Warum das Ausland Österreichs Küche verschmäht

Österreichische Küche hat's im Ausland schwer.
Heimische Köche wollen nun international für ein heimisches Küchenwunder sorgen.

Kürzlich wurde die oberste Ernährungsverantwortliche von New York, Barbara Turk, gefragt, was ihr denn zur österreichischen Küche einfiele. "Vieles", sagte sie, lächelte freundlich und schwieg. Also nichts.

Es ist ein seltsames Phänomen, dass die "Wiener Küche" international durchaus bekannt ist, die "Österreichische Küche" hingegen nicht. Gibt es die einheimische Küche überhaupt, ist sie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten und warum tut sie sich so schwer, sich international zu behaupten?

Attila Dogudan, Österreichs erfolgreichster gastronomischer Export, bestätigt das: "Wie man an der relativ geringen Anzahl an österreichischen Restaurants im Ausland feststellen kann, hat die österreichische Küche international nur eine überschaubare Bedeutung. Österreich, und vor allem Wien, steht für hervorragende Zuckerbäcker-Kunst, beste Mehlspeisen, Torten und Strudel."

Schnitzel mal Tafelspitz geteilt durch Apfelstrudel

Warum das Ausland Österreichs Küche verschmäht
Österreich, das Mehlspeis-Paradies, wo man immer noch von den Kreationen der Köche aus den ehemaligen Kronländern zehrt. Versuche, Palatschinken, Powidltatschgerln, Dalken oder Liwanzen mit modernen Rezepturen der neuen Zeit anzupassen, sind zaghaft ausgefallen. Sie scheitern aber nicht nur am Mut der Köche, sondern auch an der Reserviertheit des Publikums. Die Abänderung eines liebgewonnenen Rezepts, eine Herausforderung an den gewohnten Geschmack, kommt hierzulande einer Torten-Schändung gleich: Die neue Kreation schmeckt anders und deswegen nicht gut. Also tut man sich mit Neuerungen schwer. Dies bestätigt auch der Medienmanager Hans Mahr, der sich seit vielen Jahren für die heimische Gastronomie starkmacht: "Im Prinzip ist im Ausland nur die Wiener Küche bekannt und – skibedingt – eine Art Berg-Küche mit viel Gröstl. Die Formel der österreichischen Küche ist einfach: Schnitzel mal Tafelspitz geteilt durch Apfelstrudel."

Wie könnte eine moderne Küche aussehen?

Warum das Ausland Österreichs Küche verschmäht
Das ist auf Dauer nicht genug, deshalb haben sich nun verschiedenste Institutionen aufgemacht, der müden Strahlkraft der österreichischen Küche im Ausland neuen Glanz zu verleihen. So zum Beispiel das "Kulinarische Erbe Österreich", das sich formierte und Industrie, Restaurantführer, Köchinnen und Köche vereinen will. Seit Neuestem zieht man gemeinsam an einem Strang und arbeitet intensiv an einem modernen Erscheinungsbild der österreichischen Küche im Ausland. Ferry Maier, Präsident des "Kuratorium Kulinarisches Erbe Österreich": "Der neue Küchen-Stil ist eine Symbiose aus Klassikern, neu interpretierter traditionell-bodenständiger Kulinarik unter Verwendung heimischer Produkte und kreativer, zeitgemäßer Zubereitungsmethoden."

Mit Regionalität und Bio punkten

Warum das Ausland Österreichs Küche verschmäht
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Die Ausgangssituation dafür ist dank der prall gefüllten Speisekammer Österreichs, nicht schlecht. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter hat gerade in den Vereinigten Staaten Werbung für die heimische Gastronomie und Landwirtschaft gemacht – unter anderem besichtigte er im Rahmen eines New-York-Besuchs die größte Dach-Farm der Welt. Die "Brooklyn Grange" mit Aussicht auf die Skyline der Stadt erstreckt sich über zwei Gebäude und produziert jährlich 25.000 Kilo Bio-Gemüse, das an lokale Restaurants und am eigenen Stand verkauft wird – vom Mangold bis zu Karotten, von Melanzani bis Gurken. Dazwischen wachsen Sonnenblumen und Klee.

Der Vorteil des Dach-Gärtnerns: Kurze Wege zum Endverbraucher, um Kosten und Energie zu sparen. Manche Städter versuchen sich auf diese Weise als Teilzeit-Bauern. Regionalität mitten im Big Apple, wie sie hierzulande seit langer Zeit Tradition hat. "Seit mehr als 20 Jahren setzt Österreich auf die Vermarktung hochwertiger Lebensmittel. Sie sind die Basis für typische Rezepte und kulinarische Spezialitäten – darum sind wir sowohl für die Qualität unserer Agrarprodukte als auch für unsere gute Küche weltweit bekannt. Auch im Bio-Sektor ist Österreich weltweiter Spitzenreiter", sagt Rupprechter.

Warum das Ausland Österreichs Küche verschmäht
Heinz Reitbauer; Restaurant Steirereck, Wien (A)
Und genau hier sieht Heinz Reitbauer, Patron des Wiener "Steirereck", das als eines der wenigen österreichischen Restaurants weltweite Anerkennung genießt, die Chance zu reüssieren. "Die kleinen Landwirtschaften, die sich auf etwas ganz Besonderes spezialisieren, der kulinarische Denkmalschutz "Arche Noah", der sich der Bewahrung alter Sorten angenommen hat, die regionalen Produzenten – da haben wir einen großen Vorteil." Während man in anderen Ländern stolz mit seinen einzigartigen Produkten umgeht, vermisst Reitbauer hierzulande jedoch das nötige Selbstbewusstsein.

