Je grüner desto kühler: Der aktive Wohnbau fürs Klima
Haufenweise Schotter, Zementmischer, Absperrgitter und Betongebäude umrandet von Gerüsten – Grün ist wohl die letzte Farbe, die einem zu dieser Beschreibung einfällt.
Und dennoch soll dieser Stadtteil am Wienerberg einmal einer der grünsten Flecken Wiens werden: denn hier entsteht die sogenannte Biotope-City. Das derzeitige Vorzeigeprojekt der Stadt, wenn es ums Bauen fürs Klima geht – Begrünung ist dabei das A und O.
„Der Mensch ist auf das Grün angewiesen“, sagt Florian Reinwald und zitiert damit den Architekten Harry Glück. Reinwald arbeitet am Institut für Landschaftsplanung an der Universität für Bodenkultur Wien. Er begleitet im Zuge eines Forschungsprojekts die Biotope-City.
Auf insgesamt 14 Bauplätzen soll diese 900 Wohnungen umfassen. 600 davon fördert die Stadt Wien. Der Andrang auf das neue Stadtviertel ist groß: Die meisten Wohnungen sind bereits vergeben. Heuer im Herbst sollen die ersten einziehen, die letzten dann im Herbst 2020.
Um ein möglichst angenehmes Klima für die künftigen Bewohner zu schaffen, gibt es laut Reinwald eine „Litanei“ an Maßnahmen, die auch in andere Projekte künftig integriert werden können. Zusammenfassen lassen sich diese in zwei Strategien.
Planen für die Zukunft
„Der erste Ansatz ist eine gute Planung“, sagt Reinwald. Denn je früher Bauträger Klimaexperten in die Entstehung eines Stadtteils einbinden, desto besser können sie das Mikroklima dort beeinflussen.
Planen Architekten ein Gebäude, sei es vor allem wichtig, dass diese auf die Ausrichtung der Bauten achten. So spiele es eine wesentliche Rolle, von welcher Richtung der Wind weht. Ist man sich dessen bewusst, kann man laut Reinwald Durchgänge öffnen, um den neuen Stadtteil zu belüften. Auch die Beschattung könne durch eine gute Planung optimal ausgerichtet werden.
Um diese zu erreichen, wurde bei der Biotope-City das Start-up-Unternehmen Greenpass GmbH miteinbezogen. „Wir haben ein Planungstool für eine klimaresistente Stadtplanung entwickelt“, erklärt der Geschäftsführer Florian Kraus. Faktoren, die sie beachten, sind Klima, Wasser, Luft, Biodiversität, Energie und Kosten.
Konkret fertigt das Unternehmen Simulationen des geplanten Stadtteils an, um unter anderem die Wirkung von Pflanzen sichtbar zu machen. Auf einer sogenannten „Heat-Map“ ist dann zu sehen, wo Hitzepole entstehen. Die Bauträger können daraufhin gezielt handeln.
Zudem ist eine ausgetüftelte Planung auch die Basis für eine ausreichende Begrünung – der zweite und noch effektivere Ansatz, um das Mikroklima zu verbessern. Kein Wunder, kann ein Baum doch die gefühlte Umgebungstemperatur um bis zu 15 Grad senken.
Die sieben Bauträger der Biotope-City mussten sich deshalb verpflichten vor allem Großbäume zu pflanzen, wie etwa Buchen, Erlen, Schwarzkiefer und kanadische Pappeln. Diese reduzieren die thermische Belastung.
Fürs Wetter wappnen
Damit die Bäume gedeihen, ist neben Sonne Wasser unabdingbar, so Reinwald. Die Wege wurden deshalb mit einem leichten Gefälle konzipiert, um Regen in die Baumscheiben und Gärten zu leiten. Zudem wird eine spezielle Erde verwendet, die das Wasser besser aufnimmt und länger speichert, um Dürreperioden entgegenzuwirken.
Aber auch für das gegenteilige Wetter wurde vorgesorgt: Bei Starkregen kann ein 600 Quadratmeter großer Pufferteich das überschüssige Wasser aufnehmen. Läuft dieser Teich über, kann er durch eine Leitung den nahe liegenden Wienerbergteich speisen.
