Ein "Corona"-Stück aus 1937 im Wiener Theater "Spielraum"

Szenenfoto aus „Die weiße Krankheit“ im Theater Spielraum.
„Die weiße Krankheit“ von Karel Čapek in mehr als einer szenischen Lesung in dem kleinen, engagierten Theater in der Kaiserstraße (Wien-Neubau).

„Eine Pandemie. Eine Seuche, die lawinenartig die ganze Welt erfasst. In China, mein Herr, taucht jedes Jahr eine neue interessante Krankheit auf – das macht das Elend; aber keine hatte bislang einen solchen Erfolg wie die Tsheng-Krankheit …“ Diese Sätze legte Karel Čapek dem Leiter seiner Lilienthal-Klinik im Stück „Die weiße Krankheit“ – erschienen 1937 (!) in den Mund.

Im Gegensatz zur Pest, die befallen Körperteile schwarz werden lässt, beginnt diese hoch-ansteckende Pandemie mit weißen Flecken – kalt und gefühllos sind diese und breiten sich aus. Der tschechische Autor Karel Čapek, der sich mit aktuellen Phänomenen seiner Zeit auseinandersetzte, wird bei uns kaum gelesen oder gespielt. Als fast einziges ist ein  Begriff – weltweit – bekannt, den er in dem Stück R.U.R. (Rossumovi Universální Roboti) verwendet hat: Roboter das sich aus dem Wort in vielen slawischen Sprachen für arbeiten ableitet. In diesem geht es um Auseinandersetzung zwischen Menschen und Maschinen, die eigenständig werden (übrigens 1920 erschienen!)

Kalt und gefühllos

„Die weiße Krankheit“ greift aber neben der körperlichen Pandemie – schon über die Symptome kalt und gefühllos – eine damals in Europa begonnene viel gefährlichere „Krankheit“ auf, den aufkommenden Faschismus und den drohenden Krieg. Čapek lässt einen Außenseiter-Arzt, der am Rande der Stadt ausschließlich Arme behandelt, das Mittel finden, diese Pandemie erfolgreich zu bekämpfen und heilen.

Szenenfoto aus „Die weiße Krankheit“ im Theater Spielraum.

Zwei Schauspieler in weißen Arztkitteln auf einer dunklen Bühne.

Zwei Männer in Laborkitteln scheinen eine hitzige Diskussion zu führen.

Zwei Schauspieler präsentieren Requisiten, darunter weiße Arztkittel, auf einer Bühne.

Zwei Männer in weißen Arztkitteln auf einer Bühne während einer Theatervorstellung.

Ein Mann im weißen Kittel telefoniert mit einem alten Telefonhörer.

Ein Mann im weißen Kittel telefoniert auf einer Bühne mit einem alten Telefon.

Szene aus dem Theaterstück „Die weiße Krankheit“ mit Schauspielern in Arztkitteln.

Zwei Schauspieler halten weiße Hemden vor sich auf einer dunklen Bühne.

Zwei Schauspieler in weißen Arztkitteln auf einer Bühne, einer liest in einem Buch, der andere trägt eine Maske.

Ein Mann im weißen Kittel hält eine schwarze Mappe in den Händen.

Ein Mann im weißen Kittel sitzt an einem Tisch mit einem altmodischen Telefon und liest ein Dokument.

Ein Mann im weißen Kittel gestikuliert neben einem alten Telefon.

Drei Personen in Laborkitteln stehen auf einer Bühne.

Ein Mann im weißen Kittel gestikuliert auf der Bühne, während ein anderer ihm den Rücken zukehrt.

Ein Mann im weißen Kittel betrachtet seine Zunge in einem Spiegel am Schreibtisch.

Ein Mann im Laborkittel telefoniert mit einem alten Telefon und hält ein Gerät in der Hand.

Zwei Männer in weißen Arztkitteln auf einer Bühne, einer liest in einem Buch, der andere sitzt am Tisch.

Ein Mann mit Brille und weißem Kittel steht an einem Rednerpult.

Zwei Männer in weißen Arztkitteln auf einer Bühne, einer liest in einem Buch.

Zwei Schauspieler in weißen Arztkitteln auf einer Bühne, einer mit Maske.

Ein Mann im weißen Kittel telefoniert auf einer Bühne mit blauem Vorhang.

Zwei Personen präsentieren weiße Arztkittel auf einer Bühne.

Zwei Schauspieler präsentieren auf einer Bühne weiße Arztkittel.

Mehr als szenische Lesung

Das kleine, feine, engagierte auf Literatur-Dramatisierungen spezialisierte Theater Spielraum in der Wiener Kaiserstraße – dem ehemaligen Erika-Kino – hat dieses Stück aus naheliegenden Gründen auf den Spielplan gesetzt – in der Form einer szenischen Lesung. In dieser wird allerdings tatsächlich auch viel gespielt, wenngleich Text aus Mappen vorgetragen wird.

