Kurkuma als Arzneimittel: Welche Wirkungen sind belegt?

Begehrtes Curcumin: Der ockergelbe Farbstoff macht bis zu fünf Prozent des Kurkuma-Wurzelstocks aus.
Hype um gelbes Pulver. Extrakte des Farbstoffes Curcumin sollen gegen fast alles helfen. Aber harte Daten gibt es kaum.

Man muss im Internet nicht lange suchen. Die gelbe Wurzel soll ein wundertätiges Heilmittel für alles sein: Kurkuma gegen Krebs; Kurkuma gegen Alzheimer; Kurkuma gegen Arthritis.

„Wenn eine Pflanze gegen alles helfen soll, dann steht da für mich ein großes Fragezeichen dahinter – weil so etwas gibt es normalerweise nicht“, sagt Reinhard Länger, Leiter der Abteilung für pflanzliche Arzneimittel der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES).

Er ist für ein differenzierte Betrachtung. „Bei der Kurkumawurzel gibt es gute Hinweise darauf, dass sie die Verdauung verbessert.“ Sie erhöht den Gallenfluss und das erleichtert den Konsum fettreicher Speisen.

"Eine sehr interessante Substanz"

Ein bis fünf Prozent der Inhaltsstoffe des Wurzelstocks macht das Curcumin aus, der ockergelbe Farbstoff. Als Extrakt ist es in vielen Nahrungsergänzungsmitteln erhältlich. „Curcumin ist schon eine sehr interessante Substanz, zu der es eine unglaubliche Fülle an Daten aus Zellkulturen und teilweise auch Tierversuchen gibt. Aber es fehlt an guten Untersuchungen am Menschen.“

Das sieht auch Jan Frank, Leiter des Instituts für Ernährungswissenschaft der Universität Hohenheim in Stuttgart, so, der selbst schon Untersuchungen mit Curcumin durchgeführt hat. „Das liegt daran, dass solche Studien sehr teuer sind und die Pharmaindustrie, die ja bereits Medikamente gegen die verschiedenen Erkrankungen auf dem Markt hat, kein Interesse daran hat. Zumal Curcumin ein Naturstoff ist, der nicht patentierbar ist.“

Vor allem in Zellkulturen hat sich gezeigt, dass Curcumin die Bildung von Entzündungsbotenstoffen und den Abbau von Gelenksknorpel hemmt. Auch kleinere Studien mit Arthritis-Patienten gibt es – die aber methodische Schwächen aufweisen und deren Ergebnisse deshalb „mit Vorsicht zu genießen“ sind, wie Frank betont. So wussten die Patienten teilweise, dass sie auch Curcumin erhielten: Berichteten sie anschließend von einer Schmerzlinderung, konnte das deshalb der Effekt von Curcumin ebenso sein wie reine Einbildung (Placebo-Effekt).

Kurkuma als Arzneimittel: Welche Wirkungen sind belegt?

Trotzdem würden alle verfügbaren Daten zusammen – bei aller Vorsicht in der Beurteilung – nahelegen, dass sich Curcumin positiv auf Entzündungen auswirkt, sagt Frank: „Und dass es auch bei Gelenksentzündungen einen Effekt haben kann, zumindest als unterstützende Wirkung von konventionellen Therapien. Aber wir benötigen bessere Studien.“

Die Plattform „medizin-transparent.at“ an der Donau-Universität in Krems hat Ende des Vorjahres nach eingehender Literaturrecherche festgestellt, dass „sich keine verlässlichen Aussagen treffen lassen. Zur Wirksamkeit von Kurkuma gegen Schmerzen und zur Verbesserung der Beweglichkeit können wir keine sichere Einschätzung abgeben“.

Das gilt auch für Krebs: In Zellkulturen zeigten sich krebshemmende Eigenschaften. Beim Menschen gibt es Einzelfallberichte, dass unter der Gabe von Curcumin das Tumorwachstum zumindest für eine gewisse Zeit gestoppt werden konnte. Aber auch hier ist nicht belegt, was wirklich die Ursache war. Frank: „Wenn Curcumin wirklich so ein starkes Chemotherapeutikum wäre, dann wäre es wahrscheinlich nicht in der Nahrung vorhanden.“

Auch Reinhard Länger von der AGES betont: „Die Europäische Arzneimittelagentur sieht für pflanzliche Arzneimittel aus Kurkuma derzeit nur einen ausreichend belegten Anwendungsbereich: Verdauungsstörungen.“

Als Argument für eine positive Wirkung bei Krebserkrankungen wird oft auch angeführt, dass bestimmte Formen (besonders Brust-, Darm-, Lungen- und Prostatakrebs) in Indien – das den Großteil der Welternte verbraucht – seltener seien. Länger: „Aber da spielen auch ganz andere Faktoren eine Rolle – genetische Unterschiede, die Ernährung insgesamt, der Lebensstil. Es ist nicht möglich, die geringere Krebsrate auf eine einzige Substanz zurückzuführen.“

Länger betont aber auch, dass er jeden verstehe, der „in einer belastenden gesundheitlichen Situation“ zusätzlich etwas ausprobieren möchte: „Als Ergänzung ja, aber eine Standardtherapie kann Curcumin nicht ersetzen.“

Wobei es sich bei Curcumin-Extrakten in Österreich ausschließlich um Nahrungsergänzungsmittel handelt: „Und da ist auch immer die Qualität der Produkte das große Fragezeichen.“

Herkunft Die Kurkuma (Curcuma longa), auch „Gelber Ingwer“ oder Gelbwurzel, stammt aus der Familie der Ingwergewächse. Der Wurzelstock wird traditionell in der indischen und chinesischen Medizin eingesetzt. 

Indien ist das größte Anbau- und Verbraucherland (dort wird Kurkuma als „Gewürz des Lebens“ bezeichnet). Kurkuma ist ein wichtiger Bestandteil des Currypulvers. Vor einigen Jahren setzte im Lebensmittelbereich ein Kurkuma-Hype (Stichwort „Kurkuma-Latte“) ein.

Schwierige Aufnahme Ein Problem von Curcumin ist die geringe Bioverfügbarkeit, die schlechte Aufnahme aus dem Darm. Studien von Jan Frank (Uni Hohenheim) zeigten, dass spezielle  Aufbereitungen („Mizellen-Curcumin“, oder der Zusatz von Cyclodextrin, steht auf der Packung) die Aufnahme deutlich erhöhen.

Wobei Cyclodextrin-Komplexe von Curcumin  nur halb so gut aufgenommen werden wie Mizellen-Curcumin.  Keine Wirkung zeigte eine Substanz aus dem Schwarzen Pfeffer (Piperin).

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