Dachgärten sehen schön aus, bieten aber auch sonst viele Vorteile. Welche sind die wichtigsten aus ökologischer Sicht?
Vera Enzi: Der wichtigste Faktor ist das Regenwassermanagement. Wir kämpfen klimawandelbedingt damit, dass es in kürzeren Abständen öfter Starkregenereignisse gibt. Was auch bedeutet, dass die Kanalisation das Ganze nicht mehr bewältigen kann. Da haben Privatbegrünungen einen riesengroßen Vorteil. In Österreich beginnen wir gerade erst damit, dass man bei neu errichteten Gebäuden oder im Sanierungsfall, 100 Prozent des Regenwassers auf dem Grundstück managen sollte. In Deutschland spart man sich damit auch Kanalgebühren und Kosten.
Außerdem sorgt Dachbegrünung dafür, dass die darunterliegenden Schichten des Gebäudes, z. B. die Abdichtung, die maßgeblich für die Lebensdauer eines Gebäudes ist, erst mindestens zehn Jahre später saniert werden muss als ein Standard-Bauwerk mit einem Kies-Dach.
Inwiefern helfen Dachbegrünungen beim Artenschutz?
Artenvielfalt und -schutz liegen mir persönlich und dem Team sehr am Herzen. Wir wollen vor allem Insekten durch pflanzenartenreiche Begrünungen fördern, weil wir wissen, dass die Biomasse an Insekten in ganz Europa radikal zurückgeht. Im urbanen Raum finden verschiedene Bestäuber auf Dachgärten und Balkonen, wo pestizidfrei gewirtschaftet wird, ein super Habitat, also Nahrungsquelle, Blüten- und Nistangebot.
Niemand sollte eine Dachbegrünung ohne Wasseranschluss bauen.
von Vera Enzi, Geschäftsführerin von Grünstattgrau
Welche Pflanzen eignen sich besonders für eine Dachterrasse?
Bei der extensiven Dachbegrünung geht es eher um die bauphysikalische Leistung für das Gebäude. Da kommen Arten zum Einsatz, die extrem trockenheitsresistent sind. Sukkulenten-Arten wie Hauswurzen und Sedum, verschiedene trockenresistente Gräser und Kräuter. Thymian ist ein sehr gern eingesetzter Bewuchs auf solchen Dächern, oder Schnittlauch. Im intensiven Bereich ist es so, dass der Gestaltungsfreiheit keine Grenzen gesetzt sind.
Es gibt gewisse Gehölze, die man eher nicht zum Einsatz bringen wird, weil sie entweder zu aggressiv wurzeln oder einfach zu groß werden. Aber in der Regel kann man davon ausgehen, dass sich der jeweilige Baum an die Gegebenheiten auch ein wenig mitanpasst. Was auch immer gut geht, sind verschiedene Pinus-Arten, die halten Hitze und Trockenheit sehr gut aus. Es gibt auch Obstgehölze, die möglich sind. Der Rasen ist ein spannendes Thema, der zählt zu intensiver Dachbegrünungstechnologie, weil er eine zusätzliche Bewässerung benötigt.
Warum wurzeln die Bäume nicht durch?
Prinzipiell startet jede Dachbegrünung mit einer wurzelfesten Abdichtung. Das können Folien oder bituminöse Aufbauten sein. Eine totale Unart am Dach wären Bambus oder die deutsche Tamariske. Der Bambus bildet extreme Ausläufer, der kann Asphalt durchstoßen. Da kann man sich vorstellen, was der für einen Druck und eine Kraft entwickelt. Sonst geht eigentlich fast alles. Wir haben auch Rosen- und Lavendel-Dächer, für die, die es gern romantisch mögen.
Es gibt auch viele Hochbeete bzw. Gartenanlagen auf Dächern, was ein sehr spannender und schöner Aspekt ist.In dem Zusammenhang ist für mich noch immer die Sargfabrik im 14. Bezirk ein tolles Projekt. Es gibt außerdem viele Hochgaragen, wo das Top-Deck nicht genutzt wird. Und das ist eine Dachfläche, die statisch dafür ausgelegt ist, dass viele Autos oben stehen können. Dementsprechend auch perfekt, um da oben eine nachbarschaftliche Community zum Garteln oder zum Produzieren anzuregen. Oder wirklich eine professionelle Produktion raufzupacken, Stichwort Urban Farming.
Welche Elemente beim Aufbau gibt es neben der wurzelfesten Abdichtung?
Darüber ist eine Schutzlage, das ist einfach ein Geo-Textil, das die Abdichtung vor Beschädigungen schützt. Darüber kommt eine Drainage- und Speicherebene, da findet das richtige Wassermanagement im Dach statt. Bei Starkregen wird dafür gesorgt, dass es abgeleitet oder gespeichert wird für Dürre-Perioden. Diese Drainageebene ist von der eigentlichen Substratebene noch einmal getrennt, dazwischen ist ein Filterflies.
Das ist dafür gedacht, dass die Feinanteile, die für die Pflanzenwurzeln total wichtig sind, in einem Substrat oben bleiben und nicht unten ausgewaschen werden. Und das Substrat selbst ist natürlich das Herz der ganzen Angelegenheit. Da werden Nährstoffe und Wasser gespeichert, das ist der Wurzel-Lebensraum für Pflanzen und dementsprechend hochwertig und beständig muss das sein. Die letzte Ebene ist dann die Vegetationsebene, das sind die Pflanzen.
Wie kann man Dachgärten vor Wind schützen?
Man kann Gehölze in Form von linearen Strukturen anordnen, um die Windgeschwindigkeiten rauszubekommen. Wenn man mit sehr großen Gehölzen an sehr windigen Standorten arbeitet, muss man diese sichern, weil der Winddruck in der Anwuchsphase sehr hoch ist. Da gibt es Systeme mit einer aufliegenden Wurzelballen-Verankerung, da hält sich der Baum über eine Lastverteilplatte durch sein eigenes Gewicht und das des Substrates. Wir haben hier im Dachgarten beispielsweise einen durch die Korkenzieher-Hasel bereitgestellten Wind- und Regenfang von 1,5 Meter rundherum.
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