Möglichst viele unversiegelte, grüne Flächen helfen nicht nur, das Wasser aufzusaugen, sondern speichern auch weniger Hitze. Die Wege, die dennoch benötigt werden, legen die Bauträger aus einem hellen Material an, das die Hitze reflektiert und nicht speichert.
Oben und unten Maßnahmen setzen
In der Tiefe der Anlage trafen Architekten zudem Maßnahmen, um Erdkerne zu erhalten. Die Tiefgaragen in der Biotope-City sind deshalb zweistöckig, um zwischen den Gebäuden auch unter der Oberfläche die Verbauung so gering wie möglich zu halten.
Aber auch in der Höhe sind Grünflächen laut Reinwald wichtig. So bestätigen die Ergebnisse der Untersuchung „Kelvin“ (2018, im Rahmen des Programms „Stadt der Zukunft“ , Anm.) die Effekte der Dachbegrünung.
„Werden alle für Dachbegrünung geeigneten Flächen in Wien genutzt und deckt man die übrigen Dächer mit einem Material ab, das 70 Prozent der Einstrahlung reflektiert, geht die Anzahl der Tage mit über 30 Grad um 30 Prozent zurück“, erklärt Stadtklimaforscherin Maja Zuvela-Aloise die Resultate. 45 Prozent der Dächer in Wien seien begrünbar, aber nur zwei Prozent sind derzeit bepflanzt.
Bewohner pflanzen
Wichtig ist auf den Dächern die Pflanzenwahl, da diese noch mehr der Sonne ausgesetzt sind. In der Biotope-City gibt es etwa zwei Dächer, die auch für Bewohner zugänglich sind. Um vor zu starkem Wind zu schützen, pflanzen die Bauträger dort Hecken.
An den Terrassen, Eigengärten und Balkonen können hingegen die Bewohner selbst entscheiden, was sie pflanzen wollen. „Es ist wichtig die Bewohner aktiv mit einzubeziehen“, sagt Reinwald. Jede Wohnung verfügt deshalb im eigenen Außenbereich über mindestens einen fixen Pflanzentrog.
Ein direkter Wasseranschluss vereinfacht das Gießen. Um die Pflanzen zu schützen, sind sie zudem klimatechnisch ausgerichtet: Fassadenbegründungen seien aufgrund der Sonneneinstrahlung auf der Süd- und Westfassade sinnvoll, so Reinwald.
Eine Grünwand mit einer Fläche von 850 Quadratmetern kühlt etwa so viel wie 75 Klimageräte, die 3.000 Watt Leistung haben und acht Stunden laufen.
Alle Maßnahmen zusammen können die Temperaturen in dem Stadtteil um bis zu drei Grad senken.
Natürliche Klimaanlage
„Es wirkt wie eine natürliche Klimaanlage“, sagt Kraus. Hat es also in Wien 30 Grad, sollte das Thermometer künftig in der Biotope-City 27 Grad anzeigen. Wichtiger ist laut Reinwald jedoch die gefühlte Temperatur. Diese ist wegen unterschiedlichem Körperempfinden zwar nicht messbar, dennoch gibt es Indikatoren wie erhöhte Luftfeuchtigkeit und direkte Sonneneinstrahlung, die diese erhöhen.
Damit die Biotope-City wirklich den gewünschten Erfolg zeigt, müssen alle zusammenarbeiten. „Es braucht Ansätze auf allen Ebenen. Von der Stadtentwicklung bis hin zum Setzen des Baumes. Nur so kann die Stadt abgekühlt werden.“
Um flächendeckend das Mikroklima in der Stadt zu verbessern, müssen aber viele Bauten solche Maßnahmen ergreifen. Beim geförderten Wohnbau gibt es etwa den im Bau befindlichen „Wildgarten“ in Meidling oder die Seestadt Aspern. Denn: „Achten wir nicht darauf, bauen wir uns die Hitze selbst“, sagt Reinwald.
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