"Orange Wines": Warum sie seit Jahren für Diskussionen sorgen

Misstrauen Sie den Geschmackspolizisten, rät Weinkolumnistin Christina Fieber.

Es scheint ein Phänomen unserer Zeit zu sein, dass sich Gegner und Befürworter einer Sache erbittert gegenüberstehen und nicht einmal mehr erwägen, der Andere könne Recht haben. Man gelangt zu einem Urteil, richtet es sich dort bequem ein und ist um die Burg nicht mehr davon abzubringen.

Seit Jahren etwa kriegen sich Freund und Feind der „Orange Wines“ in die Haare. Was für die einen die sensorische Erleuchtung, ist den anderen Teufelszeug. Und der Teufel schläft nicht. Man nehme sich tunlichst in Acht vor Weißweinen, die anders schmecken, als uns gelehrt wurde. Weiße, die wie Rote auf der Maische vergoren werden – was ihnen eine dezente Gerbstoffstruktur und leuchtendes Orange verleiht – Weine, die partout nicht mehr nach Pfirsich oder Ananas schmecken wollen. Wer glaubt, man ließe einander trinken, was schmeckt, irrt: Dort wie da erklären einem Geschmackspolizisten die Weinwelt.

Auf der einen Seite fundamentalistische Prediger der sensorischen Avantgarde auf der anderen Bewahrer des heilen Geschmacks, die hinter jedem maischevergorenen Weißwein die Bedrohung des christlichen Abendlandes wittern. Rebsorte und Herkunft würden zur Unkenntlichkeit verstellt, fürchten letztere. Man kann sie beruhigen: Auch wenn anfangs ein Wein wie der andere nach Gemüsebrühe zu schmecken scheint – der Gaumen ist kein Trottel: mit der Zeit beginnt er zu differenzieren – wenn man ihn lässt. Bewegt man sich einmal aus der sensorischen Komfortzone heraus, kann es richtig aufregend werden.

flaschenpost@kurier.at

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjournalistin in Wien.

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