Junges Multitalent: Wilde Malerei, Keyboard, Fußball, Sky-Diven und mehr
„Freude schöner Götterfunken…“ – ohne den Text von Friedrich Schiller, „nur“ die Melodie Ludwig van Beethovens, bekannt als Europa-Hymne, empfängt den Kinder-KURIER und schauTV (Beitrag kommt nächste Woche) in einem der Kellerräume am Rande der (Donau-)Stadt. Hier in einer Wohnsiedlung, wo sich Mensch und Reh oder Wildschwein nur durch einen Zaun getrennt, so manches Mal gegenüberstehen, dort lebt der 15-jährige Nikolaus Scharner, am liebsten Niki genannt, mit seinen beiden Brüdern und den Eltern.
Er ist’s, der uns die eingangs genannte Melodie am Keyboard vorspielt, dann springen seine Finger über die Tasten, um uns den Flohwalzer zu Gehör zu bringen. Danach DAS klassische Klavier-Anfänger-Stück schlechthin „Für Elise“, nicht selten auch Musik in Telefon-Warteschleifen.
Rock-Hit
Niki verlässt den Sitz hinterm Keyboard und vor einer Österreich-Flagge, die das Chaos in den Regalen dahinter verdecken soll, wie an anderer Stelle eine ukrainische und eine russische Fahne. Nun greift er sich die E-Gitarre, stöpselt das Kabel vom Verstärker an, um einen Rock-Klassiker zum Besten zu geben: „Smoke on the Water“ der britischen Band Deep Purple – fast 50 Jahre alt und doch ewig jung. Später wird der 15-Jährige in seinem kleinen Zimmer im ersten Stock auch noch ein paar Takte auf dem Akkordeon spielen.
Fast Action-Paining
Musik machen mag der Schüler des Evangelischen Gymnasiums Wien. Viel mehr aber liebt er Malerei. Der vormalige Sauna-Vorraum in einem anderen Kellerraum wurde zu seinem Atelier. Plastikfolien decken Wände ab, denn Niki malt intensiv und wild abstrakte Bilder – nicht wenig von den Farben landet auf seinem Malergewand – grell-wirr-bunt die Schuhe, eine Hose, die so viele Farbschichten aufweist, dass sie, wie Mutter Irina meint, fast von alleine stehen könnte.
Und trotzdem können wir beobachten, wie Niki, der im September als dies möglich war, auch eine Vernissage in einer Wiener Innenstadt-Galerie hatte, auf der Leinwand gezielt und überlegt vorgeht. Nach Momenten des Innehaltens eine Farbtube nach der anderen nimmt, die zähflüssige bunte Pasta auf die Leinwand rinnen lässt und mit Pinseln und Spachteln verteilte, verstreicht, malt.
Schon fertige Bilder, die fast haufenweise an einer Wand der stillgelegten Saunakammer lehnen und andere, die im ganzen Haus verteilt hängen oder stehen zeigen, dass er nicht selten auch in der dickflüssig verteilten Farbe, geometrische Muster mit anderen Spachteln rauskratzt. Nicht so beim Lokalaugenschein von KiKu- und schauTV.
Stimmung macht Farbe
Nachdem er Nachrichten in seinem Handy ge-checkt hat, erzählt Niki im ausführlichen Interview mit dem Kinder-KURIER und schauTV, dass er beim Malen hauptsächlich Acrylfarben verwendet. Auf die Frage, ob er beim Malen vorher Bilder im Kopf habe, legte er los, „Nein, ich male immer ganz spontan, wild drauflos“. Zu welchen Farben er greife, beantwortet er mit: „Das hängt von meinem Gefühl ab, wenn ich in guter Stimmung bin, verwende ich eher viele und grelle Farben. Wenn ich nicht so gut drauf bin, dann eher düstere Farben, zum Beispiel, wenn morgen Schule ist, weil ich da sechs Stunden sitzen muss.“
Vielsprachig
An sich geht er gerne in die Schule, relativiert er den eben gesagten Satz, „ich lerne schon gerne in der Schule, aber das lange Sitzen und aufschreiben behagt mir nicht so sehr“. An Lieblingsfächern nennt er Mathe und Spanisch. Apropos Sprachen: Niki ist mehrsprachig aufgewachsen – neben Deutsch noch Ukrainisch und Russisch, das Mutter Irina in die Familie mitgebracht hat. Und dazu eben das erwähnte Spanisch und natürlich auch Englisch, beides in der Schule gelernt.
Wichtig ist für Niki wenn er malt, Musik – nicht nur im Hintergrund – zu hören, „am liebsten AC/DC oder Deep Purple“. Zwei Mal sind Bilder, die er gemalt hat, schon ausgestellt worden, beim ersten Mal konnte er nicht dabei sein, beim zweiten Mal, in einer Galerie in der Riemergasse (Wien-Innere Stadt) schon, aber die Teilnahme von Gästen war halt wegen Corona begrenzt.