„Gott in Weiß“ vs Armenarzt

Der schon erwähnte Leiter der Klinik, Hofrat, Professor, Dr. Sigelius – als überheblicher „Gott in Weiß“ überzeugend gespielt von Gunter Matzka, lässt diesen Dr. Galén – bescheiden, zurückhaltend, doch in Sache felsenfest standhaft Martin Purth - zunächst abblitzen. So nebenbei erfährt der titelsüchtige Klinikleiter, dass Galén Assistent bei seinem Schwiegervater, der zuvor die Lilienthal-Klinik geleitet hatte, war. Ja, der hatte sogar immer wieder von dem Dr. Kindskopf wie der Schwiegervater Galén zu nennen pflegte, geschwärmt. Nun denn, so soll Dr. Kindskopf Station 13 – isoliert - hoffnungs- und mittellose Patienten behandeln.

Natürlich hofft, nein will, der Hofrat das Medikament und die Heilmethode in seinen Besitz bringen. Da steht nur eine unabdingbare Forderung Galéns im Wege: Nur, wenn sich alle Regierungen bereit erklären, keinen Krieg zu führen, wenn abgerüstet wird, dann gibt er sein Geheimnis Preis. …

Zwei Schauspieler sitzen auf Stühlen während einer Theateraufführung.

Ein Mann liest in einem Buch, während eine Frau im Hintergrund gestikuliert.

Szenenfoto aus „Die weiße Krankheit“ im Theater Spielraum.

Ein Mann liest in einem Buch, während eine Frau im Hintergrund sitzt.

Ein Mann liest in einem Buch, während eine Frau im Hintergrund sitzt.

Szene aus dem Theaterstück „Die weiße Krankheit“ mit drei Schauspielern auf der Bühne.

Zwei Schauspieler proben ein Stück auf einer Bühne mit einem alten Telefon.

Ein Mann sitzt mit Geldscheinen und einer Pelzstola auf der Bühne, eine Frau steht hinter ihm.

Zwei Schauspieler auf einer Bühne während einer Aufführung von „Die Weisse Krankheit“.

Zwei Schauspieler sitzen mit Textbüchern auf einer Bühne.

Eine Szene aus dem Theaterstück „Die weiße Krankheit“ mit zwei Schauspielern.

Zwei Schauspieler lesen während einer Aufführung übergroße Zeitungen.

Zwei Schauspieler in Kostümen halten Requisiten auf einer Bühne.

Ein Mann mit Bart hält eine Jacke und einen Schreibblock in der Hand.

Eine Frau sitzt nachdenklich an einem Tisch mit einem altmodischen Telefon und einer Jacke.

Zwei Schauspieler stehen auf einer Bühne, einer liest aus einem Buch.

Szene aus dem Theaterstück „Die weiße Krankheit“ mit zwei Schauspielern auf der Bühne.

Ein Mann sitzt mit einem Fell und Geldscheinen in einem Sessel neben einem Telefon.

Ein Mann in einem blauen Hemd hält ein Requisit mit Geldscheinen und Fell in der Hand.

Eine Szene aus dem Theaterstück „Die weiße Krankheit“ mit drei Schauspielern auf der Bühne.

Vier Schauspieler stehen auf einer Bühne während einer Aufführung von „Die weiße Krankheit“.

Zwei Schauspieler sitzen auf einer Bühne während einer Aufführung.

Zwei Schauspieler sitzen auf der Bühne mit ihren Drehbüchern für das Stück „Die weiße Krankheit“.

Eine Frau in einem blauen Kleid mit einem Kragen aus Geldscheinen und Fell steht auf einer Bühne.

Zwei Schauspieler in Kostümen während einer Theatervorstellung.

Szene aus dem Theaterstück „Die weiße Krankheit“ mit drei Schauspielern.

Zwei Schauspieler während einer Aufführung von „Die Weisse Krankheit“.

Szene aus dem Theaterstück „Die weiße Krankheit“ mit drei Schauspielern.

Drei Schauspieler stehen auf einer Bühne während einer Aufführung.

Szene aus dem Theaterstück „Die weiße Krankheit“ mit drei Schauspielern auf der Bühne.

Drei Schauspieler stehen auf einer Bühne mit Requisiten für das Stück „Die weiße Krankheit“.

Drei Schauspieler stehen auf einer Bühne und proben ein Stück.

Ein Mann mit Bart betrachtet einen Trenchcoat, während er Notizen macht.

Zwei Schauspieler während einer Aufführung von „Die weiße Krankheit“.

Drei Schauspieler stehen auf einer Bühne während einer Aufführung von „Die Weisse Krankheit“.

Drei Schauspieler stehen auf einer Bühne während einer Aufführung von „Die weiße Krankheit“.

