Nachhaltiges Bauen: So wird das eigene Haus zukunftsfit
In Österreich, dem Land der Häuselbauer, ist Nachhaltigkeit längst auch beim privaten Hausbau fundamental. Experte Robert Lechner, Leiter des Österreichischen Ökologie-Instituts und Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (ÖGNB), erklärt, worauf es ankommt und wie wir, wenn wir klug sind, in Zukunft wohnen werden.
KURIER: Was bedeutet nachhaltiges Bauen konkret?
Robert Lechner: Nachhaltig Bauen kann heute nur mehr klimaneutrales Bauen heißen. Künftig dürfen Gebäude im Betrieb keine Treibhausgasemissionen verursachen. Sie müssen deshalb mit erneuerbarer Energie versorgt werden, im besten Fall sogar Energie erzeugen. Damit sie die Umwelt so wenig wie möglich belasten, achten diese Gebäude auf höchste Materialeffizienz, vermeiden gesundheitlich bedenkliche Produkte. Das Wichtigste: Der geschaffene Wohnraum sollte nicht größer sein als unbedingt notwendig. Das schont die Umwelt und spart Geld.
Welchen Baumaterialien ist der Vorzug zu geben?
Da gibt es viele Möglichkeiten, mit allen Vor- und Nachteilen. Holz ist zwar nachwachsend und weitgehend CO2-neutral, reist aber oft weit, bis es in Österreich eingesetzt wird. Massive Baustoffe wie Ziegel und Beton brauchen zur Herstellung mehr Energie, kommen aber fast immer aus Österreich, haben somit geringe Transportrucksäcke. Zur Dämmstoffdebatte: Dämmen ist immer gut, egal womit. Reicht das Geld für Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, ist das eine hochwertige Maßnahme. Aber nochmals: Jedes gedämmte Haus ist ökologisch deutlich besser als ein ungedämmtes.
Klimawandel, Temperaturanstieg: Was bedeutet das hinsichtlich des Wohnbaus?
Es wird immer wichtiger, dass Gebäude Speichermassen haben. Massive Decken können in Verbindung mit Wärmepumpen im Sommer wie im Winter zum Kühlen und Heizen verwendet werden. Grundsätzlich sollten aus Umweltsicht drei Aspekte mitgedacht werden: Wie viel Energie ist für die Herstellung der Materialien notwendig? Wo kommen die Baustoffe her? Wie schaut es mit der Speicherfähigkeit aus, taugt meine Konstruktion also zum Heizen und Kühlen?
Wie wichtig ist die Bauform?
Ganz wichtig. Je weniger Vor- oder Rücksprünge, komplizierte Aufbauten oder Verwinkelungen die Grundform eines Hauses hat, desto effizienter ist es. Diese Aussage trifft sowohl auf benötigte Materialien wie auf den aus der Bauform resultierenden Energiebedarf zu. Und auf die Baukosten. Auch wenn die viel zitierten „Kisten“ immer wieder in Verruf geraten: Sie sind unglaublich effizient und kostensparend. Und es gibt mittlerweile ja auch viele schöne „Schachteln“.
Wie kann ein altes Haus nachhaltig nachgerüstet werden?
Auch bestehende Gebäude können zukunftsfit gemacht werden. Regel 1: Raus aus Öl, raus aus Gas. Im Einfamilienhausbereich ist bei Bestandsprojekten jederzeit eine Biomasseheizung mit Stückholz oder Pellets der erste logische Ersatz für CO2-Schleudern der Vergangenheit. Das wird praktisch österreichweit auch gut gefördert. Gleichzeitig steht bei jedem Haus irgendwann die Sanierung an. Die kann dann umfassend für das gesamte Haus auf einmal durchgeführt werden oder eben in Einzelschritten: Dach- und Fassadendämmung, Fenstertausch.
Nachhaltig Bauen? Da wird sich in unseren Köpfen noch einiges verändern müssen."
Wichtig ist bei Einzelmaßnahmen, dass diese im Rahmen eines Gesamtkonzepts umgesetzt werden. Mit anderen Worten: So planen, als ob das ganze Haus saniert wird, dann Schritt für Schritt umsetzen.
Was kann man hinsichtlich der Energiereduktion tun?
Das Ziel ist klar: Einfamilienhäuser der Zukunft sind praktisch energieautark, verbrauchen so wenig Energie wie nur möglich, nutzen erneuerbare Energiequellen am oder rund ums Haus. Diese erneuerbaren Quellen sind vielfältig. Nummer 1: Sonne. Künftig kann es kein Haus mehr geben, das nicht sein eigenes Stromkraftwerk und damit Fotovoltaik am Dach hat. Mit der Sonne ist auch die Solarthermie für das Warmwasser gut erschlossen. Wärmepumpen nutzen Umgebungswärme, das Grundwasser oder mittels Erdsonden sogar Geothermie. Basis für das Gelingen ist immer ein sehr gut gedämmtes Haus und hocheffiziente technische Anlagen.
