Suffizienz – das ist für Markus Meissner, Mitglied des Österreichischen Ökologie-Institutes und Lektor an der FH Campus Wien, eines der wichtigsten Schlagworte im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit. Warum, erklärt er im Gespräch.
KURIER: Gibt es eine Definition, was unter Nachhaltigkeit verstanden wird?
Markus Meissner: Wir sollten so handeln und den Planeten so hinterlassen, dass unsere Nachfolger auch noch damit leben können – so wird Nachhaltigkeit im Brundtland-Report definiert. Es ist keine rechtliche Norm, es ist ein Leitfaden. Fühlt man sich ihm verpflichtet, so gibt er die Form des Handelns vor.
Wie müssen wir handeln, um nachhaltig zu leben?
Das ist das Grundproblem. Viele wissen nicht, wo sie anfangen können – klar ist aber, dass wir so nicht weitermachen können. Wir sind tatsächlich an den Grenzen des Planeten angelangt – wobei Klimaschutz nicht der Schutz unseres Planeten ist, sondern der des Homo sapiens. Ob das Klima kippt oder nicht, wird der Erde herzlich egal sein: Im Laufe der Evolution gab es schon fünf Ereignisse, bei denen 95 Prozent aller Arten ausgestorben sind. Die Erde wird sich erholen, andere Spezies werden die Nischen füllen. Reden wir von Nachhaltigkeit und Klimaschutz, dann geht es um den Schutz des Menschen vor den Auswirkungen seines schädlichen Tuns und Handelns. Wer nachhaltig agieren möchte, muss seine Grundwerte ändern.
1987 veröffentlichte die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen einen Bericht mit dem Titel "Our Commob Future" ("Unsere gemeinsame Zukunft"). Vorsitzender war der ehemalige norwegische Ministerpräsident Gro Harlem Brundtland, dessen Name der Report langläufig trägt. Im Brundtland-Bericht wurde zum ersten Mal eine Definition des Begriffs der Nachhaltigkeit festgehalten. Wortwörtlich steht dort: Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.
Inwiefern?
Meiner Meinung nach lautet die Frage, um die sich alles dreht: Was brauche ich, um ein erfülltes Leben zu führen? Es geht nicht um Glücklichsein, das ist etwas anderes. Es geht um Suffizienz. Jeder sollte täglich hinterfragen, was er benötigt, um zufrieden zu sein. Wie man seine Bedürfnisse erfüllt, ob die nahe liegende Lösung die umweltfreundliche ist oder ob es eine andere gibt.
Das heißt, Nachhaltigkeit hängt nur mit Konsum und Besitz zusammen?
Ich beschränke mich nicht auf Konsumgüter, sondern beziehe da auch Gebrauchsgüter und Ressourcenströme ein – es geht um Wohnraum, Mobilität und Energie. Auch da kann man hinterfragen, ob man das braucht oder sein Bedürfnis mit weniger Umweltauswirkungen decken kann. Aber es gibt eine Berechnung, die schon ein sehr starkes Bild ist: In Afrika gibt es Personengruppen, die verwenden ihr gesamtes Hab und Gut zumindest einmal am Tag.
Wir hingegen haben 99 Prozent aller Dinge, die wir besitzen – und das sind im Schnitt 10.000 Dinge – nicht einmal im Jahr einmal in der Hand. Jeder sollte in Gedanken durchgehen, was er besitzt oder täglich konsumiert. Die Schrauben, an denen wir beim Thema Nachhaltigkeit drehen können, sind die Entscheidungen, die wir täglich treffen. Allgemeingültige Maßnahmen gibt es nicht.
Was benötigen wir, um zufrieden zu sein?
von Markus Meissner
Österreichisches Ökologie Institut
Des Rätsels Lösung ist, sein Tun täglich zu hinterfragen?
Genau, dann bewegt man sich in die richtige Richtung. Wobei es wichtig ist, sein Tun nicht davon abhängig zu machen, ob andere auch ihrer Verpflichtung nachkommen. Nachhaltigkeit ist kein Entweder-oder, kein Wettbewerb. Die Messlatte dürfen nicht die anderen sein, sonst sind wir wie die Lemminge, die hintereinander die Klippe hinunterspringen. Was Ökologie und Ressourcenverbrauch angeht, stoßen wir als Gesellschaft an Grenzen, die uns nicht guttun. Die Umwälzungen hervorrufen werden, die eruptiver sein werden, als alles, was wir jemals gesehen haben. Es wird unvorstellbare Verteilungskämpfe geben.
Wenn wir alle aber kleine Schritte setzen – als Individuum, als Konsument, als Kommune, als Landes- oder Bundesregierung, als Europäische Union oder auf UN-Ebene –, dann bringen die in Summe viel. Ein Beispiel: Wenn 25 Kinder jeden Tag mit dem Fahrrad oder zu Fuß in die Schule kommen, als sich mit dem Auto bringen zu lassen, so sparen sie im Jahr fünf Tonnen ein. Es sind viele kleine Maßnahmen, die Großes bringen können. Die Frage, die im Zentrum steht, ist, wie kann ich meinen negativen ökologischen Fußabdruck kompensieren, ohne dass ich unzufrieden werde? Aber genau das macht Nachhaltigkeit auch so schwierig: Sie geht nach innen, sie hört nie auf, sie muss uns immer begleiten.
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