Instrumente spielen – nur nach Gehör
Klavierspielen hat Niki mit ungefähr 8 Jahren begonnen, E-Gitarre folgte so ungefähr mit 12, 13 Jahren, „dann hab ich auch einmal mit Schlagzeug begonnen, das hab ich aber wieder aufgehört“. Akkordeon war übrigens noch früher dran: „Schon im Kindergarten, das war aber nur so ein kleines Kinder-Akkordeon mit wenigen Tasten, das war bald langweilig. Später hab ich das große Akkordeon von meinem Großvater aus der Ukraine bekommen.“
Ob er Instrumentallehrer habe, verneint der talentierte Jugendliche: „Ich schau und hör mir YouTube-Videos an, ein paar Mal und dann versuch ich das nach Gehör nachzuspielen, nie nach Noten.“
Die Behinderung
Ansonsten spielt er noch in einem Spezial-Verein, einer Kombination aus SC Sportclub und Wiener Victoria Fußball, „das ist ein Verein, in dem lauter Menschen mit verschiedenen Behinderungen spielen. Ich spiel am liebsten Stürmer wie der Cristiano Ronaldo, der ist ein Vorbild von mir.“
Achja, Behinderung: Niki kam mit dem Apert-Syndrom auf die Welt, „erinnern kann ich mich daran kaum, aber meine Mama hat mir erzählt, dass ich am Anfang keine Finger und Zehen gehabt habe. Jede Hand war eine Knochenplatte wie ein Fäustling. Da mussten in vielen Operationen die Knochen zu Fingern auseinandergeschnitten werden. Und Fleisch von unterhalb meiner Rippen wurde genommen, damit die Fingerknochen dann auch Fleisch bekommen haben.“ Diese Finger haben aber keine Gelenke, die frühen Operationen – bisher 23 – und vor allem die frühe Förderung durch die Familie hat dazu geführt, „dass ich eh alles machen kann, es ist auch gar nicht schwer, ich kann zum Beispiel am Computer ganz schnell tippen“.
Da sich diese Verknöcherung auch auf Kopf und Kiefer bei der Geburt auswirkte, musste etwa an Kopf, Kiefer und Gesicht mehrere Operationen vorgenommen werden. Diese Eingriffe waren für den Chirurgen auch Neuland. Er erweiterte u.a. die Schädeldecke, damit das Gehirn genügend Platz für weiteres Wachstum bekam. Das alles schildert eher Mutter Irina, weil sich Niki „nur an die letzten zwei oder drei Operationen erinnern kann“.
Heroe
„Im Spital war Niki immer ein Held“, so Irina „und ein Beispiel für andere Kinder. Er ist jedes Mal sogar gerne zu Operationen ins Spital gegangen. Bei den beiden letzten hat er dann gesagt: Mission erfüllt – zeit nach Hause zu gehen“, erinnert sich die Mutter. Und vertraut dem Kinder-KURIER noch ein Motto Nikis an, das er uns verschämt verschwiegen hat: „Stark wird man nicht geboren, stark kann man nur werden!“
Brüder als Bodyguards
Im Kindergartenalter und auch noch einige Zeit danach „bin ich dafür von anderen Kindern im Urlaub oder sonst irgendwo auch ausgespottet worden, aber da waren meine beiden Brüder (Julius und Alexander) meine Bodyguards. Die sind dann zu den anderen hingegangen und haben ihnen alles erklärt oder sie haben mich beschützt.“
Fliegen
Noch lieber als Fußball mag Niki Scharner Skifahren aber selbst dieser Sport verblasst, wenn er vom Sky-Diving zu erzählen beginnt und seine Augen glänzen. „Das ist wie Fallschirm springen, nur Indoor. Da hab ich auch schon einmal eine Medaille gewonnen“, deutet er auf die Vorhangstange, wo diese hängt, „weil ich einen Wettbewerb gewonnen habe, wo man Figuren wir Rückwärts- und Vorwärtssalto fliegen muss“. Seine Lieblingsfigur verrät er auf Nachfrage: „Wie Aladdin im Schneidersitz“ - nur ohne fliegenden Teppich, weil bei „Windobona“, das seine Eltern Irina und Walter im Prater betreiben, aus vier starken Düsen Luft von unten kommt, auf der du fliegst, bzw. schwebst.
Instruktor für Sky-Diving nennt Niki auch als seinen Berufswunsch. „Früher, so mit zehn Jahren, wollte ich Polizist werden, aber das hat sich durch Sky-Diving geändert. Als Instruktor kann ich anderen das Fliegen lernen!“
Etwas, das er nicht nur als Sky-Diving-Instruktor kann, denn sein Beispiel, dass ihn die körperliche Beeinträchtigung so gar nicht dabei behindert, zu tun, was andere Kinder und Jugendliche auch können und darüber hinaus in so manchen Bereichen noch talentierter – und dies meist mit einem, nicht selten auch verschmitzten, Lächeln, lehrt andere das Fliegen auch auf vielen Ebenen.
Beitrag auf schauTV
gedreht von Wolfgang Semlitsch
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