Nachhaltigkeit und Energiesparen bedingen einander – das beginnt im Kleinen – eben Zuhause – und reicht von Licht über die Haustechnik bis zu Haushaltsgeräten mit Energielabel A+++. Tipps für weniger Energie und mehr Nachhaltigkeit.
- Umsteigen auf Ökostrom. Ein Drei-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 3.500 kWh vermeidet 935 kg CO2 pro Jahr. Konventioneller Strom wird großteils aus fossilen Stoffen – Kohle, Öl und Co. – gewonnen. Diese aber geben enorm viel CO2 an die Atmosphäre ab
- Auswechseln Wer auf LED umsteigt, kann den Energiebedarf für Licht um bis zu 90 Prozent senken.
- Kühlen Mit einem qualitativ hochwertigen Kühlgerät mit dem besten Energielabel A+++ spart man langfristig enorm viel Energie und reduziert viel CO2.
- Waschen Waschmaschinen haben eine so starke Leistung, dass Vorwäsche oft überflüssig ist. Auch mit dem Hauptprogramm wird Wäsche blitzsauber.
Wir brauchen uns nichts vorzumachen: Einfamilienhäuser belasten die Umwelt deutlich mehr als Geschoßwohnbauten. Sie sind bezogen auf die Wohnflächen deutlich größer, brauchen mehr Materialien und Fläche, sind ein wesentlicher Grund der Zersiedelungsproblematik und einer der Hauptverursacher für die Emissionen aus dem Mobilitätssektor. Energieautarke, effiziente Einfamilienhäuser werden sich aber ihrer Verantwortung für die Umwelt in Österreich immer bewusster. Der Ausgleich ist im Energiebereich um ein Vielfaches einfacher und günstiger als im Geschoßwohnbau. Hier wird der ökologische Nachteil zum Vorteil, denn hier stehen schlichtweg mehr Flächen für Energiegewinnung zur Verfügung.
Wie wird ein nachhaltig gebautes Haus bewertet?
Das einfachste Zertifikat muss jedes Gebäude in Österreich haben, auch wenn uns das so nicht bewusst ist - und das ist der Energieausweis. Da gibt es Misstrauen, manche meinen, der ist das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt ist. Da habe ich nur eine Antwort: Es gibt sehr gut ausgebildete Planungsbüros, die sind jeden Cent wert, den sie für einen hochwertigen Energieausweis in Rechnung stellen.
Das Autopickerl kostet pro Jahr rund 65 Euro, wird standardisiert für Fahrzeuge erstellt. Da kommen in zehn Jahren Hunderte Euro zusammen. Wenn ein zehn Jahre gültiger Energieausweis 200 Euro kostet, wird gejammert. Diese Einstellung muss sich ändern.
Gute Energieausweise geben Auskunft über die energetische Qualität eines Hauses und benennen bei Bestandsobjekten die wichtigsten Maßnahmen zur Sanierung. Mein Tipp: Mit einem hochwertigen Energieausweisersteller vereinbaren, dass zusätzlich dazu eine Bewertung nach klimaaktiv oder anderen Zertifikaten gemacht wird. Das macht immer Sinn, besonders aber dann, wenn das Haus erst geplant oder saniert werden soll. Wird die Zertifizierung im Rahmen der Planungsleistungen mitvereinbart, bieten viele Büros diese für geringe Kosten an.
Welches Thema wird künftig eine größere Rolle spielen?
Sehr wichtig im Sinne nachhaltiger Entwicklung sind leer stehende Einfamilienhäuser. Viele werden weitaus weniger genutzt, als das möglich wäre. Das Thema kennen viele, es ist aber auch hoch emotional besetzt. Da wohnen die Eltern oder die Oma alleine auf über 200, das Haus und ein riesiger Garten werden zur immer schwerer bewältigbaren Aufgabe. Was heute oft als Belastung gesehen wird, hat aber ein riesiges, positives Potenzial.
Einige Visionen: Die Alters-WG am Land und im gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus? Mit gemeinsam finanziertem Pflegepersonal? Warum eigentlich nicht. Oder gemeinschaftliches Wohnen von Jungfamilien in einem bislang leer stehenden Haus? Da können sich mehrere gemeinsam ihren Traum vom Eigenheim finanzieren und teilen sich so auch den Aufwand. Damit aus dem Einfamilienhaus später ein Ein- bis Zweipersonenhaus oder ein hochwertiges Mehrfamilienhaus mit gemeinschaftlicher Nutzung wird, wird sich in unseren Köpfen so einiges verändern müssen. Das Potenzial ist jedenfalls riesig: In Österreich stehen Hunderttausende derartige Häuser mit Leerstand oder nur geringfügiger Nutzung zur Verfügung.
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