Nachhaltig mobil: Mit dem Lastenfahrrad zum Supermarkt

Es gibt viele Möglichkeiten, um voranzukommen
Das Auto bleibt heute stehen: Wie der Umstieg auf eine grünere Fortbewegung gelingen kann – und was Weintrauben damit zu tun haben.

Ein Leben ohne Umherpendeln – privat wie beruflich –, ist längst nicht mehr vorstellbar. Doch die moderne Beweglichkeit hat ihren Preis. Je nach gewähltem fahrbaren Untersatz nutzt dieser allzu oft energetische Rohstoffe, die CO2 und andere Luftschadstoffe freisetzen. Besonders der Privat-Pkw gerät in Zeiten der Klimadebatte unter Druck. Doch wer auf nachhaltigere Alternativen umspuren will, entdeckt schnell, wie komplex das Thema ist.

„Schließt man etwa einen neuen Vertrag bei einem Ökostrom-Anbieter ab, ändert sich nicht viel", so Markus Gansterer vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ). "Der Strom kommt weiterhin aus der Steckdose.“ Will man aber Fahrten im Privatauto reduzieren, ist der Eingriff in den Alltag viel stärker. Damit der Umstieg auf eine klimaverträgliche Mobilität gelingt, empfiehlt der Experte einen gedanklichen Trick anzuwenden - und den gewonnenen Mehrwert in den Fokus zu rücken.

Denn soll sich die Alternative langfristig etablieren, muss sie "gleich komfortabel sein wie bei den bisher genutzten Verkehrsmitteln oder einen anderen Vorteil bieten." Beim Radfahren etwa könne man sich bewusst machen, dass es der eigenen Gesundheit nutzt.

Frage der Auslastung

Vorweg: Welches Verkehrsmittel ökologisch besser oder schlechter ist, lässt sich nicht so einfach beantworten. So muss auch der Auslastungsgrad miteinbezogen werden.

Nachhaltig mobil: Mit dem Lastenfahrrad zum Supermarkt

Die aktuelle Mobilitätsdebatte bietet die Möglichkeit, die eigenen Routinen im Alltag zu überdenken und zu adaptieren.

von Markus Gansterer

VCÖ (Themenverantwortung Mobilität, Technologie, Ökonomie)

Ein Beispiel: Ein voll besetzter Reisebus kommt an die durchschnittliche CO2-Bilanz der Bahn heran, aber nicht, wenn er zusätzlich zu einem Zug mit freien Plätzen unterwegs ist. Denn zugleich gilt: Unabhängig von der Personenanzahl fahren öffentliche Verkehrsmittel immer nach Fahrplan. Wer sie benutzen könnte, aber stattdessen im Alltag das Auto oder im Urlaub einen Reisebus mietet, wird daher, egal in welcher Auslastung, immer für einen weiteren CO2-Ausstoß sorgen, der so nicht notwendig wäre.

Die Traube in der Hand

So gesehen, steht die eigene Mobilität nie für sich, sondern hängt stets mit anderen Faktoren zusammen. „Fährt man im Auto zum Supermarkt, erzeugt man selbst oft mehr CO2 als zuvor der Transport von Waren aus entfernten Gegenden“, erklärt Gansterer und ergänzt es um ein Beispiel des VCÖ. Dabei im Fokus: Weintrauben, die per Lkw vom ca. 1.400 Kilometer entfernten Apulien nach Wien anreisen; ein Transportweg 31-mal länger als etwa bei Trauben aus der Neusiedler-See-Region.

Mit 0,6 kg CO2 pro Kilogramm verursachen die aus Italien gekommenen Trauben (inklusive Anbau) doppelt so viel Treibhausgase wie die aus dem Burgenland. Für ein klimaverträglicheres Einkaufen kann die Schlussfolgerung daher nur heißen: heimische Trauben vorziehen. Im Prinzip richtig, greift der Gedanke für Gansterer aber nicht weit genug: „Wird die An- und Abreise des Käufers zum Einkaufsvorgang hinzugerechnet, kann das die Umweltbilanz stark verändern.“

Denn liegt der Supermarkt fünf Kilometer entfernt, so die VCÖ-Rechnung, verursacht die Hin- und Rückfahrt im Pkw im Schnitt 2,6 kg CO2. Bezogen auf das gekaufte Kilogramm Trauben ist das um ein Vielfaches mehr als zuvor der Lkw-Transport von Italien (0,6 kg CO2) oder aus dem Burgenland (ca. 0,3 kg CO2). „Umweltbewusste Menschen kaufen bereits regional und saisonal, die Nahversorgung sollte ihnen auch die Möglichkeit geben, die eigene Fortbewegungsart umweltverträglich zu wählen“, so der Experte.

Die bessere Option ist daher: wo möglich, anstelle des entfernt gelegenen Einkaufszentrums den Nahversorger anvisieren und etwa auf das Fahrrad zu nutzen. Gerade die Stadt ist dafür prädestiniert: „Im Allgemeinen spielt sich jede zweite Autofahrt im Alltag auf einer Strecke von fünf oder weniger Kilometern ab“, erklärt Markus Gansterer, „Stehen keine großen Transporte an, ist das eine Distanz, die sich sehr gut ohne Pkw bewältigen lässt.“

Durchstarten

Wie bei jeder Verhaltensänderung, geht es auch bei der Mobilität darum, den Mehrwert zu sehen. „Für eine langfristige Veränderung ist der Klimaschutz allein vielleicht nicht immer als Motivation ausreichend“, weiß auch Gansterer und lädt dazu ein, die Perspektive zu erweitern: So könne man die Fahrten in Öffis oder im Zug als gewonnene Zeit betrachten oder Radfahren als Bewegungsprogramm, das die teure Mitgliedschaft im Fitnessstudio ersetzen kann.

Zudem erweise sich gerade in der Stadt „das Rad oft als schnellstes und flexibelstes Verkehrsmittel.“ Kein Auto zu besitzen, bedeute auch, kein Geld für das jährliche Service, für Reifenwechsel, Reparaturen oder Versicherungen auszugeben.

„Wo Öffis und Rad nicht mehr ausreichen, kann man immer noch auf Carsharing setzen“, so der Verkehrsexperte. „Vor allem am Land wird dieses zukünftig eine noch größere Rolle spielen.“

Das Idealszenario ist, alle bestehenden Optionen für den Eigenbedarf zu bündeln. „Der kommende Trend heißt ‚Mobility as a service‘, bei dem alle verfügbaren Angebote – etwa Öffis, Taxis, Radwege, Car- oder Bikesharing, etc. – gebündelt und bequem via Smartphone-App auf den individuellen Bedarf abgestimmt werden können“, so Gansterer. „Apps wie WienMobil, wegfinder oder tim in Graz gehen bereits in diese Richtung.“

Kommentare