erstunterzeichner_innen der oppositionellen Charta 77 in Österreich politisches Asyl bekommen hatten.

Nika Brettschneider hatte 2003 einen Rilke-Abend inszeniert – als Solo mit längeren Auszügen aus dem Tagebuch-Roman „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“. Ihr Sohn hat diese nun gekürzt und um Rilke-Gedichte sowie Auszüge aus dem Briefwechsel mit Lou Andreas-Salomé erweitert. Und er hofft, dass spätestens am 9. Februar gespielt werden kann – das wäre der 70. Geburtstag Nika Brettschneiders gewesen.

Wenigstens Miete und Betriebskosten

Übrigens: wenige Tage nach dem KiKu-Probenbesuch informierte Jakub Kavin, dass es nach langem Warten nun doch die Zusage der Stadt Wien für eine Förderung des Theaters eingelangt ist. Die – mündlich – zugesagten 50.000 € gab er auch auf Facebook transparent bekannt, aber auch was diese bedeuten: „Wir können heuer also höchstwahrscheinlich wieder die Miete zahlen. Strom und Gas gehen sich auch aus. Die Wartung der Lüftungsanlage wird sich auch budgetär unterbringen lassen.
Die Schauspieler*innen werden weiterhin als Produktionskollektiv auf Einnahmenbeteiligung spielen. Haustechniker wird es weiterhin keinen geben.
Ich selber werde mich heuer wohl nicht weiter verschulden müssen um das Haus bis zum Jahresende weiter zu betreiben.
Immerhin.“

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Gage nur durch Publikum

Das heißt aber konkret, Künstler_innen kriegen nur dann Geld, wenn es Einnahmen gibt, also für Publikum gespielt werden kann. Mittlerweile waren aber schon wieder drei Monate zwangsweise spielfrei. Trotz Sicherheitskonzept – wie es alle Theater haben mit freibleibenden Plätzen zwecks Abstand, Maske auch während der Vorstellung und so weiter wie es in der Phase der Öffnung war.

„Natürlich wollen wir niemanden gefährden und auf die Gesundheit Rücksicht nehmen“, so Kavin. „Wenn es Tests gibt, die wir beim Eingang des Theaters anbieten können, dann tun wir’s.“

Privatvorstellungen

Bis dahin bietet das Theater sobald das möglich ist, Privatvorstellungen für einen Haushalt an: Entweder das eben beschriebene Programm oder „Hikikomori“, ein Solostück über freiwillige Selbstisolation von Manami Okazaki, die auch Co-Leiterin der TheaterArche ist.

Der Titel der Rilke/Andreas-Salomé-Collage „Wie ist es möglich, da zu sein“ könnte derzeit vielleicht auch ziemlich anders interpretiert werden ;)

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Wie ist es möglich, da zu sein
Collage aus Texten von Rainer Maria Rilke und Lou Andreas-Salomé

Regie: Jakub Kavin.
Musik: Michaela Khom und Bernhardt Jammernegg.
Es spielen: Michaela Khom, Jakub Kavin und Bernhardt Jammernegg

Kostüme: Christian Alfred Kahrer

Wann & wo?
Steht noch in den Sternen ;)
Theater Arche: 1060, Münzwardeingasse 2a
theaterarche

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