Familie

Neben den beiden Ärzten eröffnen weitere Figuren des Stücks Blicke auf unterschiedliche Teile der Gesellschaft. Da ist eine namenlose Familie. Der Vater (Karsten Rühl) wird – weil andere an der weißen Krankheit bereits gestorben sind – Leiter der Buchhaltung in der Rüstungsfirma Krüg, was er zu Hause im Schaukelstuhl stolz seiner eingeschüchterten, kaum zu Wort kommenden Ehefrau (Hertha Pachl) erzählt. Die in den wenigen Worten, die ihr zu sagen bleiben, weniger Freude mit dem Geschäft der Krügs, die in Richtung Krieg gehen, zum Ausdruck bringt.

Wandlungsfähiges Duo

Als erwachsene Tochter und Sohn treten kürzest Dana Proetsch und Christian Kohlhofer in Erscheinung. Diese beiden treten in etlichen anderen Duos auf – da meist länger und in manchen Rollen auch sehr beeindruckend – jenseits der Verwandlungsfähigkeit: Als zwei Aussätzige, als Ober- und Assistenzarzt, als zwei Journalisten und nicht zuletzt als Baronin und Baron. An den Mappen aus denen sie lesen hängen im einen Fall Mäntel, in einem anderen mit ärztlichen, weißen Kitteln. Bei den Rüstungsfirmen-Eigentümer_innen Baronin und Baron reichen Pelzkrägen und Bänder aus Geldscheinen (Ausstattung: Anna Pollack).

Szene aus dem Theaterstück „Die weiße Krankheit“ mit drei Schauspielern auf der Bühne.

Zwei Schauspieler auf einer Bühne mit Pelzstolen und Geldscheinen, im Hintergrund eine Filmprojektion.

Zwei Schauspieler auf der Bühne telefonieren vor einer Leinwand mit einem Filmausschnitt.

Eine Theaterszene mit Schauspielern und einer Projektion von Boris Johnson.

Szene aus dem Theaterstück „Die weiße Krankheit“ mit mehreren Schauspielern auf der Bühne.

Szene aus dem Theaterstück „Die weiße Krankheit“ mit sechs Schauspielern und einer Weltkugel.

Eine Theaterszene mit dem Titel „Die weiße Krankheit“ vor dem Hintergrund steigender Corona-Zahlen.

Szene aus dem Theaterstück „Die weiße Krankheit“ mit sechs Schauspielern.

Szene aus dem Theaterstück „Die weisse Krankheit“ mit mehreren Schauspielern auf der Bühne.

Ein Mann mit Hut und Mantel steht vor einer projizierten Menschenmenge.

Zwei Schauspieler auf der Bühne telefonieren mit Pelzkrägen vor einem Filmbild.

Eine Theaterszene mit Schauspielern vor einer Leinwand mit dem Text „Höchste Infektionszahlen“.

Eine Theaterszene mit dem Titel „Populistische Regierungen“ und einem Bild von Jair Bolsonaro.

Szene aus dem Theaterstück „Die weiße Krankheit“ mit sechs Schauspielern auf der Bühne.

Ausschnitte aus der Original-Verfilmung

Die mitunter angesichts subtiler Anspielungen auf hier und heute den Atem anhalten lassende Inszenierung und Einrichtung von „Die weiße Krankheit“ besorgte die Co-Leiterin des Theaters Nicole Metzger. Eingebaut in die Aufführung sind Szenen aus der im selben Jahr wie die gleichzeitige Uraufführung auf zwei tschechischen Bühnen stammenden Verfilmung des Stücks: Bílá nemoc (Regie: Hugo Haas; Videoschnitt fürs Theaterstück: Katharina Köller; Link zum gesamten Film auf YouTube, siehe unten). Der Jubel für den autoritären Marschall, der im Spielraum-Stück bewusst nicht als Rolle vorkommt. Dessen Ankündigung, die Weltherrschaft erobern zu wollen und zunächst ein kleines, unbedeutendes Land zu überfallen … Kalter Schauer laufen über den Rücken – Stück und Film sind 1937 (!) erschienen.

Brücke zu heute

Projizierte Bilder heutiger populistischer „Führer“ sowie Fakten, dass auch unter Corona ärmere Bevölkerungsschichten überdurchschnittlich leiden, schlagen die Brücke von 1937 zu 2020. Und das abschließende Spiel der Schauspieler_innen mit einem Weltkugel-Luftballon erinnert an Charlie Chaplins „Der große Diktator“.

Follow@kikuheinz

Zwei Schauspieler auf der Bühne telefonieren vor einer Leinwand mit einem Filmausschnitt.

Szenenfoto aus "Die weiße Krankheit" im Theater Spielraum - im Hintergrund Ausschnittt aus der Verfilmung des Stücks 1937: Bílá nemoc

Kommentare