Ein Land der Mehlspeisen

Wo liegen also die Chancen, die heimischen Produzenten, Gastronomen und Köche, die allesamt unter dem Begriff "Österreichische Küche" vereint sind, international auf den letzten Stand zu bringen?

Warum das Ausland Österreichs Küche verschmäht
Interview mit Gastronom Attila Dogudan am 17.06.2014 bei Do & Co im Haas-Haus in Wien.
Attila Dogudan sieht das Wohl der österreichischen Küche, abgesehen vom Wiener Schnitzel ("Das ist unser wichtigstes Signature Dish"), vornehmlich im Mehlspeis-Sektor: "Aus meiner Sicht können wir derzeit nur mit unseren süßen Köstlichkeiten punkten. Dafür aber überall in der Welt". Ganz allgemein, so der Fluglinien-Caterer, wird man umdenken müssen. "Die Zutaten und die Zubereitungsarten der traditionellen österreichischen Küche sind im Vergleich zur mediterranen und asiatischen Küche eher kalorienreich und entsprechen daher nicht immer den heutigen Essgewohnheiten.

Wenn sich mehr junge österreichische Köche mit diesem Thema beschäftigen würden, könnte auch bei uns eine neue Kultur entstehen. Wichtig dabei ist, alles daranzusetzen, zu den Besten der Welt zählen zu wollen und sich nicht mit regionaler Bedeutung zufrieden zu geben. Je mehr Wettbewerb entsteht, desto besser wird sich unsere Küche entwickeln."

Österreicher im Ausland müssen kämpfen

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BILD zu TP/OTS - Superkoch Kurt Gutenbrunner erhält die Goldene Cloche(C) 2011
Einer, der sich seit vielen Jahren dieser Herausforderung stellt, ist Kurt Gutenbrunner. Der gebürtige Wallseer kocht in New York groß auf. Seit elf Jahren wird sein Restaurant "Wallsé" nun schon von einem Stern des Gourmetführers Michelin beleuchtet und auch sein Café Sabarsky in Ronald Lauders Neuer Galerie kann sich nicht über Besucherschwund beklagen.

Gutenbrunner zur Lage der Genuss-Nation: "Es hört sich alles wunderbar an, wenn die Medien über österreichische Küche berichten, die Realität ist aber ein täglicher Kampf, und ich wünschte mir eigentlich mehr Hilfe und Verständnis aus der Heimat. Natürlich tun wir uns mit unseren Mehlspeisen etwas einfacher, wie wir das ja auch seit 14 Jahren im Café Sabarsky beweisen. Apfelstrudel, Sacher- und Klimt-Torte mit Meinl Kaffee ist nun mal eine wunderbare Sache, auf die wir stolz sein müssen". Und auch in seinem Restaurant punktet er mit österreichischer Küche – aus möglichst regionalen Zutaten, etwa vom nahen Bioladen.

Nordisches Wunder mit Millionen

Wie man mit der Wertschätzung der eigenen Produkte umgeht und etwas daraus machen kann, ist am nordischen Küchenwunder schön zu erkennen. In wenigen Jahren haben sich einige kulinarische Niemandsländer im Norden Europas an die kulinarische Spitze katapultiert. Der Höhepunkt: Das dänische "Noma", das drei Mal zum besten Restaurant der Welt gekürt wurde. Das beeindruckende Ergebnis: 1,4 Millionen Buchungsanfragen pro Jahr.

Hans Mahr konstatiert dazu folgendes: "Von nix kommt nix. Hinter der nordischen Küche steht ein millionenschweres Marketing-Paket, die Spanier laden Jahr für Jahr zwei Dutzend Köche zur kostenlosen Ausbildung nach Barcelona und Madrid ein, die Franzosen haben gerade einen neuen Regierungsplan zur Propagierung der französischen Küche aufgestellt. Da muss Österreich auch etwas auf die Beine stellen. Beim Wein ist es ja ebenso gelungen, mithilfe der Weinvermarktung – so etwas brauchen wir auch auf dem Sektor der Gastronomie."

Heinz Reitbauer warnt jedoch vor zu viel staatlicher Einmischung: "Ich bin kein Freund von Nachahmung, wir müssen selbst etwas organisieren und den Bauernhof Österreich mit seinen Produkten bewerben."

Dass dies funktioniert, weiß auch der Kärntner Oscar-Koch Wolfgang Puck, der mittlerweile 80 Lokale in den USA betreibt: "Ich kaufe nur von Bauern, von denen ich genau weiß, wie sie produzieren. Das Gleiche gilt für die Fische – ich weiß genau, wo diese herkommen, das ist unglaublich wichtig für uns." International wird man also nur durch die Überzeugungskraft einheimischer Spezialitäten erfolgreich sein können, oder, wie es Hans Mahr ausdrückt: "Kein Firlefanz, keine Schäumchen, kein Teller-Design – einfach erstklassiges Essen, das aus der Regionalität entsteht."

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